Kapitel 21

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Als Liv mich am nächsten Morgen auf meine geröteten Augen anspricht, sage ich schnell das das irgendeine allergische Reaktion ist. Komischerweise nimmt sie mir das ab. Sie ist viel mehr mit sich selbst beschäftigt, aber ich will sie jetzt nicht nach dem Grund fragen. Außerdem habe ich genug eigene Probleme.

Trauriger als sonst betrete ich zusammen mit Jason die Schule, wenn das überhaupt möglich ist. Ich bin eigentlich nie glücklich darüber hier hin zu gehen, aber heute ist es noch schlimmer. Hoffentlich wissen es die anderen nicht. Oh bitte bitte nicht!

Die ersten beiden Mathe Stunden verlaufen wie immer doch in Deutsch ist irgendetwas komisch. Luisa und Courtney schauen die ganze Zeit mit einem fiesen Grinsen im Gesicht zu mir rüber. Sie haben etwas geplant. Schnell wende ich den Blick ab.  "Amalia kannst du bitte vorne an der Tafel die Vorschläge deiner Mitschüler für unseren Ausflug hin schreiben?" bittet mich Frau Richter. Musste sie ausgerechnet mich dafür nehmen? Widerwillig nicke ich.  Bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Ich klappe die Tafel auf und erstarre. Die Kreide in meiner Hand fällt auf den Boden. Das haben sie... das haben sie nicht getan....Tränen schießen mir in die Augen. Ein Foto von Alex hängt an der Tafel. Daneben steht:

Ha ha jetzt ist dein Bruder schon 2 Jahre tot. Herzlichen Glückwunsch zum Todestag. Tja wir können ihn verstehen. Mit dir will sich niemand abgeben Amalia.

Ich höre Frau Richter erschrocken aufatmen und Luisa und Courtney geben sich ein High Five. Noch mehr Tränen steigen meine Augen hinauf. Ich will nicht weinen, aber es überkommt mich einfach. Heute ist sein Todestag. Woher wussten sie das nur? Ich drehe mich um und schaue zu Jason der mich geschockt anstarrt. Jetzt also er auch noch. War ja klar. Eine kleine Träne rollt über meine Wange bevor ich hinaus renne.

Schon wieder auf dem Schulklo, aber ich kann nicht anders. Ich kann nicht mehr. Wieso können sie mich nicht wenigstens heute in Ruhe lassen? Wieso trampeln alle auf meinen Gefühlen rum? Niemanden interessiert es wie ich mich dabei fühle. Niemanden. Schnell hole ich eine Klinge hervor die ich immer bei mir trage. Es ist wie eine Sucht für mich geworden. Das ist doch nicht mehr normal. Ich kriege doch gar nichts auf die Reihe oder? Der 5 Schnitt. Blut spritzt auf die weißen Fließen und vermischt sich mit meinen Tränen. "Verdammt Alex komm zurück! Ich brauch dich doch!" schreie ich verzweifelt. Und noch ein Schnitt. Jemand klopft an die Kabinentür. "Amalia? Amalia bitte mach die Tür auf!" Jason. Ich würde es so gerne tun aber ich kann nicht. Schluchzend liege ich am Boden, in meinem eigenen Blut. Mein Gesicht habe ich in meinen Händen vergraben. Das heute war zu viel. Ich kann das alles nicht mehr. Es wäre so leicht sich einfach die Pulsader durchzuschneiden. Nur ein paar Sekunden und ich bin von all meinem Leid hier erlöst. Keiner würde mich vermissen. Meine Eltern und Mitschüler nicht. Ich wäre wieder bei Alex, aber das kann ich Jason nicht antun. Ich kann nicht mehr ohne ihn sein. Er ist der einzige Grund der mich zwingt zu bleiben. Sollte er gehen, bin ich verloren. Ich bin nichts weiter als ein kleines wertloses Häufchen Elend, dass nichts weiter kann als jeden Tag zu weinen. Luisa hat doch Recht. Alle haben Recht. Ich bin gar nichts wert.

"Amalia bitte! Alles wird wieder gut hörst du? Bitte mach auf!" "Nein nichts wird gut!" schluchze ich laut und krümme mich zusammen. Er ist weg! Ich werde ihn nie wiedersehen. "Du wirst mich irgendwann auch hassen." wimmere ich leise, aber er hat es trotzdem gehört. Es stimmt doch. Jeder andere hätte jetzt ja gesagt. "Was? Nein was sagst du denn da? Ich liebe dich Amalia. Du bist alles für mich. Kannst du bitte die Tür aufmachen?" sagt er verzweifelt.

Amalia jetzt komm! Mach die Tür endlich auf.

