13 Kapitel

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Kratzbürste


Wir saßen in der Kutsche und Gwendolyn sah aus dem Fenster. Sie sah Lady Arista in dieser Sekunde unheimlich ähnlich. Diese Akkurate Rückenhaltung und den vornehmen Winkel, in dem sie ihren Kopf hielt. Gwendolyn war ungewöhnlich blas und dass machte mir sorgen. Ich wollte nicht, dass sie wieder einen Anfall bekam.

Ich beobachtete sie eine Zeit lang nur, bis mir klar wurde, dass mein starren nichts an ihrer Situation änderte.

Ich zog meinen Mantel aus. >>Alles in Ordnung mit dir? Du siehst aus, als ob du einen Geist getroffen hättest. Ganz schön heiß für September.<<

>>Keinen Geist.<< sie sah mich nicht an, während ihre Stimme leicht zitterte. >>Nur den Grafen von Saint Germain und eines seiner >Kunststücke<.<<

>>Er war nicht besonders höflich zu dir. Aber das war ja zu erwarten. Offenbar hatte er eine andere Vorstellung davon, wie du zu sein hast.<< Und sie war das genaue Gegenteil. Immerhin hielt er sie für unterentwickelt.

Sie antwortete nicht, weshalb ich weiter sprach: >>In den Prophezeiungen wird der zwölfte Zeitreisende immer als etwas Besonderes geschildert. Begabt mit der Magie des Raben. Was immer das auch heißen mag. der graf schien jedenfalls nicht gewillt zu sein, mir zu glauben, dass du nur eine gewöhnliche Schülerin bist.<<

Ihre Haltung war nicht mehr ganz so penibel und auch ihr Gesicht hatte etwas Farbe bekommen. Doch sie sah mich immer noch nicht an.

>>Gwendolyn?<<

>>Was?<< keifte sie.

>>Das sollte keine Beleidigung sein. Ich meinte, gewöhnlich nicht im Sinn von ordinär, eher im Sinn von durchschnittlich, weißt du?<< Das musste sie doch verstanden haben.

>>Schon gut.<< sagte sie und funkelte mich wütend an. >>Es ist mir egal, was du von mir denkst.<<

Ich sah locker in ihr wütendes Gesicht. >>Du kannst ja nichts dafür.<<

>>Du kennst mich doch überhaupt nicht.<<

>>Mag sein. Aber ich kenne haufenweise Mädchen wie dich. Ihr seid alle gleich.<<

>>Haufenweise Mädchen? Ha!<<

Ich erinnerte mich an Charlotts Beschreibung und schmückte sie etwas aus. >>Mädchen wie du interessieren sich nur für Frisuren, Klamotten, Filme und Popstars. Und ständig kichert ihr und geht nur gruppenweise aufs Klo. Und lästert über Lisa, weil sie sich ein Fünf-Pfund-T-Shirt bei Marks and Spencer gekauft hat.<<

Gwendolyn begann zu lachen. Sie hatte ein angenehmes, freundliches lachen. >>Willst du sagen, alle Mädchen, die du kennst, lästern über Lisa, die sich ein T-Shirt bei Marks and Spencer gekauft hat?<< Nun ja, ja. Nein. Ach, keine Ahnung.

>>Du weißt schon, wie ich das meine.<< sagte ich.

>>Ja, ich weiß schon. Du denkst, alle Mädchen, die nicht so sind wie Charlott, sind oberflächlich und dumm. Nur weil wir eine normale Kindheit hatten und nicht pausenlos Fecht- und Mysterien Unterricht. In Wahrheit hattest du keine Zeit, jemals ein normales Mädchen kennenzulernen, deshalb hast du dir diese traurigen Vorurteile zurechtgelegt.<< Was?! Ich meine: WAS?!

>>Na hör mal! Ich war genauso auf der High School wie du.<<

>>Ja, klar! Wenn du nur halb so gründlich auf dein Leben als Zeitreisender vorbereitet worden bist, wie Charlotte, dann hast du weder männliche noch weibliche Freunde und deine Meinung über sogenannte durchschnittliche Mädchen beruht auf Beobachtungen, die du angestellt hast, wenn du einsam auf dem Schulhof herumstandest. Oder willst du mir erzählen, dass deine Mitschüler im Internat deine Hobbys - Latein, Gavottanzen, und Pferdekutschenfahren - wahnsinnig cool fanden?<<

Rubinrot - Gideons SichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt