Strong Minds never resigns | Die Bergretter

Der grüne Zweig

Michi sah ihr noch nach. Er machte sich gerade Gedanken.

"Michi, gib' dir bitte nicht die Schuld für den Wind.", sagte Andreas und stand auf. "Das mach ich doch nicht. Ich hab's nur übertrieben. Die kleine hat mit ihren 19 ja noch keine Flugerfahrung. Die Reaktion ist ganz normal." "Ja, das is sie. Du willst mit ihr reden." "Ja." "Lass ihr noch ein bisserl Zeit." "Wenn du meinst." "Geh halt nach Schichtschluss.", klopfte Marthaler ihm auf die Schulter. Michael starrte noch kurz in die Ferne, bevor er sich wieder zusammenriss und in den Hangar ging.

Kurz vor 6, begann er mal zu telefonieren: "Verena?" "Michael, ist alles in Ordnung?", sie merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. "Jaja." "Ist was passiert? Ich hatte heute nicht Dienst. Ist jemand verletzt?" Er atmete tief durch: "Nein, ich hab's heute etwas übertrieben." "Mit was? Sprich deutsch mit mir, Michael." "Du weißt ja von meiner Co-Pilotin. Annabell." "Ja.", dachte Verena immer noch nach, kam aber auf keinen grünen Zweig. "Heute war ein Einsatz und ich hab sie bei starkem Wind und an einer schmalen Stelle fliegen lassen. Sie ist mit Andreas am Tau an die Felswand gekracht. Ihr und Andreas ist nichts passiert, aber sie macht sich wahnsinnige Vorwürfe." "Und du willst noch mit ihr reden." "Bitte sei nicht eifersüchtig. Ich fühl' mich irgendwie verantwortlich für sie." Verena begann zu lächeln. Sie war keinesfalls eifersüchtig auf diese Annabell. Sie kannte Michael jetzt schon wirklich gut. Und wenn er etwas an Annabell fand, hätte er ihr noch nichts von ihr gesagt. Das Mädchen hatte noch kaum Flugerfahrung, laut seinen Erzählungen und da prägt sowas schon. "Michael, erstens bin ich nicht eifersüchtig und zweitens, bis später." "Danke, du bist die beste." "Kein Problem." Lächelnd legte er auf und machte sich auf den Weg. Er wusste doch, dass er auf Verena zählen konnte.

"Bis morgen Rudi.", rief er noch in den Hangar und verschwand zur Zentrale.

Dort traf er auf Toni, der gerade auf dem Sprung nachhause war. "Hey Toni, kann ich dich mal was bitten?" "Ja, aber mach schnell, ich will nach Hause." "Ja, schon klar. Weißt du wo Annabell wohnt?" Stössel sah ihn etwas schräg an, bevor ihm ein Lächeln auf die Lippen huschte. "Du ziehst jetzt aber nicht wieder das gleiche ab, wie mit Bea.", ging Toni langsam hinter den Tisch. "Nein, was soll'n das jetzt bitte.", wurde Dörfler etwas lauter und Toni setzte sich. "Ich wollt doch nur fragen.", verteidigte er sich und tippte etwas auf der Computertastatur herum. "Ich hab nur Angst." "Um was?", sah er kurz auf. "Du warst ja heute nicht dabei. Is auch egal." Toni sah wieder auf den Bildschirm: "Ramsau 69." "Danke.", rannte er nach draußen und sprang in das Auto. Toni sah ihm noch kurz nach und schüttelte den Kopf.
"Da kriselt's doch nicht bei Michi und Verena?", dachte er sich und stand ebenfalls auf. Er schloss alles hinter sich und beschloss, doch noch nicht nach Hause zu fahren.

Sein Weg führte ihn zu Emilie auf den Hof. Eigentlich zu Andreas, der mit Rudi schon vor dem Haus auf der Bank saß. "Is heut Großversammlung?", scherzte Rudi und Andreas begann zu lächeln. "Nein, nur Besprechung.", ging Toni auf die zwei zu und ließ sich auf der Bank nieder, "Du, was is' zwischen Verena und Michi?" Andreas sah fragend zu Rudi, der nur mit den Achseln zuckte. "Nichts. Warum?", fragte nun Andreas. "Der Michi war vor 5 Minuten noch bei mir und hat nach Annabell's Adresse gefragt und dass er sich Sorgen um sie machte. Als ich ihn darauf angesprochen habe, indirekt, auf eine Affäre, ist er sofort laut geworden und da würde nichts laufen." Andreas lachte kurz, verstummte aber schnell. "Der Michi war heut auch komisch.", bemerkte Rudi, "Annabell war schon in der Früh so anders. Dann war ja der Einsatz und als ich mal kurz weg war, stand die Mühle da und Michi war auch da. Nur Annabell nicht. Andreas, jetzt wollen wir beide eine Antwort.", sahen sie ihm auffordernd an. "Es ist alles deswegen.", deutete Marthaler auf seine Stirn. "Wegen einer Wunde?", kam es fragend von Toni, der immer weniger verstand. "Ihr wisst von dem Einsatz. Da hat's ein paar Komplikationen gegeben. Ein Mann war zu wenig und da haben wir Michi gerufen. Annabell kann die Kiste fliegen, das hat sie ja bewiesen und darauf haben wir uns verlassen. Jedenfalls, hat der Wind nicht mitgespielt und bei der Taubergung ist ein bisschen was aus den Fugen geraten. Annabell hat links weggezogen und der Wind hat sie weitergeschoben. Ich bin gegen die Wand gekracht und habe mich ein bisschen aufgeschürft. Danach beim Heliport, ist sie weinend auf dem Landeplatz in die Knie gegangen und hat sich die Schuld dafür gegeben. Sie hat noch was gesagt, das der Tag schon verloren gewesen war und dass er es immer schon war und hat dann gefragt, ob sie nach Hause dürfte. Ende der Geschichte." Beide waren kurz still und verarbeiteten das Material. "Michi macht sich Vorwürfe.", hauchte Rudi. "Genau und deswegen hat er Angst um sie. Er will nicht, dass ihr was passiert." "Verständlich.", murmelte nun Toni und stand auf, "Danke, für die Information." "Ich hoff', dass Annabell sich das nicht so sehr zu Herzen nimmt. Sie ist nämlich eine tolle Pilotin und wir brauchen sie.", sagte Rudi und stand ebenfalls auf, "Bis morgen."