Kapitel 12: Konzerte und neue Bekanntschaften

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zwei Monate später:

In den zwei Monaten habe ich so viele verschiedene Emotionen auf einmal gespürt, wie noch nie in meinem Leben. Ich hatte keinen Kontakt mit Izzie, seitdem sie mich in der Schule stehen gelassen hat und das ist gut so. Ich habe so viel Wut heruntergeschluckt, so viele Tränen gespürt und so oft den Wunsch gehabt sie in meine Arme zu schließen und sie nie mehr loszulassen. Jetzt hoffe ich, dass ich meine Gefühle langsam wieder unter Kontrolle habe. Ich möchte keine alten Wunden aufreißen, indem ich wieder irgendwie Kontakt mit ihr aufnehme. Sie ist nach Amerika gegangen. Das war ihre Entscheidung. und damit ist sie auch mit einem großen Knall aus meinem Leben verschwunden. 

Heute ist der große Tag des Tegan und Sara Konzertes und ich freue mich wie eine Wahnsinnige. Die Erinnerung daran, dass es Izzie selbst war, die mir diese Karten verschafft hat, versetzt mir einen Stich und macht mich mit einem Schlag wieder traurig. Das kann mich jedoch nicht davon abhalten, zu diesem Konzert zu gehen. Schließlich ist das eine einmalige Chance. Heute will ich einfach nur Spaß haben. 

Um 18:00 Uhr holt mich Chloe ab. Sie umarmt mich stürmisch und grinst von einem Ohr zum anderen. Ihre gute Stimmung springt sofort auf mich über und ich bin froh endlich all den Kummer hinter mir zu lassen. Wenn auch nur für ein paar Stunden, es fühlt sich gut an, glücklich zu sein. 

Nach einer halben Stunde Fahrt kommen wir an der Konzerthalle an. Ich werde immer aufgeregter. Das wird einfach nur cool. Mittlerweile hat Chloes Dauergrinsen auch mich erreicht. Ich sehe bestimmt total bescheuert aus, aber das ist mir in dem Moment egal. 

Meine Erwartungen werden nicht enttäuscht. Das Konzert ist der absolute Hammer und ich genieße es, komplett abzuschalten. Danach werden wir von einer Gruppe Mädchen in unserem Alter angesprochen, ob wir nicht noch zusammen etwas trinken gehen wollen. In meinem Glücksrausch stimme ich zu. Ich möchte nicht, dass dieser Abend schon zu Ende ist und meine Eltern wissen, dass ich bei Chloe übernachte. Ihre Eltern sind extrem entspannt, was spätes Zurückkommen angeht und werden auch nichts dagegen haben. In der Disco angekommen, kaufe ich uns ein Bier. Als ich damit zu Chloe zurückkomme, sehe ich sie mit einem Mädchen reden. Sie ist ungefähr so alt, wie wir, vielleicht ein bis zwei Jahre älter. Ihr schwarzen Haare trägt sie auf einer Seite an der Kopfhaut geflochten und ihre dunklen Augen funkeln im schwachen Licht der Scheinwerfer. Mir fällt sofort auf, dass sie sehr hübsch ist. An dem Grinsen in Chloes Gesicht, als sie mich entdeckt, erkenne ich, dass sie das ebenfalls bereits bemerkt hat. Ich stelle mich dazu. "Hi." Und reiche Chloe ihr Bier. Sie nimmt es dankend entgegen und stellt mich dann vor. "Das hier ist Jess, meine beste Freundin. Und Jess, darf ich vorstellen: Dieses reizende Mädchen heißt Keira." Sie lächelt mir zu und ich nicke freundlich. Das Grinsen in Chloes Gesicht wird breiter und ich ahne, was sie vorhat. "Ich gehe dann mal gucken, wo die anderen sind."

Und zack, stehe ich hier alleine mit diesem fremden Mädchen. Klar, Chloe meint es nur nett und ich finde sie hat meinen Geschmack ziemlich gut getroffen. Wäre da nicht Izzie, hätte ich wahrscheinlich ernsthaftes Interesse. Trotzdem hätte Chloe ihre Verkupplungsversuche wenigstens ein bisschen subtiler rüberbringen können. Keira hat mich die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Als sich unsere Blicke jetzt treffen, lacht sie laut auf. "Was ist so lustig?" Verwirrt schaue ich sie an. Sie lacht immer noch. "Klarer Fall von Hetero versucht ihre lesbische Freundin zu verkuppeln, nicht wahr? Warum denken eigentlich immer alle, dass homosexuelle Frauen immer automatisch auf alle anderen Frauen stehen?" Meine Verwirrung wandelt sich in Verblüffung. "War das so offensichtlich?" Sie klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. "Nach der Art, wie du mich angeguckt hast schon. Mit der Zeit bekommt man dafür ein Gespür." 

Daraufhin verfallen wir in ein lockeres Gespräch. Nach einer Weile wird es uns beiden zu laut, um uns zu unterhalten und wir gehen raus. Nach einem kurzen Spaziergang finden wir eine Bank, die noch nicht von einem Obdachlosen oder betrunkenen Partygänger belegt ist und setzen uns. Wir albern ein bisschen herum, machen doofe Witze, die wir beide lustig finden und verstehen uns richtig gut. Chloe hat gar keine schlechte Arbeit geleistet, ich nehme mir vor, sie nachher dafür zu loben. 

Plötzlich geht alles ganz schnell. Keira lehnt sich leicht vor, schaut mir tief in die Augen und legt ihre Lippen auf meine. Nach kurzem Zögern erwidere ich ihren Kuss, was sicherlich auch an meinem leicht angeheiterten Zustand liegt. Der Kuss ist der Hammer und fühlt sich wahnsinnig schön an. Ich genieße die Zuneigung und Nähe, die sie mir entgegenbringt, jedoch fehlt etwas. Etwas, was ich erst nach einigen Sekunden definieren kann. Ich nehme die Hände vor ihre Brust und schiebe sie sanft zurück. "Es tut mir Leid Keira. Du bist toll, aber ich kann das nicht."

 Hilflos blicke ich sie an. Ich liebe sie nicht, denn sie ist nicht Izzie. Meine Gefühle für Izzie jetzt auf sie zu projizieren, wäre nicht fair ihr gegenüber. Sie ist klasse, aber ich bin noch nicht bereit. Ich bin dankbar für die Erkenntnis. Trotzdem habe ich Angst vor ihrer Reaktion. Doch sie lächelt mich nur an und legt ihren Arm um mich. "Liebeskummer, hm?" Wie hat sie das denn jetzt wieder erraten? Warum kennt sie mich nach gerade einmal einer Stunde schon so gut? Ich nicke traurig. "Willst du drüber reden?" Ich schüttele den Kopf. Ich möchte nicht daran denken. Stattdessen möchte ich einfach nur hier in Keiras Armen sitzen und den Abend genießen. Sie nickt verständnisvoll. Dann zieht sie einen Stift aus der Tasche, nimmt meinen Arm und schreibt eine Nummer darauf. "Hier, falls du doch mal reden willst." Sie stockt. "Mit jemandem, der dich vielleicht besser versteht als Chloe. Oder..." Da ist es wieder, dieses gewinnende Grinsen. "Wenn du irgendwann über sie hinweg bist." 

Dann beginnt sie wieder blöde Witze zu reißen und nach einiger Zeit sind der Kuss und mein Kummer schon fast wieder vergessen. Ich schaue in den Himmel und beobachte die funkelnden Sterne, während Keira von ihren zwei Hunden erzählt. 

Das Leben ist schön. 

She - Als mein Leben ins Wanken gerietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt