20.07 - Neuer & Kimmich

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| 20.07.'16 |

Manuel Neuer & Joshua Kimmich für Vanessa

Manuel Neuer

Mitten in der Nacht wurde ich wach. Es war noch dunkel draußen. Ich konnte sogar den Mond erkennen, der durch die nur halb zugezogen Vorhänge schien.

Er war allerdings nur schwach zu sehen, verdeckt von all den Gewitterwolken und immer wieder verschluckt von heftigen Blitzen, die die ganze Stadt und so auch das Zimmer erhellten. Viel schlimmer war noch der Donner, der jedesmal nur wenige Sekunden später folgte und einen beinahe zwang, sich die Ohren zuzuhalten, so laut wie er war. Ich war erleichtert, vor dem Einschlafen das Fenster geschlossen zu haben, so war der Donner nicht mehr ganz so ohrenbetäubend.

Jetzt hörte ich auch den Grund, warum ich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen wurde, deutlicher. Es war keineswegs das tobende Gewitter draußen oder der Regen, der mit enormer Kraft gegen das Fenster prasselte. Es war das leise Wimmern neben mir.

Ich wendete den Blick vom Gewitter draußen ab und drehte meinen Kopf nach links. Tatsächlich. Joshua hatte seinen Kopf tief in sein Kissen gedrückt, die Beine angezogen so weit wie möglich und die Hände so fest ins Laken gekrallt, dass seine Knöchel herausstachen.

Ich kannte Joshua nicht sonderlich gut, obwohl wir seit einiger Zeit zusammen im Verein spielten. Wir waren Freunde, wenn man das überhaupt so nennen konnte, viel zusammen unternehmen taten wir ja nicht. Ich schüttelte den Gedanken aus meinem Kopf. Jetzt war nicht die Zeit dafür, in Selbstmitleid zu schwelgen, weil Joshua niemals mehr als ein Teamkollege für mich sein würde.

"Josh?", fragte ich leise und legte meine Hand auf seine Schulter.

Er zuckte zusammen und ich zog meine Hand wieder zurück. "Alles gut. Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Geh wieder schlafen", flüsterte er, seine Stimme brach ein paar Mal und er drückte sein Gesicht noch tiefer in das Doppelbett, das wir uns während der Europameisterschaft teilten.

"Joshua, was ist los?" Es brach mir das Herz, ihn so zu sehen, völlig aufgelöst und mit den Nerven am Ende. Und das nicht nur, weil mein Herz seit Monaten für ihn schlug, sondern auch, weil ich hier für ihn verantwortlich war und ihn mit allem was ich hätte beschützen wollte.

"Du wirst lachen, Manuel. Bitte geh wieder schlafen. Ich komm' schon zurecht." Es war klar, dass das nicht stimmte. Er war vollkommen fertig.

"Josh, bitte. Bitte rede mit mir, ich will dir doch nur helfen", wisperte ich verzweifelt und musste mich zusammen reißen, nicht selbst zu weinen. Ich musste stark bleiben. Hier ging es nicht um mich oder meine dämlichen unerwiderten Gefühle, hier ging es um Joshua.

"Ich hab Angst, Manu", schluchzte er. Ich traute mich, meine Hand wieder auf seine Schulter zu legen und strich langsam seinen Arm auf und ab, um ihn zu beruhigen.

Erst war ich nicht sicher, was er meinte. Ob er Angst vor dem Spiel in zwei Tagen hatte oder vor etwas ähnlichem. Doch dann erschütterte ein weiterer heftiger Donner das Zimmer und Josh fing schlagartig an zu zittern und schluchzte erneut laut in sein Kissen.

"Du hast Angst vor dem Gewitter, oder?", fragte ich vorsichtig, ohne den geringsten Hauch von Spott.

Joshua drehte sein tränenüberströmtes Gesicht in meine Richtung und nickte kaum merklich. "Bitte lach nicht." Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauchen und ich musste mich wirklich anstrengen, ihn zu verstehen.

"Ich würde niemals über dich lachen, Joshua", sagte ich ehrlich und hob meine Decke an. Er schaute mich mit großen Augen an. "Na los, komm schon her."

Er rutschte unsicher etwas näher an mich ran. Ich verdrehte die Augen und zog ihn in meine Arme. Die Decke breitete ich über uns aus und platzierte seinen Kopf auf meiner Brust.

"Willst du darüber reden?", murmelte ich in sein Ohr und begann, leicht durch sein Haar zu streichen. Seine Muskeln entspannten sich ein wenig und er zitterte nicht mehr so stark, aber er zuckte immer noch zusammen, jedesmal wenn der Blitz einschlug und ein Donner folgte.

"Ich hab schon als ich klein war Angst vor Gewittern gehabt", begann er leise und schloss die Augen. "Als Kind war ich oft alleine zu-zuhause und immer wenn es gewittert hatte, war n-niemand da, um mich zu beruhigen. Ich weiß, es ist lächerlich, aber es wurde jedes M-mal schlimmer und immer wenn es ein Gewitter gibt..." Er brach kurz ab, als ein neuer Schwall Tränen durch seine geschlossenen Augen trat.

"Was ist dann, Josh?", flüsterte ich und wischte ein paar seiner Tränen weg.

"Jedesmal wenn es gewittert, da.. fühle i-ich mich so alleine. Als wäre niemand da, so wie damals als ich noch klein war."

Er sah so zerbrechlich aus und ich konnte nicht anders als meine Arme um ihn zu legen und ihn fest an mich zu drücken, so als könnte er mir jederzeit weggenommen werden. "Du bist nicht alleine, Joshi, nicht mehr. Ich bin bei dir. Ich passe auf dich auf, versprochen", flüsterte ich in sein Ohr und drückte meine Lippen kurz gegen seine Haare.

Ich hielt ihn fest in meinen Armen und wog ihn leicht hin und her, Minuten, vielleicht auch Stunden, bis das Gewitter langsam davon zog und nur noch der Regen gegen das Hotelzimmerfenster prasselte.

"Manu?", flüsterte Joshua irgendwann in die Stille.

"Hmm?"

"Danke."

"Nichts zu danken, Josh."

Er sah mich an, seine Tränen waren mittlerweile verstummt und er war um einiges ruhiger geworden. "Du bedeutest mir sehr viel, Manu." Ich musste Lächeln.

"Du bedeutest mir auch unglaublich viel, Kleiner."

"Nein, du verstehst das nicht", meinte er entschlossen und sah mir direkt in die Augen. "Du bedeutest mir mehr als du solltest. Ich habe Gefühle für dich, Manu. Gefühle, die über Freundschaft weit hinaus gehen." Seine Stimme wurde am Ende immer leiser, als hätte er schreckliche Angst vor meiner Reaktion.

Doch ich sagte nichts. Kein Word. Stattdessen beugte ich mich einfach vor und drückte meine Lippen auf seine. Ich legte meine Hand an seine Wange und küsste ihn, wie ich es schon so lange tun wollte. Es war kurz, aber wunderschön.

Ich löste mich von ihm und suchte in seinem hübschen Gesicht nach irgendwelchen Anzeichen, was gerade in seinem Kopf ablief.

"Ich- ich liebe dich, Manu."

"Ich liebe dich doch auch, Kleiner. Schon so lange."

Er fing an unkontrolliert zu lächeln und attackierte meine Lippen mit einem heftigen Kuss, den ich sofort erwiderte. "Nicht so stürmisch, Josh. Wir haben noch eine Menge Zeit", murmelte ich gegen seine Lippen und drückte ihm noch einen kleinen Kuss auf die Lippen.

"Ja", lachte er mit leicht roten Wangen. "Ja, das haben wir."

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Für: Vanessa_Kimmich

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