20 Kapitel

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nur blöde Themen


Den Zylinder hatte ich >aus versehen< im Dunklen Keller verloren und nicht wieder gefunden, weshalb ich in der Droschke, die uns zu Lady Tilney fuhr auch etwas mehr Platz hatte als eigentlich.

>>Das ist wie die Kulisse zu einem Musical!<< sagte Gwen. Bitte, keine Musicals. Die hasste ich, seid mein Vater gestorben war.

>>Ich will auch so einen Sonnenschirm haben.<< meinte Gwen. Wenigstens ging es nicht um Musicals.

>>Wir haben einen guten Tag erwischt. Und ein gutes Jahr.<< war alles, was ich sagte.

>>Warum passen wir Margret nicht einfach in Temple ab, wenn sie zum Elapsieren kommt?<< Bitte nicht nochmal.

>>Das habe ich ja zweimal versucht. Ich hatte es nicht einfach, die Wächter von meinen guten Absichten zu überzeugen, trotz Parole und Siegelring und so weiter. Es ist immer schwierig, die Reaktion der Wächter der Vergangenheit einzuschätzen. Im Zweifel würde sie wohl eher dazu tendieren, dem ihnen bekannten und von ihnen zu beschützenden Zeitreisenden beizustehen als dem Besucher aus der Zukunft, den sie kaum oder gar nicht kennen. So wie sie es heute Nacht und heute Morgen auch getan haben. Mit einem Besuch bei ihr zu Hause sin wir vielleicht erfolgreich. Und auf jeden fall überraschend.<<

>>Aber könnte sie nicht Tag und Nacht von jemandem bewacht werden, der nur darauf wartet, dass wir auftauchen? Sie rechnet ja eigentlich damit. Schon seit vielen Jahren, oder nicht?<< Theoretisch schon, aber die praktische Umsetzung ist etwas anders.

>>In den Analen der Wächter ist nichts von einem zusätzlichen Personenschutz verzeichnet. Nur der obligatorische Novize, der das Haus jedes Zeitreisenden im Auge behält.<< Also müsste alles normal sein.

>>Der schwarze Mann.<< rief Gwen. >>Bei uns steht auch so einer.<<

Schwarzer Mann? Cool.

>>Nicht besonders unauffällig offensichtlich.<< Ich musste grinsen.

>>Nein, kein bisschen. Meine kleine Schwester hält ihn für einen Zauberer.<< Zauberer, wie süß. Gwens Schwester musste noch ziemlich jung sein. >>Hast du auch Geschwister?<< Kam jetzt der persönliche teil? Na gut.

>>Einen kleinen Bruder. Na ja, so klein ist er nicht mehr. Er ist siebzehn.<< Manchmal vermisste ich Raph schon, aber der lebte mit Mam und dem >nenn mich doch Papa< Arschloch in Frankreich.

>>Und du?<< Hä, was? Ach so, mein alter.

>>Neunzehn. Jedenfalls so gut wie.<<

>>Wenn du nicht mehr zur Schule gehst - was machst du dann? Außer in der Vergangenheit herumreisen natürlich.<< Warum wollte sie dass den wissen?

>>Offiziell bin ich an der University of London eingeschrieben.<< sagte ich. >>Aber ich glaube, dieses Semester kann ich abhaken.<< Was natürlich auch ihre Schult war.

>>Welches Fach?<< Warum wollte sie dass den wissen?

>>Du bist ganz schön neugierig, kann das sein?<<

>>Ich betreibe nur Konversation.<< Na, immerhin wusste sie, was >Konversation< heißt. >>Also, was studierst du?<<

Ich wollte erst nicht antworten, doch dann wurde mir klar, dass sie nicht ausgeben würde.

>>Medizin.<<

Sie nickte leicht und sah dann wieder aus dem Fenster. Offenbar wusste sie nicht, was sie noch fragen konnte. Aber, da die >Konversation< bis gerade so gut funktioniert hatte, fragte ich das erst, was mir in den Sinn kam.

>>War das heute in der Schule dein Freund?<< Oh man, dass hatte ich nicht wirklich gefragt. Warum hätte ich nicht etwas dämliches fragen können, wie >Was ist dein Lieblingsfarbe?< oder so.

>>Was? Wer?<< Sie schaute mich verblüfft an.

>>Der Typ hinter dir, der die Hand auf deiner Schulter hatte.<< Da ich schon zugab, dass ich sie beobachtet hatte sorgte ich dafür, dass meine Stimme desinteressiert klang.

>>Du meinst Gordon Gelderman? Ach du liebe Güte.<< Das war kein >Nein<. Warum antwortete sie nicht?

Wenn er nicht dein Freund ist, wieso darf er dich dann berühren?<< Na toll, jetzt klang ich interessiert. Mist!

>>Darf er ja nicht. Ich hab gar nicht gemerkt, dass er es getan hat, um ehrlich zu sein.<< Ach ja, sie hatte sich auf mich konzentriert. Immerhin war ich ihr peinlich gewesen.

Ich sah sie an und zu meinem bedauern oder glück, wurde sie Rot. Es war seltsam. Mein bauch sagte >Nicht gut< und mein Verstand sagt >Sehr gut<.

>>Wieso wirst du rot? Wegen Gordon Gallahan?<< So hieß er doch, oder?

>>Gelderman.<< Offensichtlich nicht.

>>Wie auch immer. Er sah wie ein Idiot aus.<< War ich jetzt etwa eifersüchtig? Bitte nicht.

Gwen lachte. >>Er hört sich auch wie einer an.<< Na immerhin.

>>Und er küsst ganz furchtbar.<< ergänzte sie.

Etwas in meinem Bauch zog sich zusammen. War das, war das etwa Eifersucht? Eifersucht darauf, dass sie genug Freizeit hatte, jemanden schon mal richtig zu küssen? Nein. Eifersüchtig auf Gordon, der Gwen geküsst hatte? Erschreckenderweise, Ja.

>>So genau wollte ich das gar nicht wissen.<< Ich beugte mich runter und schnürte meine Schuhe neu. Sie sollte nicht wissen, wie sehr mich dieser Satz mitgenommen hatte.

Als ich wider hochkam, verschränkte ich meine Arme vor der Brust. >>Das ist schon Belgrave Road, sieh mal! Bist du schon gespannt auf deine Ururgroßmutter?<<

>>Ja, sehr sogar.<<

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Rubinrot - Gideons SichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt