Kapitel 5 : Himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt

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Eine Weile laufen wir schweigend nebeneinander her. Eigentlich will ich unbedingt etwas sagen, aber mein Kopf ist leer. Die Stille ist mir entsetzlich unangenehm. Wir kommen an einer Parkbank vorbei und Izzie nickt in die Richtung. "Setzen wir uns kurz? Ich habe noch ein Geschenk für dich." Zuerst bin ich verwirrt darüber, dass sie mir etwas schenken wird, da wird mir klar, dass das hier meine Geburtstagsfeier ist. Also setze ich mich, wie sie gesagt hat und schaue zu, wie sie einen Umschlag aus ihrer Tasche zieht und ihn mir gibt. 

Ich versuche meine Enttäuschung zu überspielen. Ein Umschlag bedeutet Geld oder einen Gutschein. Ich dachte eigentlich, sie würde mich mittlerweile besser kennen, aber vielleicht habe ich mich getäuscht. Ich versuche also ein vorfreudiges Lächeln aufzusetzen und öffnete den Umschlag. 

Ok wow, das ist kein Geld oder ein Gutschein, das hier ist viel besser. Und zwar mit Abstand mein bestes Geburtstagsgeschenk dieses Jahr. Ich bin stolzer Besitzer von zwei Konzertkarten für Tegan and Sara. Ich starre sie an. Sie grinst mich an. "Naaa, gefällt es dir?" "Das ist der Hammer! Aber die müssen ein halbes Vermögen gekostet haben!" Sie lächelt immer noch. Mal wieder fällt mir dabei auf, dass sie einfach wunderschön ist, wenn sie lacht. Dann bekommt sie Grübchen und ihre rehbraunen Augen strahlen. Dann antwortet sie: "Ach Quatsch. Mein Vater ist mit dem Veranstalter in Köln befreundet, also haben wir die billiger bekommen. Außerdem weiß ich genau, wie sehr du diese Band liebst." Da hat sie verdammt recht. Tegan und Sara sind mit Abstand meine Lieblingsmusiker und das hat sie sich gemerkt. Mein Bauch macht seltsame Dinge, die er nicht machen sollte. Ich habe das entsetzliche Bedürfnis, sie jetzt zu küssen. Sie zu berühren und ihre sanften Lippen auf meinen zu spüren. Aber weil das wohl nicht geht, umarme ich sie einfach nur ganz fest. Dabei atme ich ihren Geruch ein, schließe die Augen und wünsche mir, wir könnten für immer hier so sitzen bleiben. Ich versuche diesen Moment festzuhalten, damit ich später einmal davon träumen kann.

Bevor es seltsam wird, löse ich mich aus ihrer Umarmung. Mir fällt wieder ein, dass es zwei Karten sind und mein Herz macht einen Sprung. "Hey, wen soll ich denn mitnehmen? Dich etwa?" Ich versuche es scherzhaft klingen zu lassen, aber ich glaube, dass man hört, wie meine Stimme vor Nervosität zittert. Sie streicht sich eine lose Haarsträhne zurück hinter ihr Ohr. "Nein, natürlich nicht, du weißt doch, dass ich diese Art von Musik nicht mag. Ich dachte, du willst vielleicht mit Chloe hingehen? Ihr habt doch fast alles gemeinsam, da habt ihr  bestimmt auch den gleichen Musikgeschmack, oder?" "Ja, da hast du Recht." Dann stehe ich auf und gehe langsam zurück zum Haus. Izzie folgt mir. Innerlich stecke ich inmitten eines riesigen Gefühlschaos. Einerseits bin ich extrem glücklich über ihr Geschenk und andererseits enttäuscht, weil sie nicht mit mir dort hin will. Ich bin mir ganz sicher, dass sie keine Gefühle für mich hat, sonst hätte sie sicherlich keine Chance ausgelassen, um mit mir zusammen zu sein. Das hätte ich zumindest nicht getan. Diese Vorstellung zereist mir das Herz und ich bin kurz davor loszuweinen. Ich laufe schneller. 

Als wir zurück sind, schlafen bereits alle anderen. Draußen wird es längst wieder hell und man kann die Vögel zwitschern hören. Ich gehe ins Bad und schlüpfe in meinen Schlafanzug. Im Hintergrund läuft immer noch leise Musik auf der Anlage. Ich nähere mich und will sie gerade ausschalten, da halte ich inne. Gerade ertönt "Won't be the same" von Billy The Kid über die Lautsprecher. Der Song startet mit den Worten: These days I just can't think straight

Am liebsten würde ich laut über die Ironie der Situation auflachen. 



She - Als mein Leben ins Wanken gerietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt