Mittagsschlaf um 9

408 10 3
                                    

"Des hast du super gmacht.", lobte sie Michi, "Und jetzt zur Klinik. Immer gerade aus."

Auf dem Landeplatz der Klinik zog sie genau das ab, wie sie es mit Tobias gemacht hat. "Danke für das Training von vorhin. Hat wirklich geholfen." "Kein Problem. Das macht man einmal und dann verlernt man's nicht mehr. Die Routine kommt mit de Einsätze." "Gut." "Dann zurück zum Heliport."

Nach der sanften Landung wurden die Triebwerke runtergefahren und alles abgeschaltet. Annabell atmete tief durch und stieg aus. Ihre Hände zitterten noch leicht. Sie hat gerade 6 Menschen mit ihr, aus einer Gefahrenzone heil zurückgebracht. Ein wahnsinniges Glücksgefühl.

"Jetz hab ich doch a bisserl Angst, dass i bald in Ruhestand gehen muss.", lachte Michi und drückte sie an sich. "Ach komm, das stimmt doch gar nicht." "Reife Leistung, Kleine.", klopfte Tobias ihr auf die Schulter, "Willst noch auf a Bier mitkommen? I mein, das müss' ma feiern. Die erste Frau, die Michi hinters Steuer hat lassen." Michael verdrehte die Augen. "Warum nicht." "Gut, dann heut' um 6 bei mir zuhaus'. Weißt du wo der Pernerhof is?" "Ja, sicher. Super." "Gut, dann sind wir wieder weg." "Wir halten die Stellung." Tobias nickte und ging mit den anderen. "Hey, du kannst aber auch nach Hause. Nach der Leistung heute." "Na, ich bleib. Sonst is mir grad langweilig." "Des wäre schlecht. Ja, ich mach eigentlich auch nicht viel. Ich lieg nur herum, warte auf an Anruf oder ärger' an Rudi." "Ja, das macht er gerne.", knurrte Rudi und drückte Annabell mit sich. "Du setzt dich bitte ins Cockpit und drückst das, was ich sag'. Dann is' dir nicht langweilig und ich muss nicht so viele Kilometer laufen." "Gut, Rudi."

Nach der Wartung, sortierte sie noch die medizinischen Sachen und die Hubschraubereinrichtung. Sie nahm Rudi eine ganze Menge Arbeit ab, der sich wahnsinnig freute. "Das letzte Mal, als Michi mir so viel geholfen hat, da hat er die Mühle reingeschoben. Vor zwei Jahren." Sie fühlte den Blick von Dörfler, der auf ihnen ruhte. "Jaja, ich hör' die scho gehen.", murmelte er, "Am ersten Tag, würd' ich nicht so hart arbeiten." "Du nicht, aber ich bin froh darüber.", sagte Annabell und legte die aufgewickelten Seile in das Regal zurück, "Bei meinem vorherigen Standort, war ich so unterfordert." "Wir sind Piloten und keine Wartungsmechaniker." "Ich bin beides."

Um 6 Uhr war Treffpunkt bei Tobias. Sofort machte sie mit Emilie, Hanna, Lukas und Franz Bekanntschaft, die alle auf dem Hof lebten. Sie kannte Franz noch von früher. Sie hatte manche Sommer in Ramsau bei ihrer Großmutter verbracht. Sie kannte die Gegend gut, aber noch nicht komplett auswendig.

"Also.", begann Andreas, "Wie kommt eine Tirolerin zu uns in die Ramsau und auch noch als Pilotin. Wie viele Einsätze?" "Erstens is in der Umgebung Kaisergebirge sprich Wilder Kaiser, nicht viel los und man vertraut mir nicht." "Wie vertrauen? Hat doch heute alles gut geklappt." "Ja, hat's ja, aber so ein paar Sturköpfe aus Kitz haben mich nie gelassen." "Wie? Fliegen?" "Ja, nur den Postboten dürft ich spielen und einmal zwei vom Wanderweg aufgabeln, die nicht mehr zurückgefunden haben." "Spannend.", sagte Tobias und hob seine Flasche, "Auf a schöne Zeit bei uns." Sie stießen an und sprachen noch ein wenig. Bevor sie fuhren, wurde ihre Maschine auch nochmal begutachtet. "XT500. Nid schlecht.", betrachtete Herbrechter sie mit eingeschobenen Armen. "Die fährt nicht nur gut, sondern schaut a nu gut aus.", lächelte sie und stieg auf, "Danke für den nette Abend und bis morgen." "Bis morgen.", wurde sie von den zwei verabschiedet und sie fuhr davon.

Am nächsten Tag, stieg sie schon mit einem Kribbeln im Bauch auf. Sie fühlte sich leicht unwohl, schlüpfte aber dennoch in den Pilotenoverall und fuhr zum Heliport. Der Tag ging schlecht an und würde sicher auch schlecht verlaufen. Er kam jedes Jahr. Und jedes Jahr passierte etwas. Aber nicht dieses Mal. Das nahm Annabell sich vor.

"Alles gut bei dir?", fragte Rudi und sah sie an. "J-Ja.", antwortete sie. Er sah sie immer noch an und wirkte nicht ganz überzeugt. Rudi schüttelte sich aber und ging weiter. Annabell setzte sich wieder wie gestern, kopfüber in die Mühle.

Rudi hielt Michi auf dem Weg zum Christophorus ab. "Du, was is'n gestern noch gewesen?" "Wie meinst des jetzt?", fragte Michi verwirrt. "Ja, gestern." "Achso, mehr wie ein Bier und a kleine Vorgeschichte war nichts Besonderes. Wieso?" "Ich weiß nicht. Ich kenn' sie jetzt erst einen Tag, aber Annabell ist heute komisch." "Ach komm. Jeder hat mal an schlechten Tag." "Ja, aber..." "Jetzt Rudi. Hör' auf damit und kümmer' dich um die Mühle." "Dann kümmer' du dich um deine Co-Pilotin. Der geht's anscheinend nicht gut." "Von mir aus.", gab Michael nach und Rudi ließ ihn vorbei. Sie saß wieder kopfüber im Heli. "Annabell.", fragte er vorsichtig und ging auf sie zu. "Annabell." Rudi hatte nicht gelogen. Sie war leicht bleich und ihre roten Haare wirkten matt. "Annabell Kofler." Er fechtelte kurz mit der Hand vor dem Gesicht herum und sie scheint langsam aufzuwachen. "Hm?", fragte sie und sah zu ihm hinauf. "Alles in Ordnung?" "Ja, nur wenig Schlaf ghabt.", stieß sie die Luft schwer aus. "Kannst ja in der Mühle ein wenig schlafen." "Ich versuch's." "Is nur ein Vorschlag." "Danke, Michi." Er nickte und setzte sich in den Hangar. Das Telefon klingelte und er ging dran. Toni hat ihm von einem Notfall informiert. Die Seile einer kleinen Hängebrücke sind gerissen und eine Frau hing noch am Stahlseil. "Annabell, wir müssen das Mittagsschläfchen verschieben.", sprang Michi auf.

Strong Minds never resigns | Die BergretterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt