Kapitel 3

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Da ich gefahren wurde hatte ich noch ein bisschen Zeit, bis meine Stufe sich in der Aula trifft. Ich betrat das Gebäude (auch nicht farbenfroher als das meiner alten Schule, ich bin leicht enttäuscht) und sah mich um. Das Erste, was mir auffiel ist, dass diese Schule hier viel größer als die Realschule ist. Ja gut, wir sind auch vom Land in die Stadt gekommen. Überall Menschen. Geschrei. Gedrängel. Direkt hinter mir eine Prügelei unter kleinen Jungs, so um die 10 oder 11. Ich dachte, dass die auf dem Gymnasium zivilisierter und vernünftiger sind als die anderer Schulformen? So heißt es doch überall. Tja, klassischer Fall von Irrtum. Ich sah wie 3 Jungs einen Vierten in die Ecke drängten und auf ihn einschlugen und -traten, ihn beleidigten. Er weinte und bat sie aufzuhören. Sie lachten nur hämisch. Mobbing. Schlimmer, als ich es kenne. Das kann ich, als ein friedliebender und harmonischer Mensch nicht mit ansehen und ging dazwischen.
"Hey, was soll das hier werden? Habt ihr nie davon gehört, Konflikte verbal auszutragen, oder jemanden in Ruhe zu lassen, wenn man ihn nicht mag?!"
4 Augenpaare sahen mich erstaunt und fragend an.
3 Gesichter fingen an zu lachen, während das andere hoffnungsvoll dreinblickte.
"Was können wir denn dafür, dass er ein Opfer ist? Opfer müssen halt gemobbt und geschlagen werden. So ist das hier! Ein Opfer pro Klasse muss es geben, sonst wäre es unnormal!", rief mir einer der Schläger zu. "Der hier ist voll der Streber, hat keine Freunde und Hobbies, ist schwach.", ein Anderer.
Ich war total schockiert.
"Und du siehst mir auch wie ein schwaches, kleines Opfer aus!", meinte der Dritte.
Langsam stieg die Wut in mir auf.
Sind die hier alle so hirnlos und krank?! Ich dachte das wäre ein Gymnasium, keine Irrenanstalt für unreife Frühpupertierende!
"Lasst ihn doch einfach in Frieden!"
Sie guckten mich dumm an, machten keine Anstalten sich zu bewegen. Verstehen die mich nicht?
"Los, husch husch!", rief ich mit einer ausladenden Handbewegung.
Der Arme, Kleinere nutzte die Ablenkung und schlich sich langsam davon. Er tut mir leid. 'Beeil dich', rief ich ihm in Gedanken hinterher.
Leider merkten die Drei, dass ich meinen Blick kurz wo anders hin richtete und merkten es leider doch noch. Sie rannten hinter ihm her und überwältigten ihn. Ich hinterher.
Ich stellte mich vor den Jungen, blockte Schläge und Tritte mit Leichtigkeit für ihn ab, und brachte die Drei mit kleinen Tricks auf den Boden, wo sie vor Schmerzen stöhnten. Ich weiß, dass ich ihnen nichts schlimmes getan habe. Nur ein paar wunde Punkte leicht getroffen. In ein paar Minuten springen die wieder.
Tja, 4 Jahre Taekwondo zahlen sich halt aus.
"Sowas nennt man übrigens Einschrittkampf. So schwach bin ich plötzlich garnicht Hm?", sagte ich kurz und baute mich vor den drei kleinen Gestalten auf, Hände in die Hüften gestemmt.
"Und jetzt Hopp Hopp, weg mit euch!"
Sie verzogen sich langsam, Respekt und Furcht im den Augen. Gut so.
Ich drehte mich um zu ihrem "Opfer" und sah Bewunderung in seinen tränenroten Augen: "Wow, du bist ja krass! Mir hat noch nie jemand geholfen... Das sind die drei schlimmsten Mobber aus meiner Klasse, weißt du? Mit denen legt sich Keiner an. Die machen mich immer fertig!" Da fing er wieder an zu weinen. "Ich habe doch niemandem was getan! Das hat schon vor einem Jahr angefangen, als ich hier her kam.", schluchzte er. Ich setzte mich auf ein Knie und versuchte ihn zu trösten:
"Heyhey, nicht weinen, es wird alles gut! Ich habe ähnliches mehrere Jahre durchgemacht. Zwar wurde ich nicht körperlich angegriffen, verbal dafür umso mehr. Sie tun dir Unrecht.", tröstete ich und wuschelte dem Kleinen durch die Haare.
"Wie kann ich machen, dass das aufhört? Sie sagen wenn ich zu Lehrern oder Eltern gehe, werden die mich richtig fertig machen!", schluchzte er weiter.
"Du weißt, dass das sonst kein Ende nehmen wird, oder? Sie drohen damit, weil sie Angst davor haben. Was können sie schon gegen Lehrer oder Eltern machen?", meinte ich.
"Ich habe aber solche Angst!", weinte er.
"Weißt du was? Ich kann doch mit dir zu einem Lehrer gehen. Aber die Katze muss aus dem Sack, wenn es besser werden soll.", bot ich ihm an.
"O-okay", sagte er leise.
"Du bist ganz schön mutig, weißt du das?", sagte ich ihm lächelnd.
"Wie heißt du eigentlich?"
"Timo. Und du?"
"Ich bin Milena."
"Danke Milena. Du bist total hübsch."
Er wurde rot. Total niedlich! Das habe ich lange nicht mehr gehört.
"Nichts zu danken, ich helfe immer gerne. Danke für das Kompliment.", gab ich mit einem Augenzwinkern zurück.
"Also, wann möchtest du zu deinem Lehrer gehen?", fragte ich ihn.
"So schnell wie möglich. Das soll aufhören!", jammerte er.
"Treffen wir uns dann in der 2. großen Pause nochmal hier? Dann können wir gemeinsam das Lehrerzimmer aufsuchen.", schlug ich vor.
"Das Lehrerzimmer ist in der 2. Pause zu.", meinte er.
"Ui... Ich weiß sowas noch nicht ich bin neu hier.", erwiderte ich.
"Seit heute?"
"Jap, ich kam das 1. Mal rein und das erste was ich sah, wart ihr."
"Oh, wo kommst du denn her?", fragte er mit Neugierde.
"Von einer Realschule. Ich habe dort den Abschluss gemacht und mache hier nun mein Abitur.", antwortete ich.
"Wie alt bist du?", wollte er wissen.
"Du bist mir ja aber ein Neugieriger!", schmunzelte ich.
"Ich bin 15", war meine Antwort.
"Und du?"
"Zehn"
"Meine Schwester ist genauso alt! Sie kommt jetzt in die 6d. Bist du da drin?", fragte ich erstaunt. Ich habe ihn für jünger gehalten.
"Ja! Das is ja voll cool! Ist sie auch so hübsch wie du?", wollte er wissen, mit leuchtendem Blick.
"Hahaha du bist mir ja einer! Sie sieht mir ziemlich ähnlich. Aber sieh selbst. Sie heißt Melissandra."
Ding Dang Dong Dum. Die Schulklingel läutet.
"Treffen wir uns dann morgen in der ersten Pause hier und gehen zum Lehrerzimmer?", fragte ich.
"Okay, geht klar!", antwortete er.
"Ähm... Du ... weißt du wo die Aula ist? Ich muss da in 3 Minuten sein. Ich bin wieder total verpeilt, wie immer., lachte ich. Wollte mich eigentlich vorher erkundigen, aber der Fall hier hat mich aufgehalten.
"Klar komm mit! Die ist fast direkt neben meinem Klassenraum!"
Schon nahm er mich an die Hand und zerrte mich durch das halbe Schulgebäude. Der ist niedlich, der Kleine.
Unterwegs liefen wir noch einige Leute um.
"Danke, Timo!", sagte ich und verabschiedete mich, während ich den drei Jungs noch einen strengen, ärgerlichen Blick zu warf und sah wie sich fast alle Mädchen - auch meine Schwester - um Timo drängten und ihn förmlich erdrücken. Die wollen jetzt sicher wissen ob ich mit ihm zusammen bin. Von der Größe hätte es halbwegs gepasst. Er ist kaum kleiner als ich. Ich musste stark schmunzeln.

Die Aula erreichte ich gerade noch rechtzeitig, als der zweite Gong ertönte und die Türen geschlossen wurden. Müssen die, die zu spät kommen jetzt draußen bleiben?
Das ist ja echt streng hier!
"Test, test, test.", ertönte es durch die knacksenden Lautsprecher.
"Sucht euch alle einen Platz und seid ruhig, man versteht sein eigenes Wort ja nicht!"
Die Aula war bis zum Anschlag voll.
Und das soll meine Stufe sein?! Das sind mindestens 500 Leute! Sicher dass es nicht die ganze Oberstufe ist?
Die erste Reihe war noch fast komplett frei und ich setzte mich dort auf einen Stuhl, den Rucksack zwischen meinen Beinen. Ist wohl an allen Schulen weltweit gleich, dass die erste Reihe unbeliebt ist. Tja, zu meinem Glück, denn ich sitze am liebsten immer ganz vorne. So versteh ich immerhin etwas und habe etwas Ruhe. Außerdem sehe ich schlecht und könnte sonst die Präsentation hier, oder Tafelanschriebe im Unterricht nicht lesen. Eitel, wie ich bin möchte ich natürlich keine Brille tragen und Kontaktlinsen erlauben mir meine Eltern aus irgendeinem unverständlichen Grund nicht.
Na schön, dann kann die Präsentation ja losgehen.... Wird sicher totlangweilig und über Stunden gehen.

Stolen Moments - Liebe Scheut Kein Gesetz!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt