Kapitel 2

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"Soll ich dich fahren?", fragt meine Mutter schmunzelnd. "Dann kannst du dein bescheuertes Skateboard hier lassen. Sowas macht ein normales Mädchen nicht. Du willst doch nicht schon wieder gemobbt werden!"
Die Frage beantwortete ich mit einem extra schmeichelhaften "Gerne doch" mit dem Mund voll Brot und auf das, was danach kam ging ich garnicht erst ein, sondern dachte mir nur meinen Teil. Die versteht mich eh nicht. Lebt seit fast 30 Jahren in Deutschland und versucht mich auf die koreanische Art und Weise zu erziehen. Im Auto während der Fahrt meckert sie weiter, während ich nur stumm daneben sitze, gelangweilt aus dem Fenster sehe und mir nur meinen Teil denke:
"Und jetzt schau dich doch mal an. Du siehst aus wie ein Papagei!" Papageien sind süß.
"Schlimm! Das nennst du also 'eigenen Stil'?!"
Jap.
"Wie willst du so Freunde finden?!" Brauche ich die? Hab ich weder Lust, Zeit, noch Geld für. Man wird erfahrungsgemäß ausgenutzt, hintergangen und verletzt. Wenn sie einen nicht mehr brauchen wird man fallen gelassen. Fazit: Nein!
"Schau dir doch mal deine neuen Mitschülerinnen an. Wie die sich anziehen. Versuch dich doch mal ein wenig anzupassen!"
Kann ich von mir aus tun, und nö, denn das habe ich früher schon mal versucht. Ich sah in den Spiegel und sah ein einfaches, simples Massenprodukt. Nicht mich.
Wo ist denn hier mein Recht auf Individualität geblieben?
"Ich habe dir doch mal diese Adidas Superstar gekauft. Die sind doch total "in" zur Zeit! Warum habe ich dich die noch nie tragen sehen?"
Du hast sie gegen meinen Willen gekauft. Ich hab doch damals schon gesagt, dass es unnötig ist 100€ auszugeben nur um mit dem Trend zu gehen. Außerdem sind sie einfach nur HÄSSLICH und passen garnicht zu meinem Stil.
Ich kann sie auch nicht mehr tragen weil ich sie nicht mehr habe.
Ich habe die Quittung gefunden und sie im Laden wieder abgegeben. Das Geld habe ich sinnvoll in ein neues Set Keramikkugellager für mein Board (die alten aus Stahl fingen an zu rosten, fahren wurde damit unangenehm und gefährlich... Bin wohl ein bisschen zu oft durch Regen gefahren) und in Pokémon Alpha Saphir (die einzige Pokémon Edition die mir noch fehlte) investiert. Mami weiß natürlich von nichts.
"Am Ende kommen nur deine ... Verstimmungen zurück und du landest wieder beim Psychologen! Die Narben an deinen Armen sieht man schön deutlich bei deinen kurzen Sachen! Du bist auf dem Besten Weg wieder ein Aussenseiter zu werden. Dein Vater und ich haben doch gehofft dass das auf dem Gymnasium besser wird! Naja dort kommst du unter ein bisschen vernünftigere Leute. Mit etwas Glück kann ja der eine oder andere etwas Verständnis für dein .... Anderssein aufbringen."
Am Ende der Realschulzeit, zur Zeit der ZP 10, hatte ich ein Verhältnis von +- 0 mit meinen Mitschülern. Weder Gut noch Schlecht. Einfach garkeins.
Haben nicht miteinander gesprochen, uns weitergehend ignoriert und uns nur auf freundlich-zurückhaltenden Kontakt in Gruppenarbeitsphasen geeinigt. Genauso war es gut. So kann ich die Pausen entspannt und ungestört Musik hören, mich vom Rest der Welt abkapseln und durch die Gegend schauen.
Ich finde es einfach schlimm wie meine Mutter selber Null Verständnis für mich aufbringt. Es ist als schäme sie sich dafür, dass ich Depressionen hatte. Als wäre ihr Ansehen durch mich geschädigt. Dabei hat sie selber nicht viel erreicht, sondern nur reich geheiratet. Sie hat sich gerade eh selbst ins Aus geschossen als sie meinte dass vernünftige Leute Verständnis für mich hätten. Sie hat keins und ist ihrer eigenen Aussage nach also unvernünftig. Das würde ich ihr jetzt gerne unter die Nase reiben, hätte ich nicht beschlossen sie was so etwas betrifft vollkommen zu ignorieren.

Sie meckerte und nervte noch ein paar Minuten weiter, während ich weiterhin aus dem Fenster schaute, die verregnete Landschaft bewunderte, zu Ende frühstückte und sie ignorierte. Sie hört vielleicht irgendwann auf damit, wenn sie spürt dass ihre Anstrengungen diesbezüglich keine Früchte tragen. Hat bei den Mobbern auf der Realschule früher auch funktioniert.
Wir Bogen auf den Parkplatz meines neuen Gymnasiums ein, ich rückte ein knappes "Danke für die Fahrt" raus und sprang mit Rucksack und meinem grünen Schirm aus dem Auto.

Stolen Moments - Liebe Scheut Kein Gesetz!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt