Kapitel 20

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Derek

Nathaniel mustert uns abschätzend, während er sich in einer gefährlich lauernden Bewegung mit den Ellbogen auf der Fläche des dunklen Tisches abstützt.

„Wieso habt ihr euer altes Leben geopfert? Ihr seid Auserwählte, wieso solltet ihr das tun?", will er wissen. Merkwürdigerweise kommt es mir vor, als würde er die Antwort darauf bereits kennen. „Weil ich ein Laborprojekt war. Eine Gefangene", erwidert Maya kurz angebunden, als hätte sie das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. Sie zuckt brüsk mit ihren Schultern. „Außerdem wurden mir meine Erinnerungen an mein altes Leben sowieso genommen. Ich hatte nichts zu verlieren." Ihr letzter Satz klingt nicht so, als hätte sie die Absicht, taff zu wirken – im Gegenteil, ihr Blick beginnt, sich in der Leere aufzulösen.

Nathaniel nickt und wendet sich zum ersten Mal mit ehrlichem Interesse an mich. „Bei dir wird wohl das Gegenteil der Fall gewesen sein", bemerkt er und ich vernehme einen misstrauischen Unterton in seiner Stimme, „warum sollte ein Arzt so viel aufgeben?" Meine Antwort schießt automatisch aus mir heraus. „Ich wollte ihr helfen. Das war es wert."

Maya wirft mir einen überraschten Seitenblick zu. Auch mich selbst wundert es, dass dies mein Hauptgrund gewesen ist. Aber es stimmt. Wäre Maya nicht gewesen, würde ich noch immer im Labor dafür sorgen, dass den Feinden der Regierung die schlimmsten Dinge zustoßen. Ohne es zu hinterfragen. Wie ein Killer.

Doch Nathaniel nickt nur erneut. „Ich verstehe", murmelt er und ich hätte gelogen, wenn ich dasselbe von mir selbst behauptet hätte. Denn nach wie vor verwirrt mich alles, was sich in den letzten Monaten zugetragen hat. Nathaniel fährt mit seiner tätowierten Hand über die Oberfläche des Tischs. Sein Tattoo erinnert mich an die Haut eines Reptils - viele Schuppen winden sich seinen Arm entlang, ehe sie unter dem Stoff seines Hemds verschwinden. „Indicium", murmelt er. Durch das Wort, seine Stimme und die Bewegung seiner Hand wird ein Sensor ausgelöst und ein grell leuchtendes Hologramm erscheint über der dunklen Farbe des Tischs. „Was ist das?", frage ich irritiert, als ich die Nahaufnahmen, Schriften und Bilder entdecke, die aus den verschiedensten Teilen des Landes kommen.

„Neuigkeiten. Notfallberichte. Staatsgeheimnisse. Alles, was die Regierung plant, beschäftigt und vor der Masse geheim hält. Exakt kopiert und unbearbeitet."

Maya und ich wechseln einen ungläubigen Blick. „Warum zeigen Sie uns das?", will sie wissen, während ich Artikel für Artikel bestaune. „Weil ihr wissen sollt, was dort draußen vor sich geht und auf wessen Seite ihr davor gestanden habt", antwortet Nathaniel ernst - eine Spur zu ernst. Als würde mehr dahinter stecken. Viel mehr. Er beginnt, wischende Bewegungen mit der Hand auszuführen, nach bestimmten Informationen zu suchen. Die Artikel fliegen durcheinander – es ist ein Gemisch aus zwei Farben.

„Alles was ihr seht, das grün ist, sind die echten Informationen. Rot ist das, was die Zivilisten sehen und glauben." Ich entdecke grün eingerahmte Fotos – Maya, wie sie mir auf dem Flur die Spritze an den Hals hält. Das Bild muss entstanden sein, ehe die Technikerinnen auf Befehl hin alle weiteren Kameras ausgeschaltet haben. Unbewusst lächele ich bei der Erinnerung daran, wie es gewesen ist, Maya so blind zu vertrauen und sich auf ihre verrückte Idee einzulassen.

Es fühlt sich an, als wäre all das vor Ewigkeiten passiert...

Nathaniel tippt ein Video an, welches hellgrün gekennzeichnet ist. Kameras, offenbar kleine Drohnen, zeigen Maya und mich.

Hustend rennen wir aus dem Gebäude, welches früher einmal mein Arbeitsplatz gewesen ist. Wir halten den Stoff unserer Kleidung vor Mund und Nase, um uns vor dem Gas zu schützen, das die Beamten eingesetzt haben.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 26, 2016 ⏰

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