Ja, zu diesem Thema hab ich schon in meiner Rezi gerantet. Aber ich tu das hier nochmal, weil es nicht geschichtenspezifisch ist.
Wattpad ist voll davon. Wenn man sich so durch Genres wie "Jugendliteratur", "Romanze" oder "Werwolf" klickt, halten sie einem überall ihre knackigen Sixpacks ins Gesicht. Kaum eine Geschichte hier scheint ohne auszukommen.
Nun glaubt ihr vielleicht, ich könnte einfach nichts mit ihnen anfangen, weil ich auf Frauen stehe. Aber nein. Ich hab nichts gegen Männer oder Heteroliebe, ich schreib sie selbst und ich lese sie im Grunde auch ganz gern. Mein Problem mit diesen Bad Boys hier ist ein anderes: Die Beziehungen, von denen ich hier gelesen hab, waren ausnahmslos missbräuchlich. Aber er darf sie scheiße behandeln und ein Arscheimer sein, weil er ja ein Bad Boy und sexy ist.
Grafik ist nicht alles, Freunde.Wisst ihr, ihr jämmerlichen, pappigen Entschuldigungen für Protagonistinnen, die so etwas tatsächlich denken: Nehmt einen Pfeil zur Hand. Holt aus. Und rammt ihn euch ins Knie.
Arscheimer in Geschichten sind genauso so lang okay, wie sie dafür auch auf die Fresse kriegen.
Vielleicht bin ich auch ein bisschen enttäuscht darüber, weil Bad Boy für mich immer etwas anderes bedeutet hat. Für mich waren das Figuren, bei deren Aktionen und Aussagen man sich denkt "Dass der sich das traut!" und nicht "Zu schade, dass ich dem nicht durch den Bildschirm ins Gesicht treten kann." Das macht für mich diesen Reiz des Verbotenen aus.
Dazu kommt, dass es immer wieder dasselbe ist. Sue und Stu hassen sich am Anfang, aber plötzlich lieben sie sich, weil ... man halt mal mit Leuten zusammenkommt, die einen bis dahin die ganze Zeit nur gemobbt haben? Spannung zwischen den Figuren ist das eine, aber dieses Gehabe ist doch keine Grundlage für eine Liebesbeziehung! Der einzige Grund, warum die beiden Pappaufsteller zusammenkommen, ist meistens das Aussehen. Im Ernst, nur davon sprechen sie in der Mehrzahl der Geschichten, die ich hier las, die meiste Zeit über! Manchmal werden auch Charaktereigenschaften genannt, die aber dem widersprechen, was der Text tatsächlich transportiert. (Ihr könnt einen ausgezeichneten Text zum Prinzip Show, don't tell bei der werten suedie nachlesen. TL;DR: Charaktereigenschaften, so eure Figuren denn welche haben, sollten sich in deren Handlungen und Aussagen niederschlagen.)
Damit möchte ich nicht sagen, dass problematische Beziehungen nicht in Geschichten gehören, ganz im Gegenteil. Richtig umgesetzt kann das interessant und spannend sein. Aber hier werden sie romantisiert, als wünschenswert hingestellt, beeinflussbaren Jugendlichen "vorgelebt", wie schon in Twilight und allem, was auf diesen Zug aufgesprungen ist.
Aber manchmal will man sich doch einfach nur berieseln lassen! Jaaah, weil das ja voll das lockere Thema ist, das ein supergutes Gefühl hinterlässt, eh? Ganz deutlich: Arscheimer sein wird nicht durch ein oder zwei Nettigkeiten aufgehoben. "Er schlägt mich ja nur manchmal windelweich." und "Ich hab nicht jedes Mal Angst vor ihm, wenn er wütend wird." sind nichts, was man in einer gesunden Beziehung denkt. Und psychische Gewalt ist dabei nicht weniger schlimm. Mangelnder Respekt. Ganzehrlich, gebt euch nicht mit einer Person ab, die euch nicht respektiert (Beispiel: Christian Grey respektiert Anastasia so gar nicht. Kein Stück. Niemals.)
Ach ja: "Immerhin ist er nett zu mir", ist auch nicht der menschenfreundlichste Gedanke, den man haben kann.Jetzt wollen wir natürlich auch nicht nur über über edle Ritter in strahlender Rüstung lesen, die arme Mädels aus schröckelichen Miseren retten. Aber FYI: Zwischen Extremen ist meist viel Platz für Figuren, die Ecken und Kanten haben und trotzdem oder gerade deswegen interessant und sympathisch werden. Leute.
Ach ja. Nicht zu vergessen: Viele dieser Typen, die mir hier als Bad Boys vorgestellt wurden, fand ich lächerlich. More like Bubi Boys. Und nein, das hat nichts damit zu tun, dass ich aus dem Alter raus bin. Auch vor zehn Jahren kam für mich nichts an Wolverine ran. Dazu kommt, dass gute Jugendliteratur auch für Leute jenseits der Zwanzig lesbar bleiben kann, aber dazu in einem anderen Post mehr.
Zum Schluss möchte ich noch ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. In einer meiner Geschichten geht es um die Freundschaft eines Mädchens zu einem Kerl, der hier wohl unter Bad Boy laufen würde. Aus Perspektivlosigkeit wird er Mitglied einer Gang, die gern auch mal dumme Dinger dreht. Seine Ansätze zur Problemlösung befinden sich jenseits der Legalität. (Er zersticht die Reifen des Autos einer Schulkameradin, die was Fieses über die Protagonistin gesagt hat.) Er gibt einen Scheiß auf die Schule und ist manchmal auch sehr arschig zur Prota. Aber wisster was? Die Prota spricht ihn darauf an, ist ihm böse und lässt in diesen Dingen nicht locker, "weil er einfach so ist" oder so. Damit erreicht sie nichts und doch bleibt sie an ihm hängen, was anderen Charas wie ihrem Vater, ihrer Liebsten oder dem Typen, bei dem sie wohnt, nicht passt. Sie versucht, ihn zu ändern, fühlt sich verantwortlich für ihn, schafft das aber nicht, weil sie nur ein junges Mädel ist und eigene Probleme hat.
Übrigens stellt sie ihre Ideale und Ziele nicht für ihn zurück. Obwohl sie weiß, dass sie sich nicht sehen werden und das der Horror! für sie ist, macht sie ein Praktikum auf Hawaii und lebt dann noch eine Weile in New York. Sie genießt die Zeit. Und kommt ins Chaos zurück, aber das ist eine andere Sache.
Ich liebe die beiden, weil sie so kaputt sind. Echten Halt gibt ihr btw. nur ihre Liebste, die sie dazu anhalten will, auch mal dem eigenen Kopf zu folgen.Jedenfalls. Behandelt nicht Dinge als süß, die es ganz klar nicht sind. Beziehungsweise: Kann man so machen, ist dann halt Scheiße.
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Sephi schreibt euch vor, was ihr zu denken habt
Non-FictionMeinungsbuch, Dinge auf Wattpad und das Schreiben generell betreffend