Madleine
Ich wachte spät auf. Und das auch nur wegen Alain, der sich plötzlich auf mich stürzte und unter meiner Decke verkroch.
Ich blinzelte verwirrt und konnte mir nicht wirklich einen Reim daraus machen, bis eine aufgebrachte Josette an meinem Zimmer vorbei stürmte und aus vollem Hals nach meinem kleinen Bruder schrie.
Grinsend hob ich die Decke ein Stück an und sah zu meinem zusammengekauerten Bruder hinunter. "Ts, ts, ts. Alain de la Fontaine, was hast du schon wieder angestellt?", tadelte ich ihn. Er kroch unter meiner Bettdecke hervor und strahlte mich an.
"Ich"- er machte einer dramatische Pause- "hab den Christbaum verhext."
"Den Christbaum verhext?", wiederholte ich ungläubig. Alain nickte heftig und mit stolzgeschwillter Brust. Ohne es aufhalten zu können, musste ich schallend lachen. Den Christbaum verhext. Sein Ernst?! Vielleicht sollte ich James mal als seinen Nachhilfelehrer in Sachen Streichen engagieren. Obwohl, ne, eher nicht. Auf einen fünften Rumtreiber zuhause konnte ich getrost verzichten.
"Wie genau hast du ihn verzaubert?", fragte ich ihn stattdessen.
Alain kicherte mädchenhaft. "Ich hab ihn zum schweben gebracht."
"Oh, wow! Was für ne Leistung!"
"Hey! Je n'ai pas fini encore! (Ich war noch nicht fertig!)" Böse sah er mich an. "Ich hab den Christbaum nämlich so verhext, dass er durchs ganze Haus schwebt."
Okay, ich musste zugeben, dass ich nicht wusste, wie man das macht.
Da verkündeten hektische Schritte auf dem Gang, dass Mamie zurückkam. Hastig versteckte mein kleiner Bruder sich erneut unter meiner Bettdecke.
"Madleine, est-ce que tu as vue son petit frère? (Madleine, hast du deinen kleinen Bruder gesehen?)", fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, wieso?", fragte ich scheinheilig.
Mamie schnaubte, schüttelte den Kopf und eilte wieder.
"Sie ist wirklich sehr böse.", sagte ich nachdenklich. "Vielleicht solltest du den Christbaum wieder an seinen ursprünglichen Platz stellen."
"Pff!", machte Alain. "Nie im Leben!"
"Ach, du warst das mit dem Christbaum!" Remus trat, dicht gefolgt von Damien in mein Zimmer.
Ich warf die Arme in die Luft. "Leute, mein Zimmer ist kein Familientreffpunkt!" Doch das schien die beiden wenig zu interessieren. Damien grinste nur und Remus wuschelte mir kurz durchs Haar. Diesmal schnaubte ich. "Na gut! Setzt euch hin!", gab ich dann aber nach und wies auf mein Bett. "Aber wehe jemand setzt sich auf meine Beine!" Warnend sah ich in die Runde.
"Keine Sorge!", sagte Damien. "Die sind viel zu dünn und zerbrechlich. Sollten wir uns drauf setzten, wären die ja gleich gebrochen."
Empört schnappte ich nach Luft. Ich war doch nicht zerbrechlich!
"Mads hat mehr Kraft, als man denkt.", warf Remus ein.
"Woher weißt du das?", fragte Alain neugierig. "Hat sie dich geschlagen?"
Ich wurde rot und zog die Decke bis zum Kinn.
"Sie hat Lucius in Zug mit voller Kraft gegen die Wand geschubst.", erzählte Remus schmunzelnd. "Nachdem sie erfahren hat, dass er eine Muggelstämmige Freundin von uns gefoltert hat."
"Lucius hat jemanden gefoltert?", fragte Damien geschockt. Sein Blick huschte zu mir. Ein Hauch von Besorgnis war darin erkennbar. "So langsam verstehe ich einiges.", murmelte er dann. Daraufhin sagte keiner etwas. Die Stille, die in der Luft hing, war bedrückend und passte überhaupt nicht zum heutigen Tag.
Ich räusperte mich. "Wollen wir frühstücken gehen?" Unsicher blickte ich in die Runde.
"Klar." Remus stand schwerfällig wieder auf und half mir dann ebenfalls aus dem Bett zu kommen. Damien und Alain folgten uns aus dem Zimmer.
Das Haus war voller Bewegung. Hauselfen eilten geschäftig hin und her, genauso wie Familienmitglieder und Gäste. In der Luft hing der unverkennbare Duft nach Mamans Weihnachtsplätzchen. Tief atmete ich ihn an. Merlin, ich liebte Weihnachten!
"Guten Morgen, Kinder!", rief Papa aus dem Salon, als wir daran vorbei gingen. Er rauchte Pfeife und saß entspannt in seinem Lieblingssessel.
"Guten Morgen!", riefen wir alle fröhlich zurück.
"Wir müssen in die Küche, Mads! Das Esszimmer ist bereits für Rèveillon (Na, wer weiß noch, was das ist?) gedeckt." Damien hielt mich am Handgelenk zurück und schob mich stattdessen in die Küche.
"Est-ce que les dames et monsieur veulent manger le petit déjeuner? (Wollen die Damen und Herren ihr Frühstück verspeisen?)", fragte Cassie eifrig nach einer kurzen Verbeugung.
"Ja, sehr gerne.", antwortete ich und musste mich davon abhalten die kleine Hauselfin nicht an mich zu drücken. Das würde sie schrecklich verwirren. "Frohe Weihnachten, Cassie.", sagte ich stattdessen nur. Ihre Wangen färbten sich trotzdem rot. "Merci, Madame Madleine! Cassie wünscht Ihnen ebenfalls ein schönes Weihnachtsfest!", murmelte sie und wandte sich nach einer weiteren rasch wieder dem Herd zu.
Später am Vormittag saßen wir alle im Salon. Es herrschte eine beruhigende Stille, die nur ab und zu durch das Prasseln des Feuers im Mamorkamin unterbrochen wurde. Mein Kopf lag auf Remus und meine Füße auf Damiens Schoß. Ich wurde schon wieder schläfrig und wäre sicher in den nächsten fünf Minuten eingeschlafen, wenn nicht in diesem Moment die Türglocke geklingelt hätte. Erschrocken fuhr ich in die Höhe.
"Ganz ruhig, Maddy!", sanft drückte Remus mich wieder auf seinen Schoß. "Es hat nur an der Tür geklingelt. Das sind bestimmt deine zwei Freundinnen. Ihr wolltet doch auf den Weihnachtsmarkt in Paris."
"Oh, ja. Stimmt.", murmelte ich verlegen. Remus lächelte auf mich hinab. In diesem Moment wurde mir bewusst, wie sehr ich unser altes Verhältnis vermisste. Plötzlich hatte ich das Gefühl ihm alles erzählen zu können- meine Gefühle für Sirius, meine Freundschaft mit James und die Angst vor meinen 'Freunden' in Slytherin. Es war wie früher.
"Salut!" Mit einem breiten Grinsen, einer Einkaufstasche über dem Arm und in einen olivefarbenen Pelzmantel gehüllt trat Marie mit klackernden Absetzten in den Salon. Als sie uns müden Haufen sah, zog sie die Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Was soll das denn werden?", fragte sie mit einem vorwurfsvollen Unterton. "Allez! Auf die Beine! Wir wollen doch nach Paris!"
"Camille ist doch noch gar nicht da.", gähnte ich, rappelte mich aber tatsächlich auf. Marie nahm den Weihnachtsmarkt sehr ernst. Sie sah es als eine echte Tradition.
Genau in diesem Augenblick stürmte Camille aufgedreht und aufgekratzt wie ein kleines Kind in den Salon. "Merlin!", stieß sie aus. "Vor eurer Haustür stehen zwei Jungen, die mir irgendwie bekannt vorkommen, aber ich hab voll Panik bekommen und dann..."
"Atmen, Camille! Atem!", warf Damien amüsiert ein, als meine Freundin nach Luft schnappte. Sie streckte ihm die Zunge raus.
Ich hingegen machte mir eher Sorgen wegen der Jungen, die Camille erwähnt hatte. Waren das etwa Spanner oder Stalker? Massenmörder? Mein Puls stieg an und mein Herz raste.
"Mads, hör auf dir Panik zu machen.", Remus drückte kurz sanft meine Hand. "Komm, wir gucken uns diese zwei mal an. Ich hab da so eine Vorahnung..." Er stand auf und zog mich aus dem Salon.
"Hey! Wartet!" Marie und Camille folgten uns nach einem kurzen Überraschungsmoment.
Mit schnellen, eiligen Schritten liefen wir vier in die Eingangshalle.
"Là! Regardez! (Da! Schaut!)" Camille lief an das bodentiefe Fenster bei der Treppe nach oben und deutete hinaus.
Ich musste mich etwas verrenken, um zwischen Mamans kunstvoll angelegten Pflanzen und Sträuchern im Vorgarten- ich bevorzugte den Begriff Vorpark- und dem mit dem de la Fontaine Familienwappen verzierten Tor vorbei zu gucken, aber schließlich erhaschte ich einen Blick auf zwei heftig diskutieren Jungen.
"Remus?" Ich richtete mich wieder auf.
"Ja, Maddy?" Er versuchte ein unschuldiges Lächeln, was allerdings kläglich misslang.
"Was bei Merlins Bart machen Potter und Black vor unserem Haus?!" Meine Stimme war schneidend. Remus durfte unter keinen Umständen wissen, wie sehr ich mich freute die beiden Chaoten zu sehen.
Die Wangen meines Cousins färbten sich rot. "Es könnte vielleicht, eventuell, unter Umständen sein, dass ich den Besuch in Paris auf dem Weihnachtsmarkt heute früh erwähnt habe...", murmelte er betreten.
"Dann kommen sie mit!", rief Marie begeistert. Anscheinend wollte sie die beiden nach meiner Erzählung gestern unbedingt kennenlernen.
Marie Fiore war ein sehr ungeduldiger Mensch. Außerdem hörte sie nur sehr ungern auf Anweisungen.
Diesmal folgten wir also Marie, als sie die Haustür aufriss und durch den Vorpark eilte.
"Salut!" Sie strahlte James und Sirius an, welche sie nur geschockt anstarrten.
"Ähm... hi...", antwortete James schließlich verwirrt. Dann entdeckte er mich und Remus hinter der Rothaarigen. "Remus, Madleine! Wir hatten schon befürchtet, dass ihr ohne uns auf den Weihnachtsmarkt seid!", rief er erleichtert.
"Krone hat das befürchtet!", sagte Sirius. Er schien sich mal wieder schrecklich zu langweilen. "Ich war mir relativ sicher, dass ihr noch da seid. Remus meinte mal, dass er es schrecklich findet,wie lange die Französin schläft, dabei hat sie so einen leichten Schlaf."
Überrascht sah ich ihn an. Das hatte er sich gemerkt?
"Unsere Nation ist kein Schimpfwort.", empörte sich Marie und verschränkte die Arme vor der Brust. Über die Schulter warf sie mir einen Blick zu. Und in so einen hast du dich verknallt?!
"Ist doch egal.", meinte ich schnell und fuhr mir durchs Haar, als ich Sirius Blick auf mir spürte. "Ich hole Lucius, Damien und Alain. Dann können wir gehen."
"Malfoy kommt mit?", fragte James entsetzt.
"Stellt euch vor, er ist auch mein Cousin.", erwiderte ich ohne mich um zudrehen, während ich mit schnellen Schritten zurück zum Haus lief.
DU LIEST GERADE
Ordinary Girl
FanfictionMadleine de la Fontaine kommt in ihrem 5. Jahr nach Hogwarts. Nach Slytherin. Denn sie scheint wie die perfekte Slytherin und Reinbluttochter- kalt, hochnäsig und verabscheut Gryffindors. Doch eigentlich ist sie ganz anders. Eigentlich ist sie in ei...