The fear in your eyes *Pausiert*

Kapitel 6

Sport. Für alle die es noch nicht wissen ich hasse Sport. Allerdings sind das für heute die beiden letzten Stunden. Optimismus muss ich noch ein bisschen üben ich weiß. Als ich mich umgezogen habe und in die Sporthalle komme haben die anderen bereits angefangen. Mädchen und Jungs haben getrennt Unterricht. Heute kommt etwas was ich ganz besonders hasse. Geräteturnen. Es gibt nichts schlimmeres auf dieser Welt, zumindest für mich. Wer mir etwas anderes erzählt muss entweder gewaltig naiv oder sehr begabt sein. Begabt noch etwas was mir fehlt. Ich bin für nichts geeignet. Kommt mir zumindest so vor. Als ich näher trete sehe ich das die anderen gerade Übungen auf dem Balken machen. "Schön das uns Amalia auch mal beehrt." sagt meine Lehrerin sauer. "Entschuldigung" murmle ich und streiche mir verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr. "Na schön wie wäre es wenn du uns mit einer Einzeleinlage auf dem Balken überraschst?" sagt meine Lehrerin und winkt die anderen Schülerinnen die gerade auf dem Balken stehen herunter. Oh nein bitte nicht. Ich bin zwar generell schlecht in Sport aber das ist etwas was ich besonders schlecht kann. "Ja komm Amalia das kannst du doch so gut." sagt Courtney und alle fangen an zu lachen. Ich funkel sie böse an bevor ich auf den Balken drauf gehe. Ok jetzt kommt der schwierige Teil. Als ich die erste Bahn geschafft habe mache ich eine Drehung die gar nicht mal so schlecht ist. Als ich zum zweiten Mal den Balken entlang laufe bemerke ich das mich jemand beobachtet. Ich schaue nach rechts und tatsächlich. Jason steht an der Tür und schenkt mir ein warmes Lächeln während ich mein linkes Bein anhebe und mein Gewicht auf mein rechtes Bein verlagere. Eine perfekte Waage. Das habe ich noch nie geschafft. Jason sollte mir öfter beim Sport zusehen. Luisa folgt meinen Augen und entdeckt Jason. Böse schaut sie mich an. Oh oh ich sollte lieber ganz schnell runter von dem Balken! Ich beschleunige meine Schritte aber zu spät. Luisa stürzt gespielt nach vorne auf mich zu und rempelt mich mit voller Wucht an. Ich falle nach hinten. Jasons Augen weiten sich erschrocken. Mit einem Knall schlägt mein Rücken auf dem harten Parkett auf und ein grausamer Schmerz schlägt wie eine Welle auf mich ein. Die Wunden auf meinem Rücken sind noch nicht so geheilt wie ich gedacht habe. Ich kann mich nicht bewegen. Ich liege einfach nur da wie ein Fisch auf dem trockenen und kann nichts tun. "Sag mal spinnst du?!" schreit jemand wütend. Jason. Eindeutig. "Wieso tust du das?" fährt er Luisa an die erschrocken zurück weicht. Doch das währt nicht lange. "Ist doch ihre Schuld. Dieses Stück Abschaum soll endlich mal verschwinden!" gibt sie giftig zurück doch da hat sich Jason schon weg gedreht und sich neben mich gekniet. "Kannst du aufstehen?" Ich nicke und er hilft mir hoch. "Musst du ins Arztzimmer?" fragt mich Frau Richter besorgt. Ich nicke leicht. "Okay Jason begleitest du sie bitte?" Er nickt ebenfalls und stützt mich als wir die Halle verlassen.

Als wir am Arztzimmer ankommen werde ich auf eine Liege gelegt auf der ich mich ausruhen soll. Als ob das jetzt das entscheidende wäre! Das ist schließlich nicht das erste Mal das ich hier liege. Immer sagen sie einem das wieder alles gut wird. Hat sich was verändert? Ist es besser geworden? Nicht im geringsten. Und wie lange halte ich das noch durch? Keine Ahnung. Wieder keine Antwort. Nie bekomme ich eine. Jason wurde vom Unterricht befreit so wie ich auch. Komischerweise sitzt er immer noch neben mir. "Ich rufe Liv an." sagt er und kramt sein Handy hervor. "Nein bitte nicht." sage ich und lege meine Hand auf seine. "Ich sage ihr nicht was vorgefallen ist. Ich will nur das sie dich nochmal untersucht." sagt er. Er muss meinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkt haben denn er fügt hinzu: "Sie studiert Medizin." "Achso" sage ich als ob das alles erklären würde. Als er zurück kommt fange ich sofort an. "Können wir bitte gehen Jason?" sage ich traurig und er nickt. "Ich hole noch schnell deine Sachen."

Eine halbe Stunde später liege ich im Bett und habe eine besorgte Liv neben mir sitzen. Sie hat mich bereits untersucht doch mir fehlt nichts. "Sicher das du nichts brauchst?" fragt sie und ich verneine. "Ich hab dir übrigens was mitgebracht." sagt sie und überreicht mir ein kleines Paket. Was wohl darin ist? Ich öffne es vorsichtig und zum Vorschein kommt ein wunderschönes dunkelblaues Kleid. Meine Kinnlade fällt herunter. "Ich dachte es gefällt dir vielleicht." sagte sie und ich falle ihr um den Hals. "Und wie!" sage ich glücklich. Nach all dem was heute schon vorgefallen ist ist das das erste schöne was mir heute passiert ist. "Du kriegst schon heute Abend die Gelegenheit es zu tragen. Meine Mutter will dich kennen lernen." sagt sie und ich verkrampfe mich. Schon heute Abend? Ich sehe schrecklich aus und damit will ich ihrer Mutter unter die Augen treten? Niemals. "Geht das nicht ein anderes Mal?" frage ich nervös. "Hey keine Angst. Meine Mutter ist eigentlich ganz ok, außer es geht um die Leistungen in der Schule." sagt sie seufzend. Nach ihr zu Urteilen wird es nicht schlimm werden, doch ich sehe das ganz anders. Wird Jason erwähnen was heute vorgefallen ist? Was mir jeden Tag passiert? Da kann ich doch niemanden mehr unter die Augen treten. Obwohl das habe ich bei Jason ja schon getan, aber er hat die ganze Situation ja schließlich miterlebt. Für einen Außenstehenden sieht das bestimmt ganz anders aus. Und dann muss ich wieder woanders hin. Stopp! Seit wann gebe ich so schnell auf? Ich war früher immer ein selbstbewusstes Mädchen das sich nie Beleidigungen an den Kopf werfen lies. Diese Amalia vermisse ich, aber sie ist nicht mehr da seit seinem Tod. Meine Klassenkameraden müssen es gewusst haben. Sie müssen gewusst haben das ich jetzt angreifbarer bin und haben diese Chance genutzt. Und jetzt seht mich an. Nichts ist übrig von meinem alten Charakter geblieben. Aber ist es nicht mir selbst überlassen etwas zu ändern? Vielleicht ist das heute Abend ja eine Chance für mich? Was ich ganz sicher weiß ist das ich sie versuchen werde zu nutzen.