Auf den Kopf gestellte Leben

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Wahrscheinlich sind wir uns alle einig darüber, dass Kurzbeschreibungen oder Klappentexte eine Pest sind. Auf wenigen Worten zusammenfassen, was die Geschichte ausmacht, den Leuten damit Lust darauf zu machen und doch nicht zu viel verraten, das ist nicht einfach.

Doch speziell hier auf Wattpad scheint es eine (nicht sonderlich große) Kiste mit Satzteilen zu geben, die man zusammenpuzzlen kann. Wahrscheinlich steht die neben der Rolle mit Szenen zum Abreißen und den Lückentexten für den ... Plot. Egal, wie random ich mich durch eine Kategorie klicke, alles ist voller (rhetorischer) Fragen, zu denen man die Antwort eh schon kennt, und vor allem ist da Jene Formulierung. Erst sind alle ganz normale Teenies. Doch dann werden ihre Leben PLÖTZLICH‼ auf den Kopf gestellt!

Ich will euch mal was sagen. Dass irgendeiner Figur Dinge geschehen, die nicht alltäglich sind, ist meist Voraussetzung dafür, dass die Geschichte lesenswert ist. (Selbstverständlich gibt es da Ausnahmen; der Alltag beispielsweise als Rettungssanitäter oder der einer fiktiven Person aus einer anderen Welt, Zeit oder Kultur kann durchaus interessant sein. Eben, weil es für den Leser nicht alltäglich ist.) Diese Phrase ist mittlerweile so ausgelutscht (und nicht nur hier), dass sie sich liest wie „In der Story passiert was. Ehrlich." Ähnliches gilt für ins Wanken gebrachte Weltbilder und die Feststellung, dass nichts mehr so sein wird, wie es vorher war. Das sind leere Phrasen, die man ersatzlos herausnehmen kann, ohne dass die KB dadurch etwas einbüßt. Im Grunde reicht für eine KB eine möglichst kurze Beschreibung der Ausgangssituation und eine Andeutung darüber, was sich anbahnt. Dass das alles nicht einfach zu formulieren ist, weiß ich selbst.

Fragen in KBs gehen für mich sogar in Ordnung, aber nur, so lang der Ausgang nicht klar ist. Klar kannst du „Für welches der beiden sexy Männchen wir La Sue sich entscheiden?" schreiben, aber interessant ist das nur, wenn alle drei Charaktere irgendetwas Liebenswertes an sich haben und nicht vom ersten Auftritt an klar ist, dass sie mit dem endet, der sie noch arschiger behandelt und eine längere Beschreibung bekommen hat. Oder stellt euch vor, sie wirft sich am Ende doch keinem von beiden an den Hals. Oder stellt euch vor, da wäre Poly in der Story! Das wäre echt mal was Neues. Dieses „Wird La Sue am Ende dies und das schaffen?" lässt sich meist auch ohne zu lesen mit Ja beantworten, aber auch das muss nicht sein.

Gut, man weiß praktisch auch mit auf den Kopf gestelltem Leben auf den ersten Blick, was man von der Geschichte erwarten muss (und dass man sich den Klick sparen kann), aber das wird garantiert nicht sein, was der Schreiberling sich erhoffte.

Sephi schreibt euch vor, was ihr zu denken habtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt