Eigentlich hatte ich gedacht, fünf Wochen hier auf Alderney würden nur schleppend vorübergehen, doch da hatte ich mich getäuscht. Denn kaum fühlte ich mich so richtig wohl auf der Insel, da hatte ich auch nur noch knapp eine Woche Zeit, ehe ich wieder zurück nach Hause musste. Und Louis konnte ich dann auch erst einmal so schnell nicht mehr wiedersehen.
Zu Hause befände ich mich schlagartig wieder in meinem alten Alltag. Zur Schule gehen, nachmittags Hausaufgaben machen oder lernen und in der Freizeit dann etwas mit meinen Freunden unternehmen oder Sport treiben.
Und ehrlich gesagt freute ich mich darauf nicht so arg. Klar, Niall und die anderen nach der Zeit hier wiederzusehen war toll und ich vermisste meine Familie und Freunde ja auch, aber irgendwie war das Haus meiner Großmutter doch wie ein zweites Zuhause geworden.
Tja, aber es kam nunmal, wie es kommen musste.
Und so kam es, dass ich aufwachte und feststellen musste, dass ich bald schon wieder im Flieger zurück nach England sitzen würde, mit Musik in den Ohren und ohne Louis, der mir in den vergangenen Wochen doch so sehr ans Herz gewachsen war.
Aber was war das eigentlich zwischen uns? Ja, gute Frage, denn niemand wusste das so recht. Wir benahmen uns schon wie ein Pärchen, irgendwie, aber dann eben auch nicht. Wenn er bei mir übernachtete oder ich bei ihm, dann lief es eigentlich immer darauf hinaus, dass wir kuschelten und es auch den ein oder anderen Kuss gab. Und ja, jedes Mal explodierte ich deshalb fast, aber mehr passierte da dann doch nicht.
Zwar hatte Niall in den etlichen Telefongesprächen, die ich mit ihm geführt hatte, gemeint, ich solle endlich mal in die Offensive gehen und Louis das fragen oder ihm zumindest meine Gefühle gestehen, aber ich traute mich einfach nicht.
Ich wollte es, so sehr sogar, aber immer, wenn ich es mir vornahm, tat ich es letztendlich doch nicht. Man konnte das Ganze feige nennen, das wusste ich selber, und wenn ich nicht in der Situation wäre, dann hätte ich das auch ganz leicht gefunden, aber ich war halt nunmal derjenige, der auf Louis zugehen musste und plötzlich betrachtete ich alles ganz anders. Mir wurde zwar quasi befohlen, endlich mal zu handeln, da ich ansonsten schon ganz bald im Flugzeug säße und mich dafür töten könnte, weil ich meine Chance nicht genutzt hatte, aber es ging einfach nicht. Punkt.
Aber trotz allem kam ich nunmal nicht drumherum, aufzustehen und nach unten zu schlürfen, um zu frühstücken.
"Guten Morgen, Schatz", zwitscherte Großmutter gut gelaunt und werkelte weiter an irgendeinem sehr gut riechenden Kuchen herum.
"Morgen."
"Du hast nicht mehr sehr lange, Harry, dann musst du wieder nach Hause."
Als ob ich das nicht schon wusste. Ich wollte nicht von Lou und allem hier weg.
"Ich weiß", murmelte ich als Antwort und nahm mir eine Scheibe Brot, welche ich bestrich und dann genüsslich verputzte. Es war nämlich selbst gemachtes Brot von Glenda und ja, es schmeckte vorzüglich.
"Ich habe überlegt, ob wir nicht als kleinen Abschluss irgendetwas für dich machen sollten. Wir könnten mit Louis, Jay und ein paar anderen grillen. Was hältst du davon?", schlug meine Großmutter vor und drehte sich mit einem Teiglöffel zu mir um, den sie ableckte.
Ich wollte den Teig haben.
"Ja, klingt gut, ich frage Lou gleich mal." Es war so gut wie zur Tradition geworden, dass der Wuschelkopf und ich fast täglich aufeinander hockten. Über Nacht schliefen wir meist, aber nicht immer, alleine, denn wenn man so vierundzwanzig sieben zusammen waren, konnte es eigentlich gar nicht gutgehen. Nicht, dass wir uns gestritten hatten, doch irgendwann passierte das bei jedem. Aber heute sollte ich bei Louis übernachten, das stand schon seit ein paar Tagen fest. Gleich würde er rüberkommen und mir wieder 'Nachhilfe' geben. Meist quatschten wir nur, aber das musste ja keiner wissen.
"Okay, mach das. Und wenn ihr wollt, könnt ihr beide ein Stück Kuchen haben, sobald er fertig ist.
"Ja, danke, ich gehe mich dann mal fertigmachen."
Und damit stand ich auf, stob den Stuhl ran, räumte den Tisch ab und verzog mich nach oben. So ging das jeden Tag. Am Wochenende durfte ich immer ausschlafen und in der Woche weckte mich meine Großmutter so um neun oder halb zehn, damit wir gemeinsam frühstücken konnten.
Ich streichelte im Vorbeigehen noch schnell Indira ein Mal über den Kopf und trabte die Treppen hinauf, zog auf die Schnelle eine neue Boxershort aus dem Schrank und verschwand im Bad, wo ich schnell eine warme Dusche nahm.
Als ich fertig war und auch meine Zähne geputzt hatte, verließ ich mit einem Handtuch auf dem Kopf das Bad, um mir in meinem Zimmer etwas zum Anziehen rauszusuchen.
Ich schlüpfte gerade in meine Skinny-Jeans, als es klopfte und kurz danach Louis kleiner Kopf im Türrahmen erschien. Er wurde - wie jedes Mal - rot, kam jedoch trotzdem rein. "Morgen", brachte er hervor und ließ sich auf mein Bett plumpsen. Schnell zog ich mir ein weißes Shirt drüber und begrüßte ihn ebenfalls.
"Bald bist du nicht mehr da", meinte mein Gegenüber etwas traurig und ließ die Schultern hängen.
Wieso sprach heute jeder davon? Ich wusste immerhin, dass meine Zeit hier so gut wie vorbei war.
"Ich weiß", nuschelte ich und ließ mich neben den Blauäugigen aufs Bett fallen. Louis schaute bedröppelt auf den Boden und fuhr mit seinen Füßen durch den Teppich, der davor lag. "Aber lass den Kopf nicht hängen", versuchte ich, ihm gut zuzureden, doch irgendwie klappte es nicht so ganz. Ich seufzte und zog ihn kurzerhand auf meinen Schoß.
Ja, Lou war wirklich in jeglicher Hinsicht der weiblichere Part einer Beziehung. Das hatte Zayn mir mal verraten, als Louis gerade nicht da war. Der Schwarzhaarige meinte, dass Lou schon immer derjenige war, auf den man aufpassen musste, der kleine, knuffige, süße Lou eben. Und er hatte erzählt, dass es der Wuschelkopf nicht immer ganz so leicht in der Schule hatte, einfach, weil er nicht dieses typische Klischee erfüllte, dass Jungs immer stark waren und ihre Gefühle nicht zeigten durften. Klar, Louis spielte Fußball, aber anscheinend war das nicht ausschlaggebend. Ich persönlich mochte diese Einstellung kaum und teile sie auch nicht, aber selbst heutzutage gab es noch immer diese Gruppe von Menschen, die der Meinung waren, Jungs waren so und Mädchen waren so.
Mich kränkte es etwas, zu wissen, dass mein Gegenüber in der Schule so manche Kommentare abbekam. Zwar hatte Zayn mir versichert, dass nie jemand handgreiflich geworden sei, sondern nur mit Worten gehandelt hatte, aber selbst das fand ich schon nicht in Ordnung.
"Ich werde dich vermissen", säuselte Louis in meine Brust und ich hauchte ihm etwas gedankenverloren einen sanften Kuss auf den Hinterkopf.
"Ich dich auch, Lou, ich dich auch."
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Denkt ihr, Louis und Harry bekommen es noch auf die Kette, sich ihre Gefühle zu gestehen, ehe Harry wieder fort muss?

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Alderney // l.s. AU
FanfictionEine, in der Harry Styles, unbeholfener Kandidat schlechter Noten, seine Sommerferien eigentlich anders geplant hatte, wenn nicht seine Mutter gewesen wäre. Anstatt also das zu tun, was er wollte, konnte Harry auf eine für ihn unbekannte Insel Mitte...