Maya
Wir folgen Kylie und Aaron in einen großen Raum. Seit meiner Gefangenschaft im Labor habe ich mir die Fähigkeit angeeignet, alle möglichen, noch so kleinen und unwichtig erscheinenden Details sofort wahrzunehmen und sie mir einzuprägen. Meine Augen suchen die Ecken des großen Raumes ab - ich entdecke mehrere Wachposten, welche sich unauffällig im Hintergrund halten und die ich normalerweise vermutlich übersehen hätte.
Aus dem simplen Grund, dass sie durch ihre Montur eins mit dem Schatten zu sein scheinen. Ihre Gesichter sind kalt. Bloß in ihren Augen scheint das Feuer zu lodern, welches sie von den Beamten der Regierung unterscheidet.
Sie alle sind hier, um den Mann zu beschützen, welcher uns mit abschätzenden, aber dennoch freundlichen Blicken empfängt. Er sitzt an einem breiten Tisch, welcher aus dunkelbraunem, auf eine kühle Weise edel wirkenden Material angefertigt ist. Holz, schießt es mir durch den Kopf und mir wird bewusst, wie wenig es davon heutzutage nur noch gibt. Schon als Kind habe ich mir gewünscht, zu einem früheren Zeitpunkt auf dieser Erde gelebt zu haben. Keine alles kontrollierende Gesellschaft, kein manipulierendes System...
Bloß eine vor sich hin existierende, von mittlerweile ausgestorbenen Lebewesen wie Pflanzen oder Tieren umgebene, freie Menschheit - in der Natur, welche meine Generation und auch viele weitere davor nie zu Gesicht bekommen durften. Alls das Schöne, was auf diesem Planeten gemeinsam mit der Menschheit existierte und viel zu wenig geschätzt wurde - ehe die voran geschrittene Technik eben dieser Menschen alles Schöne und Seltene dieser Welt zerstörte, was ihnen nie hatte schaden wollen.
"Kylie", begrüßt der blonde Mann mittleren Alters die junge Kommandantin, woraufhin sie ihm respektvoll zunickt. Anschließend sein Blick zu dem Jungen mit den kupferfarbenen Haaren.
"Aaron." Dieser erwidert die Begrüßung und nennt den Mann beim Namen. "Nathaniel."
Obwohl ich bereits wusste, dass der Anführer der Rebellen so genannt wird, überrascht mich dieser Name nicht. Er passt zu ihm, auf eine Art, die ich nicht beschreiben kann. Während Kylie und Aaron beginnen, zu erzählen und sich dabei gegenseitig auf eine beinahe gruselige Art ergänzen, drehe ich den Kopf zu Derek.
Ein wenig angespannt nickt er mir zu. Obwohl er versucht, locker zu wirken, gelingt es ihm nicht wirklich. Langsam heben sich meine Mundwinkel. Überall ist es besser, als im Labor. Und um ehrlich zu sein, flößt Nathaniel mir keine Angst ein. Respekt, ja. Keine Frage. Aber auf eine positive Weise. Mein erster Eindruck über den Anführer der Rebellen ändert sich nicht, selbst nicht, als er mich direkt ansieht. "Dann bist du also die Auserwählte."
Derek
Ich verkrampfe mich impulsiv, wobei mir entgeht, wie Kylie sich ebenfalls versteift. Als würde ihr die Art, wie Nathaniel diesen Satz sagt, schwer zusetzen. Doch ich bin ganz mit meinem eigenen Ärger beschäftigt. Soll das eigentlich ein Witz sein?
Weder habe ich ein Problem damit, keine Aufmerksamkeit zu bekommen, noch nehme ich es Maya übel, dass sie von den Rebellen wie etwas Kostbares angesehen wird - immerhin bietet sie ihnen die optimale Waffe gegen den Feind, die Regierung. Doch ich bin es nicht gewohnt, dass man mir nicht mit Achtung oder Respekt begegnet. Beziehungsweise mich nicht einmal wahrnimmt. Aber mich hat die Art, wie Kylie mich ignoriert hat, als wäre Maya etwas Besseres als ich schlichtweg wütend werden lassen. Und nun macht der Anführer der Rebellen dasselbe.
Mich durchzuckt ein Gedanke. Ich bin überrascht, dass man andere wie etwas Besseres als mich behandelt - weil es zuvor immer andersrum war. Diese Erkenntnis lässt mich erschaudern. Meine Abscheu vor dem System wächst.
Nathaniel beginnt, Maya Fragen zu stellen.
"Diese Gabe, die du besitzt... Wie lange weißt du schon, dass du so etwas kannst?"
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Captured - Fehler des Systems
AdventureMein Atem geht flacher und ich weiche reflexartig zurück, bis mein Rücken an die schneeweiße Wand stößt, die sich selbst durch meine Kleidung hindurch anfühlt wie eine harte Eisfläche. Ich komme mir vor wie ein verletztes Tier, das von einem Jäger i...