Kapitel acht

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"Wir sollten von hier verschwinden Meleth, hier hält uns nichts mehr. Wir können wieder nach Hause." Entschlossen sah Calad ihre Freundin an. Sie stand vor dem Bett und hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt. Meleth schüttelte den Kopf. Verständnislos sah Calad sie an. "Wie bitte? Aber du willst doch auch von hier verschwinden!"

"Ja, ich möchte von hier verschwinden. Aber ich möchte auch nicht zurück nach Lindon, Calad. Ich hasse es dort. Ich will nicht, dass es wieder so sein wird wie früher." Meleth schüttelte erneut den Kopf, ihren Blick hatte sie auf ihre Hände gerichtet. "Wir können überall hingehen Calad, aber nicht nach Lindon. Bitte..." Sie hob ihren flehenden Blick. "Keine zehn Pferde würden mich dort hinbringen können."

Die Blondine seufzte. Sie wusste nicht, dass Meleth immer noch solch einen Hass auf dieses wunderschöne Elbenreich hatte. Sie hingegen wollte gerne dort wieder hin, sie wollte ihrem Vater die Ehre erweisen und sein Grab besuchen. "Ich verstehe nicht richtig, wieso du Lindon immer noch so sehr hasst... Die grausame Zeit ist doch vorbei, Meleth. Nichts ist mehr so früher, zumindest für uns nicht."

"Die grausame Zeit mag vorbei sein, doch die Erinnerungen an dieser Zeit spielen sich immer und immer wieder in meinem Kopf ab sobald ich nur an Lindon ein Gedanke verschwende. Denkst du, dass es mir besser ergehen wird, wenn ich an diesem Ort bin?" Sie atmete tief ein und aus. "Nein, ich werde nie wieder ein Fuß auf diesen Boden setzen."

"Meleth, bi-"

"Nein! Da bleibe ich doch lieber bei Alanel!", unterbrach Meleth ihre Freundin laut.

Calad blickte die Brünette verletzt an. "Du bist mir gegenüber noch nie laut geworden", sagte sie nüchtern und drehte sich um. "Entschuldige mich." Sie verließ das Zimmer, Meleth lief ihr hinterher.

"Es tut mir leid Calad, aber... Du verstehst mich momentan nicht", meinte Meleth mit einem Seufzen. "Ich will dort nicht hin. Du weißt wieso."

"Ich verstehe dich nicht?!" Calad blieb stehen und drehte sich abrupt um, sie sah Meleth entgeistert an. "Ich habe dich da raus geholt, Meleth, ich war das! Ich habe dich von deinem Elend befreit, aus reinem Mitleid! Also sag du mir nicht, dass ich dich nicht verstehe! Wäre ich nicht gewesen, wärst du wahrscheinlich immer noch dort! Es gibt doch noch einen anderen Grund, weshalb du nicht zurück willst!"

Verwundert blickten die Bediensteten zu den Elbinnen.

"Natürlich gibt es da noch einen anderen Grund! Calad, ich werde dort von allen erdenklichen Bediensteten und noch mehr Elben gehasst! Sie würden alles dafür geben mein verdammtes Leben zu ruinieren!", erwiderte Meleth. Allmählich wurde sie wütend. "Du flehst mich an, in ein Reich zurückzukehren, indem ich nichts anderes als Hass, Zorn, Schmerzen und Trauer erleben durfte! Es tut mir wirklich leid, aber ich durfte nicht solch ein unbeschwertes Leben wie du dort führen!"

"Unbeschwertes Leben?! Durch dich wurden wir verbannt, Meleth!", rief Calad wütend.

Diese Worte waren für die Brünette wie mehrere Schläge ins Gesicht. "Durch mich?", wiederholte sie mit brüchiger Stimme. Sie schnaubte verletzt auf. "Ich trage wie immer die Schuld. Wie früher", hauchte sie. "Wenn du das so siehst Calad Faen, bitte. Reite doch nach Lindon, wenn du so gerne wieder dort hin willst." Sie schüttelte leicht den Kopf. "Ich halte dich nicht auf." Dann drehte Meleth sich um und ging den Gang entlang.

Calad schien zu realisieren, was sie soeben gesagt hatte. "Meleth, ich... Ich meinte das doch nicht so...", versuchte sie es, doch ihre Freundin war schon längst verschwunden. "Ach verdammt!", rief sie frustriert und lief ebenfalls den Gang entlang, jedoch in die andere Richtung.

***

"Na wen haben wir denn da? Wo ist denn deine Freundin, die der König anscheinend so sehr mag?" Mit einem belustigten Grinsen sah Alanel Meleth herausfordernd an.

"Verschwinde, Alanel. Ich habe zur Zeit keine Nerven für dich", zischte Meleth schlecht gelaunt.

"Welch schlechte Laune", stellte der Elb entzückt fest.

"Hör zu du Mistkerl, wenn du meinen Umhang nicht hast, kannst du sofort wieder verschwinden!" Genervt sah Meleth in den Wald.

Alanel hob belustigt eine Augenbraue. "Ach ja? Und was ist, wenn ich nicht verschwinde?"

"Dann sehe ich mich dazu gezwungen dem König erneut etwas über dich zu erzählen. Meinst du nicht, dass er nicht schon genug von dir hat? Nun gut, nicht nur er..." Den letzten Teil murmelte sie.

Alanel lachte auf. "Verwöhnte Göre."

Meleths Blick verhärtete sich. "Wie bitte?", fragte sie fast schon emotionslos.

"Verwöhnte Göre", wiederholte er grinsend.

Meleth verengte die Augen und lief näher auf ihn zu. Dann schlug sie mit der Faust zu. "Du weißt nichts über mich, Alanel. Nichts. Wenn du mich noch einmal verwöhnte Göre nennst, wirst du dir wünschen mich nie so genannt zu haben", zischte sie. "Wenn du bei unserem nächsten Aufeinandertreffen meinen Umhang nicht hast, würde ich wenn ich du wäre, möglichst schnell fliehen." Sie verpasste dem eingebildeten Elb noch einen Schlag in sein Gesicht, dann verschwand sie wieder.

***

"Warum seht Ihr so betrübt aus?" Mit einem fragenden Blick sah der König die blonde Elbin an. Er lehnte an dem Türrahmen des Zimmers von Calad.

Überrascht sah Calad Thranduil an. "Thranduil... Was macht Ihr hier?", fragte sie verwundert. "Denkt nicht, dass es mich stört, aber mit Euch hätte ich am wenigsten gerechnet."

Der König schmunzelte. "Ich habe gedacht, dass ich deine Freundin bei dir finden kann, doch wie es aussieht ist sie nicht bei dir."

"Ich muss Euch enttäuschen, aber sie wird in der nächsten Zeit meinen Kontakt meiden. Entweder ist sie noch in Euren Hallen oder sie ist schon längst verschwunden... Wieso sucht Ihr sie?"

Thranduil betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich. "Eure Freundin scheint einen ziemlich festen Schlag zu haben." Fragend sah Calad den König an. "Alanel berichtete mir, dass Meleth auf ihn los ging. Er sieht schrecklich aus, wenn Ihr mich fragt. Darf ich?" Er nickte auf das Bett zu. Sie nickte. "Warum wird Meleth Euren Kontakt in nächster Zeit meiden?", fragte er und ließ sich neben Calad nieder.

Calad blickte auf ihre Hände. "Wir haben uns gestritten", sagte sie leise. "Ich habe etwas schreckliches zu ihr gesagt."

"Deshalb der betrübte Blick", stellte er fest.

Die Elbin schnaubte auf. "Zum Teil, ja." Nun sah der König die Elbin fragend an. "Ich habe bemerkt, dass Ihr mir etwas verheimlicht habt. Meleth fand es heute heraus, fragt mich nicht wie... Warum habt Ihr mir nicht gesagt, dass mein Vater vor langer Zeit starb?" Calad blickte Thranduil an.

"Ich dachte, dass Ihr es schon wusstet, aber dem war nicht so. Also wollte ich herausfinden wieso", gab der König zu.

"Und, habt Ihr herausgefunden wieso?", fragte Calad.

Thranduil schüttelte den Kopf. "Nein, ich hatte keinen Erfolg. Warum wusstet Ihr es nicht?"

"Ich wusste es nicht, da ich verbannt wurde", meinte Calad. Ihre Gedanken wanderten wieder zu Meleth.

"Verbannt? Wieso wurdet Ihr verbannt?", wollte der König verwirrt wissen. "Warum sollte Euer Vater Euch verbannen?"

"Meleth und ich taten etwas, was nicht geduldet wurde", sagte sie lediglich.

Verständnislos sah Thranduil die Elbin an. "Ich würde meinen Sohn nie verbannen, auch wenn er etwas schlimmes verbrochen hätte."

Calad zuckte mit den Schultern. "Mein Vater tat es."

Schattenkinder || Mittelerde FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt