-2- Gottheiten

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Meine Großmutter öffnete die Türe und mir kam sofort der typische Geruch meiner Oma entgegen, den ich selbst nach fünf Jahren wiedererkannte. Der Flur war klein, aber er gefiel mir trotzdem. Die Wände waren in einem dunklem rot gestrichen, überall hingen Bilder, es lagen zahlreiche Teppiche auf dem Boden und die altmodische Lampe beleuchtete alles.

"Stell deinen Koffer hier hin. Wir essen erstmal den Kuchen, okay?", fragte Oma.
Ich nickte und folgte ihr in die kleine Küche. Der Esstisch war bereits gedeckt und der gut riechende Kuchen stand auch schon darauf.
Ich setzte mich auf einen gemütlichen Stuhl und betrachtete die Küche: eine alte Küchenzeile, wieder viele Bilder, aber auch Zeitungsausschnitte und ähnliches klebten an der Wand und der Raum hatte eine altmodische Tapete.

"Soo, greif zu, Liebling!", meine Großmutter klatschte in die Hände. Ich gab ihr ein Stück des Kuchens und mir ebenfalls. Er schmeckte himmlisch und es blieb nicht bei einem Stück.

Während des Essens unterhielten wir uns viel. Eher gesagt redete meine Oma das Meiste und ich antwortete nur darauf. Sie fragte, wie meine Schule wäre, wie es Mama und Gemma ginge, was ich in meiner Freizeit machen würde, und, und, und.

Ich verstand mich mit ihr eigentlich ganz gut und war froh, dass sie in den vergangenen Jahren nicht griesgrämig geworden war.

"Harry, deine Mutter hat mir gesagt, dass du hier insbesondere lernen solltest und daran musst du dich auch halten, aber bitte denk nicht, dass du das vierundzwanzig sieben machen musst. Immerhin soll das hier auch Spaß machen. Allerdings müsstest du mir schonmal beim Abwasch oder anderen Aufgaben im Haushalt helfen, da ich kein Hotel bin. Ist das okay?", wollte sie wissen.

"Ja klar, es versteht sich, dass ich dir helfe."

"So, Harry, ich mache heute den Abwasch, dann hast du genug Zeit, um das Haus und den Garten zu erkunden, sowie deinen Koffer auszupacken", sagte meine Großmutter und ich bedankte mich bei ihr, ehe ich aufstand.

"Ach, Indira ist noch draußen, du hast doch keine Angst vor Hunden, oder?"

"Nein, keine Sorge", lachte ich und verließ die Küche.

Zuerst entdeckte ich das Wohnzimmer, welches direkt neben der Küche lag. Es war genauso eingerichtet wie der Rest des Hauses.
Die Gästetoilette benutzte ich gleich mal, dann nahm ich mir meinen Koffer und schleppte ihn nach oben.
Ich sah mir schnell alle anderen Räume an und am Ende des Flurs lag mein Zimmer.
Gespannt öffnete ich die Holztür und blickte in ein kleines, aber gemütliches Zimmer.

Die Wände waren in einem mintgrün gestrichen, mit einzelnen Bildern von Alderney an der Wand. Ein großes Bett stand in der Mitte der Wand, ein Schreibtisch, sowie eine Couch, ein kleiner Fernseher, ein Schrank und eine Komode befanden sich ebenfalls im Raum.
Ich ließ mich rückwärts auf das weiche Bett fallen und schloss für einen Moment die Augen.

Nachdem ich kurz eingenickt war, aber wirklich nur ein paar Minuten, stand ich mit einem Gähnen auf und machte mich auf dem Weg zum Garten.
Im Wohnzimmer öffnete ich die Tür nach draußen und mir sprang sofort ein Hund freudig entgegen.

"Du musst Indira sein", ich streichelte den Kopf des Golden Retrievers.

Indira hüpfte um mich herum und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz.
Als ich dann etwas durch den Garten lief, folgte mir die Hündin überall hin. Süß.

Hier waren viele Blumen, Bäume und Sträucher gepflanzt und sogar etwas Obst und Gemüse war angebaut. Äpfel, Kirschen, Gurken, Erdbeeren, Birnen und Karotten entdeckte ich, als ich meinen Blick umherschweifen ließ.
Zudem hatte meine Großmutter auch Kaninchen, die in einem großen Außengehege untergebracht waren. Oma hatte mir eben beim Essen erzählt, dass sie alle nach Gottheiten benannt waren, nämlich Loki, Pan und Aurora. Ich persönlich kannte nur den Namen Loki, aber die anderen waren auch keine römischen Gottheiten, sondern griechische oder so. Das hatte ich mich nicht gemerkt.

Nach einiger Zeit beschloss ich, wieder reinzugehen und nahm Indira mit.

Ich nahm bei der Treppe jeweils zwei Stufen auf einmal und in meinem Zimmer angekommen fing ich an, meinen Koffer auszuräumen.
Da ich ein eigenes kleines Bad besaß, konnte ich mich dort auch ausbreiten und stieg sofort einmal unter die Dusche, da ich nach den beiden Flügen schon ziemlich gestresst war.

Mit nassen Haaren und einem Handtuch um der Hüfte ging ich in mein Zimmer, um mir frische Sachen rauszunehmen. Danach entspannte ich erstmal und schaltete den Fernseher ein.

"Harry, Essen ist fertig!", rief meine Großmutter von unten und ich begab mich in die Küche.

Dort roch es schon sehr gut, sodass mein Magen anfing zu knurren.
Beim Essen fragte ich, ob meine Oma WLAN hatte, was sie bejahte und mir zeigte, wo das Passwort stand. Ich musste zugeben, dass meine ganzen Vorurteile dieser Insel gegenüber doch nicht so ganz stimmten. Zumindest WLAN gab es hier.
Später gab ich dann das Passwort ein und bekam sofort zwei Nachrichten. Eine von meiner Mutter, die fragte, wie es mir ginge, was ich jedoch nur kurz beantwortete, da sie nicht angekrochen kommen musste, immerhin war sie Schuld daran, dass ich hier war und dann hatte ich noch eine von Niall.

Von: Niall
- Na dann mal viel Spaß dir :) Lern schön fleißig, am besten noch eine Runde für mich mit, denn meine Noten sind so: na ja. Schreib mir bald, dein Niaaaaaaaallllllllll -

Ich grinste und schrieb ihm direkt zurück:

An: Niall
- Heyyy, also ich habe hier doch WLAN, aber ich muss dich leider enttäuschen, da ich nicht für dich lernen werde. Sorry. Du tust mir so leid, mein kleiner Ire :b -

Der Rest des Tages verging wie im Fluge. Ich verschanzte mich in mein Zimmer, guckte Fern, kuschelte mit Indira, die ihre Schnauze in mein Zimmer gesteckt hatte und auf mein Bett gesprungen war und schlief dann relativ früh auch schon ein.

Am nächsten Morgen wachte ich auch neben neben der Hündin auf, die anscheinend die Nacht in meinem Bett verbracht hatte.

"Guten Morgen", murmelte ich mit meiner kratzigen Morgenstimme und die Hündin neben mir spitzte die Ohren. Ich stand auf, streckte mich und gähnte einmal, ehe ich mich auf den Weg nach unten in die Küche machte, in der bereits meine Großmutter saß und frühstückte.

"Guten Morgen", grüßte sie mich.

"Morgen. Wieso hast du mich nicht geweckt?", wollte ich wissen, denn ich hatte kein Problem damit, früh aufzustehen. Was hieß früh? So um neun Uhr war okay, inwiefern man das noch früh nennen konnte, wusste ich nicht, allerdings war es jetzt schon nach elf Uhr.
Indira kam in die Küche gelaufen und stürzte sich auf ihren gefüllten Fressnapf.

"Ich dachte, dass du von gestern bestimmt noch müde wärst und da hab ich dich schlafen gelassen", erklärte meine Großmutter und ich nahm mir ein Brötchen, "Ach, übrigens, Louis kommt gleich und geht für mich ein paar Teile einkaufen. Dann nimmt er Indira mit und geht mit ihr in Einem spazieren. Vielleicht gehst du mit und er zeigt dir die Insel."

"Wer ist Louis?", fragte ich und bestrich mein Brötchen mit Butter.

"Louis ist der Nachbarsjunge, etwa in deinem Alter. Er geht mir gelegentlich zur Hand und ist total freundlich. Du wirst ihn mögen!"

In dem Moment klingelte es.

"Ach, das wird er bestimmt schon sein." Meine Oma stand auf, verließ die Küche und kam kurzerhand mit einem Jungen wieder.

"Das ist Louis."

Und vor mir stand ein Junge mit strahlenden eisblauen Augen.

Alderney // l.s. AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt