Kapitel 13: Geburtstage und alte Bekannte

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Weitere vier Monate später: 

Heute hat Becca Geburtstag und ich freue mich auf ihre Party. Stolz betrachte ich mich im Spiegel. Das neue schwarze Kleid steht mir ausgezeichnet und meine Haare fallen ausnahmsweise nahezu perfekt. Sogar der Pickel auf meiner Stirn, der bei seiner Entdeckung heute Morgen beinahe zu einem Nervenzusammenbruch geführt hat, ließ sich mit ein bisschen Make Up und Concealer überdecken. Diese Party ist die perfekte Gelegenheit, um jemand neuen kennenzulernen, das hat Chloe bereits sehr subtil angemerkt. Seit dem Abend mit Keira habe ich mich von niemandem mehr angezogen gefühlt. Dafür sind wir beide jetzt gute Freundinnen und sie kommt oft zu Besuch. Sie ist mir auf verwirrende Art und Weise einerseits sehr ähnlich, aber manchmal auch irgendwie ganz anders. Trotzdem verstehen wir uns super -  eben nur als Freundinnen. 

Leider kann Chloe heute nicht da sein, sie hätte bestimmt wieder einen ihrer Verkupplungsversuche gestartet. Dieses Mal hätte ich das wahrscheinlich gar nicht so schlecht gefunden, ich fühle mich mittlerweile bereit dazu, mich nach jemand Neuem umzuschauen. 

Ich packe das Geschenk ein und steige in den Bus. Es ist echt voll, die Luft ist heiß und stickig. Ich bin froh, als der Bus endlich an Beccas Haltestelle hält. Gemütlich laufe ich zur Haustür und klingele. Dabei mache ich mir Gedanken darüber, wie viel ich heute trinken werde. Schon von außen höre ich die laute Musik. Diesem Lautstärkepegel nach zu urteilen, scheinen bereits ziemlich viele da zu sein. Die Tür geht auf und ich falle Becca stürmisch um den Hals. Dann drücke ich ihr das Geschenk in die Hand. Sie schlägt vor, mich einmal rumzuführen, um mich allen vorzustellen, weil auch viele Leute aus anderen Freundesgruppen da sind. Nach einigen "Hallo"s und "Wie gehts dir?"s schnappe ich mir einen Drink und gehe zusammen mit Becca die Treppe hinauf. Das Haus ist riesig dafür, dass hier nur drei Menschen wohnen. Noch dazu arbeiten Beccas Eltern viel und sind deswegen sowieso nicht oft daheim. Aber für solche Anlässe ist es echt praktisch. 

Bisher habe ich noch niemanden gefunden, der potenziell interessant für mich sein könnte. Auf der oberen Etage fällt mir jedoch sofort ein Mädchen ins Auge. Ehrlich gesagt, sehe ich sie nur von hinten, aber alleine ihre Ausstrahlung ist perfekt. Sie unterhält sich mit einem Jungen. Während Becca mich gewissenhaft den weiteren Gästen der Party vorstellt, schiele ich immer mal wieder zu ihr hinüber. Und dann endlich machen wir uns auf den Weg zu den beiden. Becca lacht, während wir uns dem Mädchen von hinten nähern. "Ich glaube ihr beiden kennt euch. Da brauche ich niemanden mehr vorzustellen. Ich lasse euch dann mal alleine." Sie macht auf dem Absatz kehrt und läuft davon. Verwirrt starre ich ihr nach. Woher sollte ich sie kennen? 

Durch Becca aufmerksam geworden, halten die beiden in ihrem Gespräch inne und das Mädchen dreht sich um. Es fühlt sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Ich brauche kurz, um zu realisieren, wer da gerade vor mir steht. Die Haare sind kürzer und haben eine andere Farbe, aber die Augen... Diese wunderschön glänzenden braunen Augen sind immer noch die selben. Auch in ihr Gesicht ist Entsetzen geschrieben. Sie ist zurück? Schon? Hatte sie nicht gesagt, sie bliebe mindestens ein halbes Jahr? Ich überschlage kurz den Zeitraum und mir wird klar, dass das ungefähr hinhaut. Seitdem sie mich in diesem Klassenraum stehen gelassen hat, sind schon sechs ganze Monate vergangen. Und jetzt steht sie wieder vor mir. Ich fasse es nicht.  Kurz frage ich mich, wie Becca auf die bescheuerte Idee kommt, mich ausgerechnet zu Izzie zu bringen, da fällt mir ein, dass sie davon gar nichts weiß. Ich habe mit niemandem außer Chloe darüber gesprochen. So denkt Becca, wir wären einfach nur alte Freundinnen, die sich schon lange nicht mehr gesehen haben. 

Ich sage nichts und sie sagt nichts. Für eine zerstörerisch lange Zeit starren wir uns einfach nur gegenseitig in die Augen. All der Kummer und die Trauer fühlen sich wieder frisch an. Es ist zum Heulen. Ich dachte, ich hätte das Kapitel endlich hinter mich gebracht. Der Junge neben ihr schaut etwas verwirrt von einer zur anderen. "Hi.", sagt er dann, aber ich beachte ihn nicht. Stattdessen frage ich: "Iz, was zum Teufel machst du hier?" Meine Stimme ist viel dünner und brüchiger, als ich es wollte. Ich versuche ruhig zu bleiben. Ich muss jetzt einfach einen kühlen Kopf bewahren. "Ich war eingeladen. Ich wusste nicht, dass du da sein würdest, es tut mir Leid." "Du wusstest nicht, dass ich da sein würde?!" Ich schreie jetzt beinahe. Da sind so viele Emotionen, so viel Wut in mir, die ich gerne rauslassen würde. "Becca ist eine meiner besten Freundinnen und das wusstest du. Wie kannst du es wagen hier aufzutauchen, nach dem, was du mir angetan hast!" Ruhig bleiben Jess, ruhig bleiben. Alles wird gut. 

Aber Izzies Blick ist gleichgültig. Dann zuckt sie nur mit den Schultern. "In einem halben Jahr ändert sich viel..." Laut hörbar atme ich die Luft durch meine Nase ein. So eine Schnepfe. Jetzt versuche ich gar nicht mehr, den gehässigen Unterton in meiner Stimme noch zu verbergen. "Und wer ist das da?" Ich nicke in Richtung des Typen, der vorhin mit ihr gesprochen hat. Irre ich mich oder wird sie gerade rot? Ist da ein kleines Fünkchen von Hilflosigkeit in ihren Augen? "Ähm...äh - das ist mein Austauschpartner aus Amerika, Josh." Das erste Mal sehe ich mir ihn jetzt wirklich an. Davor war ich zu sehr von Izzies Anwesenheit abgelenkt. Er ist groß, schlank und hat blonde, mittellange Haare. Für einen Jungen sieht er sogar ziemlich gut aus. 

Josh scheint unser Gespräch verstanden zu haben, denn er legt einen Arm um sie und sagt stolz lächelnd:" And her beautiful boyfriend."

She - Als mein Leben ins Wanken gerietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt