Sirius
"Was?", fragte ich unfreundlich. Ich war genervt. Und wie. Sie zuckte zusammen. Mit großen, dunklen Augen sah sie zu mir auf. Und ich sah zurück. Irgendetwas hielt mich davon ab, meine Blick von ihr zu nehmen. Ich musste aber auch zugeben, dass sie, wie sie so da stand- in meinen Mantel eingewickelt, der ihr viel zu groß war, mit vom Wind zerzausten braunen Haaren und roten Wangen- verdammt gut aussah.
"E-es ist Vollmond.", erklärte sie sich eingeschüchtert. Erschrocken riss ich die Augen auf und wirbelte herum. Tatsächlich prangte der volle Mond dort oben über dem Verbotenen Wald. Kein Wunder, dass wir Remus nicht finden konnten. Hastig drehte ich mich wieder zu Madleine um.
"Du musst sofort zurück ins Schloss!", befahl ich ihr eindringlich. Ich mochte sie nicht, aber a) würde Remus mich und sich selbst gleich danach umbringen, wenn er Madleine etwas antun würde und b) war ich ja kein schlechter Mensch.
"A-aber..."
"Kein Aber! Willst du dich umbringen, oder was?"
Heftig schüttelte sie den Kopf, verzog gleich danach aber das Gesicht und presste sich beide Hände auf die Ohren. Ach, verdammt! Ich hatte irgendwie vergessen, dass sie eigentlich krank war. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus.
"Komm." Sanft nahm ich ihre linke Hand. Sie zuckte zusammen und sah mich erschrocken an. Ich war selbst von mir erschrocken, aber loslassen tat ich ihre Hand nicht.
Wir liefen in Richtung Schloss. Ich merkte, wie sie sich immer mehr an mir abstützen musste. "M-mir ist schwindelig.", murmelte sie kurz vor dem Schloss. Ich wandte den Kopf nach links und sah auf sie hinunter. Sie zitterte, blinzelte die ganze Zeit und außerdem wurde ihr Husten wieder schlimmer. Das Laufen schien ihr unheimlich schwer zu fallen.
"Hast du Beine aus Wackelpudding?", wollte ich seufzte wissen, packte sie an der Hüfte und den Kniekelen und hob sie im Brautstil hoch. Sie war leicht wie eine Feder. Wir waren noch ungefähr 5min vom Schloss entfernt, als wir ihn hörten. Remus heulte laut und qualvoll. Mein Herz zog sich zusammen und mein Griff um Madleine wurde fester.
"Tut es ihm weh?", fragte sie leise. Ich sah auf sie hinunter. Ihr Blick war auf den Wald hinter mir gerichtet. Doch obwohl sie mir über die Schulter schaute, konnte ich den Schmerz und die Trauer darin sehen.
"Ja.", meinte ich ernst. Noch immer sah sie mich nicht an, aber ihre zarte, kleine Hand drückte die meine, welche um ihre Hüfte lag.
Ich lief schneller. Madleine war krank und schwach, das konnte der Werwolf spüren. Vermutlich war er schon geradewegs auf dem Weg in unsere Richtung. Wieder erklang das grauenvolle Heulen meines besten Freunds und wieder beschleunigte ich meine Schritte.
"Sirius?!" Madleine bekam langsam Panik. Eigentlich ein Wunder, dass sie so lange ruhig geblieben ist. Sie ließ meine Hand los und fixierte weiter die Landschaft hinter meiner Schulter. Ich spürte ihr Herz an meiner Brust, welches viel zu schnell schlug. Genauso wie meines.
"Bleib ganz ruhig.", flüsterte ich ihr zu, obwohl ich damit selbst Probleme hatte. Meine Schritte wurden immer größer, schneller und hektischer.
"Da ist er!", quietschte Madleine. Sie versuchte ihre Stimme unter Kontrolle zu halten, aber schaffte es nicht ganz. Ich warf einen Blick über meine Schulter und erkannte die Gestalt des Werwolfs, erschreckend nah bei uns. Jetzt fing ich an zu rennen. Madleine schlang erschrocken ihre Arme um meinen Hals. Hektisch stolperte ich die Stufen zur Eingangshalle hinauf. Mein Herz klopfte verräterisch laut, während Madleine in meinen Armen zitterte. Ich gönnte mir in der Eingangshalle eine kleine Durchschnaufpause, ehe ich langsam weiter lief. Das erschöpfte Mädchen musste dringend in den Krankenflügel zurück.
"Mr Black, was wird das?"
Wie angewurzelt blieb ich stehen. Scheiße! Madleines Arm rutschte von meinen Schultern und ich wagte einen Blick in ihr Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen und ihr Atem ging nur noch stoßweise. Ok, tief durchatmen. Ich hatte ja nur gerade die ohnmächtige Cousine meines besten Freundes auf dem Arm und hinter mir stand Professor McGonagall. Alles easy. Total easy. Unwillkürlich schnappte ich nach Luft.
"Mr Black!", fauchte meine Verwandlungslehrerin hinter mir. Entschlossen drehte ich mich um.
"Tut mir leid, Professor, aber ich habe gerade keine Zeit für sie! Ich muss unsere kleine Französin hier in den Krankenflügel bringen, da sie krank ist."
"Das sehe ich. Aber wieso nach der Nachtruhe?"
"Sie wollte nicht gehen, weil ihr Malfoy diese dumme Slytherin - kein - Krankenflügel- Regel wohl etwas zu sehr eingeprägt hat. Und ich habe Remus versprochen ihm zu helfen. Also trag ich sie halt jetzt im Schlaf."
Innerlich klopfte ich mir auf die Schulter. Das war eine der besten Ausreden, die ich je erfunden hatte.
Madleine bewegte sich leicht und kuschelte sich an meine Brust. Vielleicht schlief sie ja wirklich nur.
Professor McGonagall seufzte. "Nun gut. Gehen sie. Aber beeilen sie sich!"
"Natürlich, Professor!" Ich lächelte sie charmant an, dann stieg ich die Mamortreppe empor. Den wissenden Blick und das kleine, seltene Lächeln, mit welchen sie mir nach sah, bemerkte ich nicht.
"Madleine?", fragte ich leise, während ich weiter durch die Gänge des Schlosses lief. Ich bekam keine Antwort, aber das hatte ich auch so erwartet. Seufzend versuchte ich mich so wie sie zu entspannen und meinen Adrenalinspiegel wieder sinken zu lassen. Es klappte erstaunlich gut. Madleines ruhiger Atem und Herzschlag beruhigten mich.
Trotzdem war ich froh, als wir den Krankenflügel erreichten. Natürlich war Madleine schlank, zierlich und auch wirklich sehr leicht. Aber selbst sie wurde auf Dauer etwas schwer in meinen Armen.
Vorsichtig öffnete ich die Tür des Krankenflügels; durch Ermangelung von Händen mit dem Fuß. Merlin sei dank war Madame Pomfrey nicht da. Rasch lief ich auf Madleines Bett zu.
"Das hier ist nie passiert!", zischte ich möglichst bedrohlich in ihr Ohr. Dann legte ich sie sanft ab und wollte schon gehen, als sie fröstelnd den Umhang- meinen- enger um sich zog.
Ich musste lächeln. Es ging nicht anders. Madleine sah zu putzig aus. Lächelnd deckte ich sie sanft zu.
"Gute Nacht, kleine Französin!", murmelte ich, bevor ich hastig den Krankenflügel wieder verließ. Diesmal zum Glück alleine.
Hatte ich ihr gerade wirklich durchs Haar fahren wollen?! Ich schüttelte meine Locken und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Das war definitiv das erste und das letzte Mal, dass ich so etwas gemacht habe!
Ich verschwand im nächsten Geheimgang, um erstens nicht entdeckt und zweitens so schnell wie möglich zurück aufs Gelände zu kommen.
Kaum war ich draußen, verwandelte ich mich in den großen schwarzen Hund und hetzte über die Ländereien zum Verbotenen Wald. Ein lautes Bellen hallte durch die helle Nacht. Die Antwort war ein lautes Heulen des Werwolfs alias Remus. Ich lief auf das Heulen zu und sprang schon bald zwischen dem Wolf, dem Hirsch und der kleinen Ratte hin und her.
"Wo warst du?", fragte James, als wir nebeneinander in unseren Himmelbetten lagen.
"Ich... Nirgendwo!" Etwas hielt mich davon ab, ihm die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit, dass ich bei Madleine war. Dass ich sie nicht dauerhaft beschimpft habe. Dass ich sie hübsch und nett gefunden hatte.
James seufzte. "Hm. Vermutlich will ich es auch gar nicht wissen, oder?"
"Nein, willst du nicht!" Er würde mich ewig damit aufziehen. Ich hörte meinen besten Freund leise lachen. "Gute Nacht, Padfoot!" James drehte sich auf die Seite.
"Nacht, Prongs!", erwiderte ich. Ich starrte an die Decke meines Himmelbettes und konnte nicht einschlafen. Dieser Abend war mehr als merkwürdig gewesen!
Die restliche Woche blieb Madleine im Krankenflügel, was meiner Meinung nach das beste war, das nach diesem komischen Vollmond passieren konnte. Dadurch, dass ich sie nicht zu Gesicht bekam, konnte ich die Erinnerungen besser verdrängen.
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Ordinary Girl
FanfictionMadleine de la Fontaine kommt in ihrem 5. Jahr nach Hogwarts. Nach Slytherin. Denn sie scheint wie die perfekte Slytherin und Reinbluttochter- kalt, hochnäsig und verabscheut Gryffindors. Doch eigentlich ist sie ganz anders. Eigentlich ist sie in ei...