Kapitel 8

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"Ich glaube, jemand hat die liebe Milena sehr gerne.", grinsekatzte Lennart, als wir beide unten wieder auf Marleen trafen, um uns die Freistunde um die Ohren zu schlagen.
Oh shit. Wenn es anderen schon auffällt, steht er eventuell wirklich auf mich und ich bilde es mir nicht nur ein? Bitte nicht... Ich kann mit sowas doch garnicht umgehen!
"Und das bist etwa du Lennart?", spaßte Marleen mit ausgestreckter Zunge.
"Nein, Steven aus der früheren 9e.", kicherte Lennart.
"DER Steven? Der Freak, der nix als Mathe und Physik im Kopf hat?!", rief sie aufgeregt.
"Ja genau der! Es heißt ja, er soll nicht ganz dicht sein. Psychisch.", meinte er.
"Beruhigt euch mal, ihr beide. Wir haben im Unterricht ein bisschen gequatscht und am Ende hat er mich nach der Nummer gefragt. Ja okay, er war etwas nervös, aber das heißt doch nicht gleich, dass er auf mich steht!
Ich finde ihn nett.
Nur, weil er diese beiden Fächer liebt, heißt es nicht, dass er psycho ist, oder ähnliches. Es ist sicher nur ein Gerücht, das umgeht. Ich würde so etwas keinen Glauben schenken.", sagte ich etwas ernster, leicht ärgerlich. Die beiden schreckten leicht zurück. Ups, das wollte ich nicht.
"Sorry, ich wollte euch nicht erschrecken. Ich kann ziemlich furchteinflößend wirken, wenn ich mich ärgere.", entschuldigte ich mich, kopfkratzend.
"Es ist nur... Ich glaube er hat es nicht leicht. Wenn schon Gerüchte über ihn umgehen und er für verrückt gehalten wird. Dass man dann eventuell noch in eine unerreichbare Person (huhu, *wink*) verliebt ist, macht es auch nicht leichter. Er tut mir leid. Böse Gerüchte stimmen oft nicht...", fügte ich leiser hinzu.
"Viele wissen nicht, wie es sich anfühlt, komplett ausgestoßen zu werden, aber kein Ort ist, an den man gestoßen wird. Nur gegen eine harte, kalte Wand. Immer wieder. Keine Ausweichmöglichkeiten. Kein Fluchtweg... nur Terror und brodelnde Gerüchteküchen.", murmelte ich sehr leise für mich mit dem Blick zu Boden, Hand in den Haaren, kleine Tränen in den Augen.
Warum kommt jetzt der alte Schmerz wieder hoch? Ich dachte ich habe diesen Lebensabschnitt hinter mir!
Jetzt bin ich doch stark, selbstbewusst. Habe Ordnung in mein Leben gebracht. Niemand kann mir etwas zu leide tun, solange ich niemanden sehr nah ranlasse und in mein Herz schließe. Also warum bin ich wieder schwach? Mir ist doch garnichts passiert! Ich habe mich doch nur kurz erinnert...
"Was ist los?", fragte Marleen besorgt.
"Ach nichts, ich habe mich nur an etwas erinnert. Nicht der Rede wert.", erwidere ich mit starker Stimme, nachdem ich meinen kleinen Schwächeanfall überwunden habe.
"Dir sind solche Dinge widerfahren, oder?", fragte sie vorsichtig.
"Welche Dinge?", fragte ich dumm nach, um etwas Zeit zu gewinnen und mich etwas zu entspannen.
"Mobbing, Gerüchte, Ausschluss...", fuhr sie fort.
"Ja... Das waren Jahre lang meine ständigen Begleiter. Bis ich diese aus meinem Leben verbannt habe und mir ein klein wenig Respekt verschaffen konnte.", erzählte ich.
Warum bin ich so offen? Warum erzähle ich so viel von mir? Ich habe mir doch vorgenommen, keinen engen Kontakt zu irgendwem zu haben und was tu ich? Ich erzähle von meiner Vergangenheit, obwohl ich sie nicht mal 5h kenne! Man man, Milena... Wenn sich herumspricht, dass mir sowas passiert ist, geht es sicher wieder los, weil man mich als leichtes Opfer sieht. Eigentlich wäre es mir egal, doch habe besseres zu tun als mich mit Feinden, oder falschen Freunden abzugeben. Davon hatte ich genug in meinem Leben.
Dennoch wünsche ich mir Nähe, echte Freunde, die bleiben. Nur habe ich so etwas nie bekommen... Ob ich es jemals werde? Lieber auf Nummer sicher gehen und es lassen? Oder das Risiko eingehen und ihnen vertrauen?
Eigentlich sollte ich jetzt alleine sein und genauer darüber nachdenken... Der Verstand ist klüger, als das Herz, denn er trifft keine vorschnellen Entscheidungen.
"Oh das tut mir leid.
Und du hast recht wegen Steven. Man sollte nicht ausschließlich anhand von Gerüchten über eine Person urteilen. Man soll sie erst selber kennenlernen... nicht auf die Aussagen anderer vertrauen.", brachte Lennart hervor.
"Und wenn ich so darüber nachdenke, kam er mir auch nicht psycho vor. Es tut mir leid...", entschuldigte er sich.
"Ach ist schon okay. Ihr seid mit so etwas wahrscheinlich nicht wirklich in Berührung gekommen und denkt nicht großartig darüber nach. Ich reagiere auf solche Dinge ziemlich sensibel... Ich kann einfach nicht mit ansehen, wie Mobbing, oder Hänseleien passieren, oder Gerüchteküchen brodeln.", meinte ich.
"Ja... Wir können uns nicht wirklich vorstellen, wie so etwas ist.", gab Marleen zu.
"Stellt euch vor, ihr kämt alleine in eine Klasse, die euch vorwerfen, ihr hättet euch durch die halbe Klasse gevögelt. Einige behaupten, dass ihr sie zum Sex gezwungen hättet, oder ähnliches. Dabei seit ihr Jungfrau. Ihr hättet Schizophrenie, da jemand mal meinte, ihr hättet euch mit euch selber gestritten, was ebenso unwah ist. Im Unterricht werdet ihr wie immer mit Essen beworfen etc.
Stellt euch das einmal vor. Jahre lang, ohne jemanden, mit dem man darüber reden könnte. 'Freunde' sind am Ende keine wahren Freunde."
Sie sahen ziemlich geschockt aus. Ich ziemlich belustigt über ihre Gesichter.
Sie sind seit Jahren auf so einer Schule, wo es dies an allen Ecken und Enden zu geben scheint, aber haben nichts davon mitbekommen?
"Und... sowas hast du erlebt?!", wurde ich gefragt.
"Nicht nur das... Aber genug davon.
Es ist Vergangenheit. Passiert sowas nochmal, lasse ich es einfach passieren und halte mich nicht daran auf. Ich bin nicht in der Schule, um mich beliebt zu machen, sondern um ein gutes Abitur mitzunehmen.", sagte ich hart.
"Wow, du bist ziemlich stark, muss ich sagen. Wir werden dir so etwas aber ganz sicher nicht antun! Wir sind nicht falsch. Was hättest du denn mit so einem Abitur vor?", wechselte Lennart das Thema, Respekt in den Augen. Ich glaube das vorige war uns allen etwas unangenehm.
"Ach danke. Ich würde gerne nach Heidelberg und dort Medizin studieren. Was wollt ihr denn studieren?", antwortete und fragte ich interessiert.
Die beiden sind sich noch nicht so sicher. Lennart möchte gerne etwas in sportlicher Richtung und Marleen etwas in sprachlicher Richtung studieren. "Naturwissenschaften und Mathe kann ich garnicht", meinte sie lachend.
"Genau die Fächer sind mein Spezialgebiet! Ich kann dir bei Fragen gerne helfen, wenn du magst.", bot ich an.
"Das wäre lieb von dir.", meinte sie dankbar.
"Ich helfe immer gerne.", erwiderte ich nur.

Wir redeten in der Freistunde noch über dies und das, aber ich gab Acht, dass die Themen recht oberflächlich blieben. Ich muss erstmal nachdenken, bevor ich sie noch näher zu mir lasse. Ich habe ihnen schon mehr erzählt, als irgendwem in den letzten paar Jahren., beschloss ich.
Als sich die Stunde dem Ende zuneigte, fragte mich Lennart, ob ich am nächsten Tag nicht mit ihnen longboarden könnte. Und Pokémon suchen.
"Hm.. Ich weiß nicht, ob ich kann. Ich muss sehen, ob Training morgen schon wieder stattfindet nach den Ferien.", log ich. In Wirklichkeit brauchte ich, wie gesagt Zeit zum Nachdenken.
"Ich kann euch heute Abend schreiben, wenn ihr mir vorher schreibt. Ich hab eure Nummern ja noch nicht.", bot ich an.
Der Schulgong läutete und Marleen und ich machten und auf den Weg zu Französisch.
Als wir weiterredeten, fiel mir auf dass wir uns wirklich gut verstehen... besser als ich damals mit meinen "falschen Freunden". Vielleicht sind sie ja wirklich echt.

Der Raum war schon offen und andere Schüler saßen bereits verteilt im Raum und unterhielten sich.
Wir gingen in die zweite Reihe, ich direkt am Gang.
Vorne die Tafel, links neben Marleen die Fenster, rechts nochmal Tafel mit Stundenplan der 6a, um uns herum Mitschüler und hinter uns betrat sie den Raum.
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Na da ist sie schon ;P
Leute, ich bin begeistert. 300 reads! Das hätte ich bei meiner ersten Story echt nicht erwartet!
Ihr seid toll.
-Creepy

Stolen Moments - Liebe Scheut Kein Gesetz!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt