Kapitel 25

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Eine Woche bin ich schon gefangen in meinem früheren Zuhause. Ich habe wirklich alles versucht, doch ich bin so erschöpft das ich es nicht mal auf die Reihe kriege ein Fenster zu öffnen. Außerdem ist sowieso jedes Fenster mit einem bestimmten Code verriegelt. Nur ein einziges steht offen. Er hat wirklich an alles gedacht. Jeden Tag das gleiche. Ich sitze den ganzen Tag rum und Abends kommt mein Vater heim und misshandelt mich. Es wird von Tag zu Tag schlimmer. Ich kann auch keine Hilfe rufen, weil er mir zum einen mein Handy abgenommen hat und zum anderen die Haustür verschlossen ist. Langsam gebe ich echt jede Hoffnung auf, das mich Jason oder irgendwer sonst findet. Sucht er überhaupt noch nach mir?

Wie auch in den letzten Tagen zwinge ich mich aus dem Bett, ziehe mir etwas an und gehe nach unten. Heute hab ich noch weniger Hunger als gestern. Liegt wahrscheinlich daran das er mir gestern viele Tritte in den Magen verpasst hat. Mir tut alles weh. Als ich wieder nach oben gehe bleibe ich plötzlich, wie angewurzelt, vor einer Zimmertür stehen. Das ist Alex Zimmer. Nach seinem Tod war ich kein einziges Mal drin. Vorsichtig drücke ich die Türklinke hinunter und trete hinein. Warum ich plötzlich den Mut dafür habe, weiß ich nicht. Vielleicht weil ich hier nicht nochmal hinkomme. Alles ist wie vorher, so als hätte sich nichts geändert. An den blau gestrichenen Wänden hängen unzählige Bilder. Von Mum und mir. Eins gefällt mir ganz besonders. Dort sitzen Alex und ich am Strand und er hat seinen Arm um mich gelegt. Vorsichtig nehme ich es ab und stecke es ein. Hier verstaubt es doch nur. Auch in seinem Schrank befindet sich noch alles. Als ich ihn öffne, strömt sein Geruch in meine Nase. Weinend vergrabe ich mein Gesicht in einem von seinen grauen Pullovern. Ich will ihn wieder haben. Bitte ich will ihn nur noch einmal sehen.

Tja zu spät...

Ich weiß, aber ich kann das einfach nicht akzeptieren. Schnell wische ich die Tränen fort, als ich höre das die Haustür aufgeht. Ich springe auf, nehme den Pulli an mich und renne rüber in mein Zimmer. Als ich Schritte auf der Treppe höre, rolle ich mich ängstlich auf meinem Bett zusammen. Bitte lass das nur einen Alptraum sein. Ich wache bestimmt gleich wieder auf und Jason liegt neben mir. "Amalia wieso hast du das Haus nicht geputzt?" schreit er mich sofort an, als er rein kommt. Zitternd richte ich mich auf und schaue ihn an. Seine Alkoholfahne rieche ich bis hierher. Wie viel er wohl heute getrunken hat?  "Und warum ist Alex Zimmertür offen? Du bist echt zu gar nichts zu gebrauchen. Na warte du wirst noch sehen was du davon hast!" Bedrohlich kommt er näher und schubst mich runter vom Bett. Schnell versuche ich davon zu laufen, aber er hält mich fest. "NEIN!" schreie ich hysterisch. Alex!

Der ist nicht mehr da.

Jason?

Der ist auch nicht da.

Sag mir das das nicht wahr ist. Ich will nicht! "Lass mich los!" Er stößt mich auf den Boden, wo ich wimmernd liegen bleibe. Ich weiß genau das er noch nicht fertig ist, aber ich will nicht mehr. Ich komme hier nie wieder raus. Am Anfang hatte ich noch ein bisschen Hoffnung, aber die schwindet jeden Tag. Jason und die anderen werden mich niemals finden. Ich möchte nicht so ein Leben führen. Schluchzend vergrabe ich mein Gesicht in meinen Händen. "So und jetzt kriegst du das, was du verdient hast!" schreit er und im selben Moment knallt etwas auf meinen Rücken. Ich fange vor Schmerzen an laut zu schreien. Solche Schlimmen Schmerzen musste ich in meinem gesamten Leben noch nicht ertragen. Er hat mich noch nie mit einem Gürtel geschlagen. Ich kann mich nicht bewegen und schon gar nicht weglaufen, um dem zu entgehen was jetzt kommt. Ich zähle die Schläge schon gar nicht mehr mit, so viele sind es. Nur laute schmerzerfüllte Schreie dringen an mein Ohr. Ich brauche eine ganze Weile um zu erkennen, das ich diejenige bin die so schreit. Als er endlich von mir ablässt und weg geht, kann ich gar nichts mehr tun. Mich weder bewegen noch irgendwas anderes. Wieso ist er eigentlich gegangen? Kommt er wieder? Ich zittere am ganzen Körper und leise Schluchzer erfüllen die Stille des Raumes. Meine Gedanken sind vernebelt. Verzweifelt versuche ich die letzten gerade passierten Minuten zu vergessen, doch meine Schmerzen verhindern das. Fasziniert schaue ich zu wie der Boden unter mir, sich langsam dunkelrot färbt. Auch meine Hände sind voll von Blut. Meinem Blut. 

Nach einiger Zeit höre ich wie unten jemand klingelt und dann wie jemand die Treppen hoch kommt. Nein! Nicht schon wieder. Ich bin völlig am Ende. Ich kann nicht mehr. Jetzt kommt jemand in mein Zimmer, aber es sind nicht die Schritte meines Vaters. Vorsichtig öffne ich meine Augen. "Oh mein Gott! Jason komm sofort hoch!" Aber was? Bilde ich mir das gerade ein oder ist das etwa- "Clarissa... Clarissa?" Sie kniet sich neben mich und ich sehe ihr Gesicht. Ihre braunen Augen in denen sich Tränen sammeln. "Es tut mir so leid." wimmert sie leise und nimmt meine Hand. Ich halte sie so fest ich kann. Sie hat mich gefunden. Endlich. "Jason kommt auch gleich. Versprochen, oh Gott wir haben dich überall gesucht." Ich hatte von Anfang an Recht. Natürlich haben sie mich gesucht. "Ich war unfair zu dir. Ich habe dich von einem Tag auf den anderen scheiße behandelt und du wusstest noch nicht mal warum." "Alle machen mich aus Gründen runter die ich nicht weiß. Vielleicht bin ich ja so wenig wert wie alle sagen." Ein trauriges Lächeln umspielt meine Mundwinkel und eine Träne kullert über meine Wange. "Nein!" schluchzt sie leise und schüttelt den Kopf. "Nein, du bist so viel mehr wert als du denkst. Du bist so-" Sie holt tief Luft. "Du bist so ein liebenswerter Mensch. Wenn es jemand verdient hat zu leben, dann du. Du warst immer für mich da und hast jeden meiner Tage zu einem besseren gemacht. Luisa hat mich erpresst. Sie wusste das ich meiner älteren Schwester Geld entwendet habe. Ich wurde bedroht von so einem Typen aus der Schule. Er hatte ein Foto von mir und wollte es veröffentlichen, außer ich zahle ihm eine ordentliche Summe um ihn ruhig zu stellen. Aber das ist keine Entschuldigung für das, was ich dir angetan habe. Du musst mir glauben das es mir leid tut. Verzeih mir! Verzeih mir bitte!" Jetzt weint sie richtig. Ich streichele leicht ihren Handrücken um sie zu beruhigen. "Das war mit Abstand das schönste was mir seit langem jemand gesagt hat. Willst du wirklich noch mit mir befreundet sein?" frage ich schluchzend. Sie nickt und ich richte mich mit meiner gesamten Kraft auf und wir liegen uns weinend in den Armen.

"Prinzessin!" Da steht er im Türrahmen und kommt auf mich zu. Ich will ihm in die Arme fallen, ich will seine Lippen spüren, seinen Geruch einatmen. Ihm einfach nahe sein. "Jason" Ich stehe unter Schmerzen auf, aber das ist es wert. "Jason" Ich lächel ihn an und er nimmt ungläubig mein Gesicht in seine Hände. Er hat mich gefunden. Seine Finger fahren sanft über mein Gesicht und wischen die Tränen weg, die unaufhaltsam meine Wange hinunter fließen. Er beugt sich vor und presst sanft seine Lippen auf meine. Es ist ein unglaubliches Gefühl, wie sehr hat mir das gefehlt.  Als er meinen Rücken berührt, kann ich ein leises Wimmern nicht unterdrücken und er schaut erschrocken auf. Sein Gesichtsausdruck ist nicht mehr sanft, sondern hart und ernst. "Was hat er dir angetan?" "Er hat...Er hat mich-" Meine Stimme bricht. "Jason sie muss zu einem Arzt. Ihr Rücken ist voller Blut und wer weiß was sie noch für Wunden hat." kommt es leise von Clarissa und Jason stimmt ihr zu. Sie steht auf und ruft einen Krankenwagen. Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter. "Du hast mir so gefehlt." "Du mir auch Prinzessin. Ich kann einfach nicht ohne dich leben." sagt Jason den Tränen nahe und streichelt meinen Arm.

The fear in your eyes *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt