Ich ließ die Tür hinter mir zuknallen und hing den Schlüssel neben dem Spiegel im Flur an. Meine kleine Reisetasche schmiss ich auf mein Bett und der vertraute Duft der Wohnung umhüllte mich. Auch wenn ich erst seit ein paar Monaten hier lebte fühlte ich mich hier zuhause. Nein, es war nicht meine Zuhause, es war meine Heimat. Und das in so kurzer Zeit, doch hier fühlte ich mich sicher. Mein Zimmer, welches ich mir schon vor dem Umzug tausende Male in meinen Gedanken eingerichtet habe. Es wirkte wie meine eigene kleine Welt. Meine Welt mit meinem PC, meinem Klavier, meiner Wand voller CD's und Büchern, meinem Kleiderschrank, welcher eigentlich viel zu klein war und meinem heiligen Bett. Dies war meine eigene Welt.
Nachdem ich einige Momente lang still in meinem Zimmer verharrte, ging ich zu Jan. Zaghaft klopfte ich an die Tür. Drei mal, so wie ich es immer tat. Dann noch eine mal, diesmal etwas lauter.
"Ja?", hörte ich Jan von der anderen Seite der Tür sagen. Langsam öffnete ich sie und steckte meinen Kopf hindurch.
"Ich bin wieder da."
"Das sehe ich."
"Dummkopf", sagte ich und wir grinsten uns an. Ich ließ mich auf sein Bett fallen und strich langsam über den weichen Bettbezug.
"Und, wie war es?"
"Gut."
"Wow. Ich liebe deine ausführlichen Erzählungen", erwiderte er mit einem ironischen Unterton.
"Ich hab ein wenig mit Maik und Emy gequatscht. Und am Samstag habe ich mich mit Max und seinen Kumpels..."
"Warte, was? Mit Max?" Jan grinste mich über beide Ohren an. Auch wenn er genau wusste wie ich bei Jungs tickte, wird er wahrscheinlich nie aufhören daran zu denken, dass ich etwas am laufen haben könnte. Egal mit wem.
"Ja, mit Max. Dem vom Festival. Wir waren mit seinen Kumpels in einer Kneipe und es war echt ein schöner Abend." Den Fakt, dass ich bei ihm eingeschlafen bin ließ ich bewusst weg. Ansonsten würde er mir viel zu sehr auf die Nerven gehen. Wahrscheinlich würde Jan nicht einmal glauben, dass ich alleine auf einer Couch geschlafen habe, während zwei Jungs im gleichen Zimmer zusammen im gleichen Bett geschlafen haben.
"Hast du Ben mal wieder angeschrieben?", fragte Jan mich, ohne den Bildschirm aus den Augen zulassen. Ich spürte wie meine Muskeln sich anspannten, als wäre ich in Alarmbereitschaft- bereit, jede Sekunde aufzuspringen.
"Warum sollte ich?", versuchte ich so gleichgültig wie möglich zu fragen, jedoch musste ich feststellen, dass meine Stimme eher verletzlich klang.
Ich hatte schon am Wochenende Probleme damit, ihn zu vergessen, da ich mit Emy und Maik ein ausführliches Gespräch über ihn geführt habe. Sie standen voll und ganz hinter mir, wofür ich ihnen wirklich dankbar war.
"Wir wissen doch beide, dass du ihn immer noch liebst." Jetzt sah er mich an, und sein Blick drückte mir eine Last auf, durch die ich mich klein fühlte. Wie ein Kind, das versuchte Recht zu behalten. Aber liebte ich Ben wirklich noch? Natürlich waren die Gefühle noch nicht zu hundert Prozent verflogen, jedoch konnte ich nicht behaupten, dass es noch Liebe war. Und solange ich ihn nicht unter die Augen bekomme, wird sich daran auch nichts ändern.
"Er hat mich betrogen", erwiderte ich und richtete mich auf. "Und das nicht zum ersten Mal." Meine Stimme wurde fester und ich selbstbewusster. Warum musste ich mich eigentlich vor Jan rechtfertigen? Trotzig verließ ich sein Zimmer und ließ mich auf mein eigenes Bett nieder. Jan war mein bester Freund und auch wenn ich mit ihm Spaß haben konnte, wusste ich nicht, ob es eine gute Idee war mit ihm zusammen zu ziehen. Klar, es war schon immer unser Wunsch, aber würde es auf Dauer gut gehen? Er hört mir zu, wenn ich mal etwas auf dem Herzen hatte. Nur das Problem liegt darin, dass er nicht viel davon hält, sich lange mit Problemen und Gefühlen zu beschäftigen. Sobald ich versuche mit ihm über ein Thema zu reden, welches wir schon einmal durchgekaut hatten, wirkt er schnell genervt. Er versteht nicht, dass man Zeit braucht, um gewisse Dinge zu verarbeiten. Das ich Zeit brauche, um gewisse Dinge zu verarbeiten. Er spricht Probleme einmal aus, und danach sind sie für ihn erledigt. Aber so bin ich nun einmal nicht.
Ich vergrub meinen Kopf in mein Kissen. Emy war schon immer die Person, an die ich mich gewandt habe, wenn es mir schlecht ging. Und Jan war der Gegenpol dazu. Jetzt hatte ich ihn 24/7 an der Backe und Emy war in Berlin. Wie soll ich das bloß überstehen?
Ich bekam schlecht Luft und schluchzte, während ich mich auf die Seite drehte. Wieso war ich nur so emotional? Ich hatte doch so ein schönes Wochenende, und jetzt endet es mit so einem Sonntag Nachmittag?
Langsam stand ich auf. Ich brauchte jetzt einfach ein wenig Ablenkung. Somit schnappte ich mir mein Handy und Kopfhörer und ging in unsere Stube, welche eigentlich ein halbes Atelier darstellte. Ich hatte noch eine Leinwand, auf der sich eine leichte Vorzeichnung befand. Ich betrachtete eine ganze Weile das Mädchen, was vor einem Fenster stand und in die kalte Welt nach draußen guckte. Kurz davor mich mit dieser Komposition zufrieden zugeben, nahm ich einen großen Pinsel und strich die komplette Leinwand in schwarz ein. Nun stand ich da. Erneut ohne Ideen, oder Antrieb wirklich etwas zu malen. Wie so oft betrachtete ich meine Hände und stellte mir vor, wie sie wohl aussehen würden, wenn sie alt und verschrumpelt wären - oder einfach gezeichnet vom Leben.
Und so begann ich einen verkrampfte Hand auf die Leinwand zu malen. Natürlich war dies nicht gerade das einfachste, ohne Vorlage hätte ich es niemals hinbekommen, da die Hand ziemlich abgemagert und knochig war. Ich müsste es irgendwann noch einmal überarbeiten, aber mir gefiel es. Zufrieden seufzend ließ ich mich an der gegenüber liegenden Wand sinken und betrachtete das Bild, darauf bedacht Fehler zu finden, welche ich ausbessern müsste.
Mittlerweile war es Abend und im Normalfall würde ich mich jetzt in mein Bett verkriechen, doch heute hatte ich nicht den Drang dazu. Ich griff nach menge Jacke und Schlüssel und verließ das Haus. Jan sagte ich nicht Bescheid. Wenn er mich suchen würde, würde er mich schon anrufen. Nach guten zehn Minuten Fußmarsch erreichte ich die Elbe und ließ mich auf die Wiese nieder. Um mich herum herrschte reges Treiben. Die meisten lagen auf ihren Decken und genossen die letzten Sonnenstrahlen.
Ich liebte Dresden und freute mich unendlich auf mein Studium, und trotzdem wäre ich jetzt lieber in Berlin.
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Pleasure and pain (HoB FF)
FanficEine ganz normale FF von Max aka Handofblood, also nichts besonderes :D Viel Spaß beim lesen und bleibt sexuell :3 (seltener Upload)