„Du musst wissen, Krebs haben ist nur eines von mehreren Problemen, die ich habe", erklärte ich Nathan nun, nach dem wir uns mit einem Glas Wasser auf den Balkon gesetzt hatten.
Er saß mir direkt gegenüber und schaute mich mit seinen grünen Augen an. Zerzaust hingen ihm seine schwarzen Haare in die Stirn, seine buschigen Augenbrauen waren besorgniserregt gerunzelt.
„Meine Familie ist eine einzige Katastrophe", fuhr ich fort, „meine Schwester und mein Bruder wurden von meinen Eltern schon seit ich denken kann anders behandelt."
„Sind deine Geschwister jünger als du?"
„Lila - meine Schwester - ja. Aber mein Bruder ist zwei Jahre älter. Er wohnt etwas weiter von hier mit seiner Freundin zusammen."Nate nickte, seine Hand griff meine, und sofort breitete sich ein entspanntes Gefühl in mir aus.
Abgelenkt schaute ich auf unsere Finger. „Es ist ganz schön kompliziert."
„Ist es immer", bestätigte Nate lächelnd; die Wärme verschwand, seine Hand verließ meine als er sich zurück lehnte.„Mein Vater war ein Arschloch", fuhr ich seufzend fort, „aber mein Stiefvater ist schlimmer. Er schlägt mich, denkt wohl er kann sowohl die Krankheit, als auch die Neigung zu Jungs aus mir heraus prügeln."
Nathan lachte leise auf.
„Vielleicht stehe ich ja insgeheim auf Schläge, weil ich provoziere ihn immer und immer wieder, mein Ego ist zu groß, als dass ich es lassen kann."Ich beobachtete den Lockenkopf; erst schaute er ziemlich besorgt, doch als ich ihn etwas anlächelte biss er sich grinsend auf die Lippen und schaute mich aus dunkelgrünen Augen schelmisch an.
„Wa- oh..." Ich lachte und boxte ihn spielerisch, „So war das nicht gemeint ich-"
„Wenn du mal ein ganz böser Junge warst, weiß ich jetzt was ich zu tun habe", zwinkerte er.
„Vorausgesetzt du willst mich überhaupt wieder sehen."
Verwirrt griff nun ich nach seiner Hand. „Natürlich will ich das."
Dankbar lächelte er mich an.Ich ließ meinen Blick über sein Gesicht gleiten. Seine Haare hatten die perfekte Länge und waren natürlich gewellt. Fielen sie ihm so ins Gesicht, deuteten die Spitzen direkt auf seine Sommersprossen, welche sich über seine Nase und Wangen ausbreiteten. Sie ließen ihn nur noch frecher wirken.
„Versuchst du meine Sommersprossen zu zählen?", grinste Nate mich dreckig an und ich bemerkte, dass ich ihn beim nachdenken die ganze Zeit angestarrt hatte.
„Was? Nein, äh, ich war nur in äh... Gedanken. Oder so..."
Ich stotterte.
Ich hatte noch nie bei Jungs gestottert, ganz im Gegenteil, normalerweise brachten die keinen Ton heraus in meiner Gegenwart.Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er mich immer noch an.
Sein Grinsen entblößte strahlend weiße Zähne, auf die man nur neidisch sein konnte.„Du bist also ausgezogen. Geht es dir denn nicht besser?", fragte Nathan gerade und riss mich aus meinen Gedanken.
„Nein. Doch, also... Ich bin in Therapie."
Er nickte.
Er schien nichts mehr dazu zusagen zu haben, also fragte ich: „Was ist mit dir?"„Was soll mit mir sein?", zuckte er seine Schultern.
„Meine Familie ist kaputt, aber tut so als wäre alles okay und ich kann machen was ich will, da keiner weiß wie er mit mir umgehen soll." Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte, also lächelte ich ihn traurig an.„Na komm, zieh nicht so ein Gesicht. Es hört sich wahrscheinlich schlimmer an als es ist", grinste er zwinkernd, winkte ab und verschränkte die Arme lässig hinter seinem Kopf.
Ich hob mein Glas und starrte in die bitzelnde Flüssigkeit; es war fast leer.
„Kann ich dich etwas Fragen?", schoss mein Gedanke plötzlich aus meinem Mund. Verunsichert schaute ich ihn an, doch er lächelte ruhig mit geschlossenen Augen.„Aber natürlich."
„Bist du ein Arschloch?"
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Let's fall in love, dude.
Mystery / Thriller"Was stört dich an ihm?" "Seine Schuldgefühle." "Und weshalb ist das so?" "Sie sind lächerlich." "Lächerlich?" "Menschlich."