Ich stehe mühsam auf und schließe die Tür auf. Jason kommt schnell auf mich zu und mustert mich besorgt. Dann fällt sein Blick auf die Klinge und all das Blut auf dem Boden. "Du hast es wieder getan?" Ich nicke stumm und falle ihm in seine Arme. Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter. "Zuerst einmal will ich dir sagen wie leid mir das alles hier tut. Glaub mir ich weiß wie es ist jemanden zu verlieren." sagt er traurig. Ich schreie verzweifelt auf bevor ich in herzzereisendes Schluchzen ausbreche. "Sh bitte beruhige dich." sagt er verzweifelt und drückt mich an sich. Ich atme zitternd seinen Geruch ein und langsam werde ich ruhiger. Jason streichelt mir die ganze Zeit tröstlich über den Rücken und drückt mir einen Kuss auf mein Haar. "Es macht mich fertig dich so traurig zu sehen. Vor allem wenn es wegen so Menschen wie Luisa ist. Wie kann man einen Menschen ohne Grund so fertig machen?" sagt er wütend wohl er zu sich selbst als zu mir. Wenn ich das nur wüsste. Bestimmt haben sie einen Grund. Ich hab es bestimmt verdient so behandelt zu werden. "Es tut mir leid Jason." schluchze ich leise in sein Shirt. "Was tut dir leid?" fragt er entsetzt. "Ich bin der Grund warum du keine Freunde hast. Und ich bin selbst daran Schuld das mich alle hassen. Sogar meine Mutter hasst mich, sonst hätte sie mich und Alex nicht allein zurück gelassen. Wenn...wenn sogar meine Eltern mich nicht lieben wer liebt mich denn dann?" sage ich mit brüchiger Stimme.

Niemand! Niemand!

Die Stimme hat Recht.

Natürlich hab ich Recht. Du hast es nicht verdient zu leben. Aber du kannst das alles beenden. Mach doch einfach für einen besseren Menschen Platz!

Hör auf! Bitte hör auf sowas zu sagen! "Amalia mit wem redest du?" fragt Jason und erst jetzt fällt mir auf das ich meine Gedanken laut ausgesprochen habe. "Ähm..." fange ich an, doch dann bricht meine Stimme. Sogar diese Stimme hasst mich.

Völlig richtig erkannt.

Aber wieso?

Weil du nichts wert bist.

Nein! Ich schluchze laut.

Doch!

Wieso höre ich diese Stimme? Das macht mir Angst. "Amalia was hast du denn?" höre ich Jason besorgt fragen. "Ich liebe dich!" murmel ich. Ich habe ihn nicht verdient und er bleibt trotzdem bei mir. "Ich liebe dich auch. Und Liv und Mum auch. Und Clarissa tut es auch und dein Bruder hat dich doch auch geliebt. Und mit solchen widerwärtigen Menschen will ich gar nichts zu tun haben, geschweige denn befreundet sein." sagt Jason leise und endlich hört die Stimme auf mich zu beleidigen. Erleichtert atme ich zitternd aus. "Danke, ich...ich wüsste nicht was ich ohne dich machen sollte." stammele ich und schaue ihm in die Augen. Seine Finger wischen vorsichtig die Tränen fort aus meinem Gesicht und in diesem Moment ziehe ich ihn runter zu mir und küsse ihn. Es ist kein wilder drauf gängerischer Kuss sondern ein zarter voller Leidenschaft. Es wirkt gerade so als würde Jason denken ich wäre aus Glas. Ein kleines Lächeln breitet sich in meinem Gesicht aus. "Dieses wunderschöne Lächeln habe ich vermisst." flüstert Jason in mein Ohr und löst sich von mir als wir bemerken das die Tür aufgeht.

"Oh mein Gott was ist denn hier los?" Meine Augen schweifen nach vorne wo Clarissa wie angewurzelt dasteht und entsetzt auf das Blut guckt. "Clarissa alles in Ordnung?" fragt Jason der jetzt auch auf sie aufmerksam geworden ist. Im nächsten Moment übergibt sie sich.  Langsam vermischt sich das Erbrochene mit meinem Blut. Ich wende schnell den Blick ab. "Jemand sollte den Reinigungsdienst rufen." stößt Clarissa würgend hervor und kriegt im nächsten Moment einen fürchterlichen Hustenanfall. Ich will schon gehen als Jason mir zu vorkommt. "Du machst gar nichts. Dein Arm blutet immer noch fürchterlich. Ich bin gleich wieder da." Er reicht mir ein Taschentuch ehe er aus der Kabine tritt.

"Tut mir leid. Ich kann einfach kein Blut sehen." sagt Clarissa und versucht ihre Sachen sauber zu bekommen. Das zuvor weiße Taschentuch ist inzwischen dunkelrot gefärbt. "Da muss dringend ein Verband drauf." Sie deutet auf die Wunden. Was sie nicht sagt. Jetzt habe ich 6 Narben. Perfekt nebeneinander. Nur sind die letzten beiden ein bisschen tiefer als die anderen sonst hätte sie nicht so geblutet. Jede einzelne drückt meinen ganzen Schmerz aus.

"Amalia du solltest wissen das es mir leid tut. Ich verachte mich für das was ich getan habe. Kannst du mir verzeihen?" fragt Clarissa mich und ich sehe wie Tränen in ihre Augen steigen. Sie scheint es wirklich zu bereuen.

The fear in your eyes *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt