Suuuuuue‼

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Es gibt Leute, die Mary Sues verteidigen. Ich gehöre nicht dazu. Gleich werd ich auch dazu kommen, warum das so ist. (Alles, was ich hier schreibe, bezieht sich gleichermaßen auf Gary Stus und gibt es eigentlich einen Namen für nichtbinäre Sues? Oder ist bei denen immer alles hübsch cisheteronormativ?)

Zu Anfang sollte ich für einige aber kurz erklären, was so eine Sue überhaupt ist – weil das ja noch niemals jemand vor mir getan hat und Leute im Jahre 2016 immer noch nicht zu verstehen scheinen, dass man mit Google gerade solche Dinge sehr einfach herausfindet. Okay, zugegebenermaßen ist das auf diesem Feld etwas schwierig, weil es dazu abweichende Ansichten gibt. Hier ist meine.

Ja, es gibt Leute, die bei jedem OC sofort Suuuuue! schreien und das ist albern. Für mich ist eine Sue ein Charakter, für den nichts, was innerhalb des Plots geschieht, eine Herausforderung darstellt. Übermächtiger Gegner? Fingerschnips, besiegt/tot/eh die ganze Zeit in Prota verliebt. Manchmal sieht es immerhin so aus, als würde sie in Schwierigkeiten geraten. Aber ihr treuer Begleiter, der deus ex machina räumt meist alle Steine aus dem Weg. Wenn überhaupt, hat sie mit künstlichem Drama zu kämpfen. Auch: Die Ansichten der Sue sind innerhalb der Geschichte allgemeingültig. Sie kann niemals falsch liegen, auch nicht mit Aussagen oder Verhalten, das sie bei anderen kritisiert.

Ach ja: Die Sue ist etwas Ganz Besonderes™, auch wenn sie selbst so tut, als wüsste sie das nicht oder als spielte das keine Rolle.

Klassische Beispiele in veröffentlichter Literatur sind Zoey Redbird aus House of Night – ich meine, sie bezeichnet dieses eine Mädel als Schlampe, während sie selbst sich mindestens einen Typen warmhält, während sie sich von einem anderen beschlafen lässt; sie erreicht nichts durch eigene Kraft, bekommt alles von Nyx in den Hintern geschoben  und ist natürlich der besonderste Vampyr EVER – und Eragon aus der gleichnamigen Reihe, spätestens in Band II, wenn er zum Obermacker wird, literally WEIL BAUM. Okay, immerhin muss er sich vorher das eine oder andere erarbeiten.

Die anderen Charaktere in der Geschichte hassen die Sue entweder oder lieben sie. Letztere können ihr nichts übel nehmen, weil sie ist halt so ♥ Zudem hat sie oft genug nur Pseudoschwächen, die für die Story keinerlei Relevanz haben. Habt ihr eine Ahnung, wie oft allein meine Schüchternheit mir schon Dinge versaut hat? Wisst ihr, was cool ist? Eine Figur dabei zu begleiten, wie sie so was loswird. Immerhin kann ich heutzutage schon ohne zwei Stunden Vorlaufzeit telefonieren ... wenn ich muss.

You know, Lindsay war früher genauso. Alle standen auf sie, Männer wie Frauen (und ich weiß nicht, warum, sie war ein herablassender Dauerhulk ... Bitte, tu mir nichts D: ) und niemand hat sich drum geschert, dass sie ein ernsthaftes Aggressionsproblem hatte. Das hat sich mittlerweile geändert. Auch wenn sie immer und überall auffällt, bemüht man sich immerhin, sie unter Kontrolle zu behalten ... Und sie ist keine Göttin mehr. Moment, hier auf Wattpad ist sie noch gar nicht vertreten, zumindest nicht als sie selbst. Dazu komm ich später. Jedenfalls, damals hatte ich viel Zeug zu verarbeiten und das war nur für mich bestimmt. Heute ist es mir abartig peinlich.

Seit geraumer Zeit versuche ich, eine Sue zu schreiben, nur aus Spaß. Aber es gelingt mir nicht, ich finde daran nichts. Genauso wenig wie beim Lesen. Da denke ich mir nur immer alle paar Sätze »Natürlich steht derdiedas auf sie« und »Natürlich schafft sie das und weiß das und kann das besser als ihr Lehrer«.

Nun kann ich natürlich niemandem vorschreiben, wie er seine Geschichte zu schreiben hat. Aber ich kann versuchen, die Leute zum Nachdenken anzuregen. Tatsächlich möchte ich euch nur zwei Dinge nahelegen:

Es sollte dem Leser überlassen sein, was er von einem Charakter hält. Die meisten Leute mögen es nicht, etwas aufgezwungen zu bekommen. Zu oft sehe ich in Geschichten, dass mir Prota-chan zwanghaft sympathisch gemacht werden soll. Prota-chan ist ja so ein armes Mäuschen und dabei so lieb und herzensgut und begabt und wunderschön und hach ♥ Dafür ist die Tusse da hinten voll fies und doof und eine Bitch, weil – hallo? – sie hat blonde Haare, ja, BLOND, und ist geschminkt und ist sauer, nur weil Prota-chan mit ihrem Macker herumgemacht hab, dabei ist das TRU WUV, wie jeder nach zwei Sekunden weiß! Und Prota-chans Eltern, ja, die haben ihr zu Weihnachten nicht das neueste iPhone gekauft sondern das vom Vorjahr. Der HORROR. (Nicht selten sind Figuren, die Prota-chan doof findet, eigentlich die vernünftigsten und sympathischsten in der ganzen Chose.)

Zu Frauenrollen in Geschichten möchte ich auch irgendwann nochmal was sagen. Auch aus aktuellem Anlass. Das Schlimme ist: Einen aktuellen Anlass gibt es praktisch immer.

Hoffentlich hab ich mich deutlich ausdrücken können: Reibt dem Leser nicht ins Gesicht, was ihr wollt, dass er über die Figuren denken soll. Das gilt nicht für Malfoy, wer Malfoy nicht hasst, macht etwas falsch. Ganz falsch. Wer so mit Hippogreifen umgeht, hat allen Hass der Welt verdient.

Zweitens: Lasst die Figuren in euren Geschichten logisch reagieren und macht auch deutlich, dass das für sie in ihrer Situation logisch ist. Klar verzeiht man der besten Freundin mehr als jemandem, den man eh nicht leiden kann. Konflikte sind aber dennoch erlaubt, sogar gern gesehen. Geht Wege konsequent zu Ende. Verbiegt nicht die Realitäten um einzelne Charaktere. Die Welt dreht sich nicht um sie. Im Grunde kannst du jeden Charakter in deine Geschichte einbauen, so lang realistisch damit umgegangen wird.

»Aber Sephi, wir lesen hier Geschichten, die müssen nicht realistisch sein‼«

Pfeil in dein Knie! Ach, nimm gleich zehn! Realistisch bedeutet nicht, dass die Realität kopiert wird, es heißt nur, dass es in sich glaubwürdig sein sollte.

»Aber Sephi, denk doch nicht immer so viel nach beim Lesen‼«

Man reiche mir den unendlichen Köcher. Denkt nach. Denkt immer nach. Schaltet nie den Kopf aus, wenn ihr etwas konsumiert. Hinterfragt Dinge. Endet dabei nicht wie VTler, die nicht wissen, wo Schluss ist, aber hinterfragt Dinge. Denkt am besten schon beim Schreiben nach, anstatt die Schönheit eurer Charaktere zu besabbern. Mapping ist nicht alles, Freunde.

Wie gesagt, ihr dürft so viele Sues schreiben, wie ihr wollt, aber überlegt bitte mal, was ihr schreibt und welche Aussagen beim Leser ankommen.

Sephi schreibt euch vor, was ihr zu denken habtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt