Notfallstehenliegenlassen

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"Morgen", raunte Toni, als sie die Bergrettung betrat. "Morgen", lächelte sie. "Was ist denn mit dir los? Du lächelst was das Zeug hält", bemerkte er und stapelte ein paar Zettel übereinander. "Kann schon sein. Was steht an?" Er deutete ihr auf einen der Stühle, die um den Tisch standen, sich zu setzen, was sie auch tat. Er kam mit dem großen Stapel Papier auf sie zu und warf ihn auf den Tisch. Toni setzte sich, die Finger ineinander verschränkt, lehnte er sich nach vorne und sah ihr in die Augen: "Gleich zu dem, aber vorher noch was anderes. War Rudi gestern bei dir?" Sie begann zu lachen: "Lass es Toni, du bekommst sowieso nichts aus mir heraus." Er atmete schwer aus und zog das Papier an sich heran. "Schön, einen Versuch war es wert. Wenn du mir bitte die ganzen Sachen nach Alphabet ordnen würdest." "Gut, das mach ich." "Hast du wirklich...", begann er wieder und stapfte zum Schreibtisch zurück. "Nein", stoppte sie ihn.

"Hey Rudi", begrüßte ihn Michael, der im Hubschrauber saß, "schöne Nacht gehabt?" "Wenn du damit meinst, dass ich gut geschlafen habe, dann ja", schmunzelte Rudi und suchte sich ein paar Werkzeuge. "Nichts gelaufen?", hakte der Pilot nach. "Nein", zog Rudi das Wort in die Länge und machte sich schon auf eine längere Diskussion gefasst. "Wirklich nicht?" Als Rudi sich umdrehte, stand Michael einen halben Meter vor ihn und musterte seine Augen. Als würde er sie durchbohren. "Was wird das?", fragte er leicht unsicher und huschte an ihm vorbei. "Jetzt mach mir nichts vor, du und Annabell, ihr seid doch ein nettes Paar." "Ach echt?", machte Rudi sich mal an die Turbinen. "Jetzt tu' nicht so. Da läuft doch was." "Wie schon gesagt, wenn was laufen würde, wärst du der erste, der was erfährt, also lass mich jetzt in Ruhe arbeiten." Schulterzuckend und eigentlich noch in Diskussionsstimmung, hörte Michael auf und setzte sich wieder in seine Maschine.

"Ach Annabell", platzte Toni um die Mittagszeit mal der Kragen, "Was ist denn nun zwischen Rudi und dir. Ich halt' es nicht mehr aus." "Da gibt's nichts zum Aushalten, da ist nichts." Er scheint sich mit der Antwort nicht zufrieden zu geben, hörte aber dennoch auf zu fragen.

Treffpunkt am Abend war wieder bei Annabell und beide hatten etwas Wichtiges miteinander zu besprechen. "Hey Velvet", begrüßte er sie und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel, "Du, was dringendes. Ich muss mit dir reden." "Lustig, ich auch." Sie setzte sich ins Gras und er sich neben sie. "Fang an", deutete er auf sie. "Nein, du hast zuerst gesagt." "Gut, dann fang ich mal an. Wegen der Beziehungsgeschichten. Ich glaube, wir sollten es ihnen endlich sagen. Ich meine, sie sind unsere besten Freunde und sie macht es richtig fertig." "Das kannst du wohl laut sagen", lachte sie, "Toni konnte sich fast nicht mehr auf dem Stuhl halten." "Aber persönlich. Wie bringen wir sie am schnellsten zusammen?" "Gib mir mal dein Handy."

Andreas saß vor dem Haus und war in ein lockeres Gespräch mit Emilie vertieft. Die Kinder schliefen schon und sein Vater geisterte noch irgendwo um das Haus herum. Katharina würde auch noch in Kürze kommen, da er sie zum Essen eingeladen hat. Auf sie wartete er. Als sein Handy einen kurzen Ton von sich gab. Er sah darauf und wurde kreidebleich. "Alles in Ordnung?", fragte Emilie, bekam aber keine Antwort mehr. Er sprang auf und sprintete zum Wagen. Gerade in diesem Moment fuhr Katharina vor. "Einsteigen, falls du es noch nicht gelesen hast", sagte er direkt und sie sprang auf die Beifahrerseite.

Michael war gerade dabei seine liebste Verena zu umarmen und ihr alles Gute zum Jahrestag zu wünschen. Er verteilte ein paar Küsse auf ihrem Hals und sie schlang ihre Arme um seinen Hals. Als sein Handy ertönte, schnappte er es aus seiner Hosentasche, ohne auch nur ihre Umarmung zu lösen, musste aber die Küsse beenden. Als er darauf sah, hielt er kurz den Atem an. Verena merkte dies. "Michael, was ist los?" "Scheiße", fluchte Michi. Er riss sich von ihr und packte ihm vorbeirennen die Jacke von der Couch, bevor die Wohnungstür ins Schloss fiel.

Tobias war schon dabei gewesen, sich für's Bett fertig zu machen. Er hat heute Abend eine lange Sitzung im Hotel gehabt und morgen folgt in aller Früh noch eine. Also hat er sich entschieden, wieder einmal im Hotel zu bleiben. Nach dem Duschen folgte noch der schnelle Check auf das Handy. Er ließ es fast fallen und sprang förmlich in seine Hose. Mit der roten Bergretterjacke in der Hand, stürmte er nach unten und hätte ihm Eingangsflur seinen Vater mitgenommen. "Hey, Tobias, was hast du's denn so eilig", beschwerte er sich fast. "Tut mir leid Vater, ein Notfall." "Um 9?", sah er auf die Uhr und danach wieder seinem Sohn nach, der förmlich rannte. "Ja." "So wichtig?" Darauf folgte keine Antwort und man hörte die Reifen auf dem Schotter durchdrehen.

Mit drei Kisten aufgepackt, zitterte Toni den Schlüssel in das Schloss, um das Geschäft endlich für heute zu schließen. Endlich Feierabend. Endlich Ruhe, Frieden und etwas zu Essen. Als sein Handy kurz klingelte, stellte er die Kartonkisten kurz auf den Boden und zog es aus der Jackentasche. Er las kurz drüber und murmelte die Buchstaben vor sich hin. So, dass es niemand wirklich verstehen konnte. Ihm fiel der Schlüssel aus der Hand. Er kannte zum Auto, wieder zurück zu den Kisten, schnappte die Schlüssel vom Boden und dann doch zum Auto. Er ließ alles stehen und liegen und raste davon.


Strong Minds never resigns | Die BergretterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt