10. Verrat

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"Wie geht es ihm?" Das war Lilienblütes Stimme. "Schon besser, er wird wohl bald aufwachen aber er muss sich erstmal ein paar Tage ausruhen" antwortete Teichschatten. Lilienblüte klang so besorgt, am liebsten würde ich aufstehen und ihr sagen, dass es mir gut ginge, aber sobald ich auch nur versuchte, mich zu bewegen, tat mir alles weh.

"Darf ich bei ihm bleiben?" Fragte sie. Keine Antwort. Jemand legte sich zu mir. Lilienblüte. "Ich hoffe du wachst bald auf" murmelte sie leise. Ja, dass hoffe ich auch. Am liebsten würde ich mich an ihr warmes Fell kuscheln, aber mir blieb nur übrig, neben ihr zu liegen.

Da fiel mir der Kampf gegen Hirschgeweih wieder ein. Ich kam mir erbärmlich vor. Ich hatte Hirschgeweih zwar besiegt, aber beinahe wären sowohl ich, als auch Lilienblüte gestorben und das könnte ich mir nie verzeihen. Warum bin ich bloß so schwach? Ich wünschte ich wäre stärker...

Wenn das so weiterging, würde ich nicht immer in der Lage sein, Lilienblüte beschützen zu können und das durfte einfach nicht passieren. Ich schwor mir, dass sobald es für mich eine Möglichkeit gibt, stärker zu werden, ich sie auch nutzen werde!

Einige Sonnenaufgänge später ging es mir schon viel besser und ich durfte nach eindringlicher Bitte, den Heilerbau verlassen. "Du musst dich aber noch schonen," mahnte mich Teichschatten" keine Kämpfe fürs erste." Ich blickte dem Heiler in die dunkelblauen Augen, die besorgt schauten. "Keine Sorge, ich werde auf mich achtgeben" versprach ich.

Lilienblüte war sehr erleichtert darüber, dass es mir gut ging. Wir warteten gerade im Lager auf Rotstern. Die große Versammlung stand für heute bevor. "Ich hoffe es gibt auch diesmal keine schlechten Nachrichten" murmelte Lilienblüte und schmiegte sich näher an mich heran. Ich musste lächeln. "Nein, ganz bestimmt nicht" flüsterte ich ihr aufmunternd ins Ohr.

Rotsterns große, mächtige Gestalt erschien auf der Lichtung. Mit einem Schwanzschnippen signalisierte er, dass es losging. Die Katzen, die zur Versammlung gingen, liefen hinter Rotstern her. Lilienblüte lief dicht neben mir. Ich merkte, dass ihr nicht ganz wohl war. Ihr Blick war ernst und ihr Nackenfell aufgeplustert.

Wir hielten an einer Senke an. Es waren bereits viele Katzen am Baumgeviert versammelt. Rotstern ließ seinen Blick über die Clans schweifen, dann hob er den Schweif und wir liefen mit ihm die Senke hinab. Wir verteilten uns auf der Lichtung. Wir waren der letzte Clan, der ankam. Während ich mich zusammen mit Lilienblüte in den Schatten der Bäume setzte, sprang Rotstern zu den anderen Anführern auf den Hochfelsen

Jetzt, wo wir nicht mehr liefen, merkte ich, wie kalt es war. Ich zitterte leicht im kalten Wind. Lilienblüte, die sich dicht an mich schmieg, zitterte ebenfalls. Aber nicht aus Kälte. Angstgeruch ging von ihr aus. Ich beugte mich zu ihr runter. "Was ist los?" Flüsterte ich ihr ins Ohr. Sie blickte mich an. Ihre grünen Augen waren voller Angst aufgerissen.

"Schattenherz irgendetwas stimmt nicht, ich habe das Gefühl, dass gleich etwas schreckliches passieren wird!" Rief sie eine Spur zu laut. Einige drehten sich zu uns um. Ich ignorierte die verärgerten Augenpaare und wollte Lilienblüte mit tröstenden Worten beruhigen, als die Anführer mit der Versammlung begannen.

Rotstern wollte gerade etwas sagen, als plötzlich Gejaule aus den versammelten Katzen aufstieg und ein Kater zu den Anführern auf den Hochfelsen sprang. Entsetzt erkannte ich Wolfzahn. Was tat der denn hier?!

Protestrufe und verärgerte Schreie erfüllten die Lichtung. Lilienblüte neben mir, zitterte am ganzen Körper. Die Anführer sahen allesamt überrascht aus, als Wolfzahn sich an die versammelten Katzen wandte, als ob er einer von ihnen wäre. Ich sah, dass Rotstern ihm etwas sagte, aber ich konnte es aus der Entfernung nicht verstehen.

Wolfzahns Blick brachte alle Katzen zum Schweigen. Eine unheimliche Stille legte sich über die vier Clans, als der graue Kater zu sprechen begann.
"Katzen aller vier Clans, ich Wolfzahn, ehemaliger Krieger des DonnerClans wende mich mit einer Botschaft an euch," seine bernsteinfarbenen Augen blickten über alle Katzen hinweg und er sprach mit einer Ruhe und Gelassenheit, die ich von ihm nicht kannte" immer hielt ich mich im Schatten meines jetzt toten Bruders versteckt. Er war es, der immer triumphierte, ohne darauf zu achten, ob es mir gefiel oder nicht und genau so, Clankatzen, ergeht es euch. Ihr werdet dazu gewungen, mit aller Macht für euren Clan zu kämpfen und dabei an belanglose Gesetze gebunden und niemals war es euch vergönnt, eure Talente vollkommen frei entsetzen."

Wolfzahn schwieg einige Herzschläge lang, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen. "Doch damit ist es jetzt vorbei. Ihr bekommt die Möglichkeit, euch voll und ganz auszuleben, ohne dabei auf Gesetze achten zu müssen. Denn ich, Wolfzahn werde einen eigenen Clan gründen. Einen der sich nicht nach dem SternenClan richtet und der dennoch jedem von euch ein Zuhause bieten wird. Schließt euch mit mir zusammen dem KrallenClan an und werdet mächtiger, als ihr es euch vorstellen könnt!" Die letzten Worte jaulte Wolfzahn laut heraus.

Ich blickte den ehemaligen DonnerClankrieger entsetzt an. Nie hätte ich gedacht, dass er sich öffentlich an die Clans wendet, um sie auseinander zu reißen und ich war mir ganz sicher, dass er Rache am DonnerClan und an mir wollte. Wolfzahn blickte geduldig auf die Clans hinab, von denen immer noch keiner das Wort erhoben hatte.

Viele schauten sich mit Zweifel in den Augen um und ich spürte, dass einige Katzen sich wohl Wolfzahn anschließen würden. Ich muss zugeben, dass mich die Möglichkeit, stärker zu werden, reizt, aber ich würde dafür niemals den DonnerClan verlassen!

Zu meiner großen Überraschung war es jemand aus dem DonnerClan, der zuerst vortrat. Es war Eisherz. Lilienblüte neben mir, verkrampfte sich."Ich werde mich dir anschließen und kämpfen, Wolfzahn" sagte der graue Krieger. Wolfzahn nickte zufrieden. Einige Katzen begannen zu flüstern und warfen verstohlene Blicke zu dem DonnerClankrieger. Mir war, als wäre ich in einem furchtbaren Alptraum.

Rotsterns bernsteinaugen waren aufgerissen, als er sich an Eisherz wandte. "Warum verlässt du uns, um dich einem Streuner anzuschließen, der für ein irrsinniges Ziel kämpft?" Fragte er laut. Darauf wurden auch die anderen Anführer wütend. "Genau, klau uns nicht unsere Krieger!" Rief Hagelstern aus dem FlussClan. "Und leb als Streuner dort, wo du hingehörst" knurrte Dunkelstern, der Anführer des SchattenClans.

Wolfzahn wandte sich zu ihnen. "Ich klaue euch eure treuen Mitglieder?," er spielte den Überraschten" ich dachte, ich hätte gesagt, dass sie freiwillig kommen können, oder habe ich Eisherz etwa gezwungen, dem KrallenClan beizutreten?"

Die Anführer erwiderten nichts, sondern knurrten nur. Ihre Augen funkelten grimmig. "Ich habe deinen Entschluss, Wolfzahn zu verbannen, nie verstanden, Rotstern," Eisherz Stimme war voller Kälte" er war mein Freund und er hatte es nicht verdient, verbannt zu werden." Rotstern sah geschockt zu, wie sich Eisherz ohne ein weiteres Wort vor den Hochfelsen setzte.

"Wolfzahn hat Recht, die Clans denken falsch!" Rief ein WindClankrieger und gesellte sich ebenfalls dazu. Ich spürte Übelkeit im mir aufsteigen, als sich immer weitere Katzen, aller Clans zu ihnen gesellten. Als sogar Morgensonne vortrat, sprang Rotstern vom Felsen und stellte sich ihr in den Weg. "Das kann nicht dein Ernst sein!" Seine Augen waren weit aufgerissen und seine Stimme voller Vorwurf.

Morgensonne ging einfach an ihm vorbei. Verbitterung lag in ihren orangenen Augen, als sie sich neben Eisherz setzte. Sogar Morgensonne! Ich schaute entsetzt zu Lilienblüte, die meinen Blick erwiderte. Wolfzahn sah sich unter den Clans um. "Gut, ich danke euch für euren Beitritt und nun lasst uns gehen, es ist Zeit, euch das Territorium des KrallenClans zu zeigen!" Rief er und mit einem triumphierenden Blick aus seinen Bernsteinaugen sprang er vom Hochfelsen und gesellte sich zu den Kriegern, die ihre Clans nun im Stich ließen.

Geschockt erkannte ich auch Distelherz unter ihnen. Nein! Nicht auch noch mein Vater! Am liebsten hätte ich laut aufgejault. Er hatte seine dunkelblauen Augen zu Boden gerichtet, während er Wolfzahn folgte. Sie verließen das Baumgeviert und ließen uns schweigend und entsetzt zurück.

Warrior Cats - Finsteres HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt