Kapitel 4

158 21 2
                                    

                  

Derek

„Vorgang abgeschlossen. Zielperson eliminiert."

Ertappt fahre ich zusammen, entspanne mich jedoch sofort wieder. Bei der monotonen, metallisch klingenden Stimme, welche jede Silbe auf eine merkwürdig unnatürliche Art betont, handelt es sich um nichts als eine Audiodatei, deren Schallwellen der Mikrochip an meinem Ohr in Nervenimpulse umwandelt - ehe er diese an mein Gehirn weiterleitet.

Beruhigt atme ich aus. Es ist keine Bedrohung vorhanden, alles ist gut.

Im selben Moment könnte ich über mich selbst lachen. Wovor sollte ich Angst haben? Ich habe nichts verbrochen, im Gegenteil, ich handele im Interesse der Regierung. Genau so, wie es mir seit meiner Geburt aufgetragen wurde.

Wie es jedem von uns seit der Geburt aufgetragen wurde. Die Regierung prüft unsere Talente, vergleicht einzelne Ergebnisse miteinander und wählt letztendlich diejenigen unter uns aus, die es wert sind, zur Elite zu gehören. Der Rest landet in der Arbeiterfraktion, einem Haufen nutzloser Individuen, welche nur dahinexistieren. Oder sie enden als Forschungsprojekt. Es ist unterschiedlich.

Je nachdem, welche der gefragten Fähigkeiten man besitzt, beispielsweise einen ausgesprochen hohen IQ, bekommt man eine Positionierung in der Gesellschaft. Ich hatte Glück oder besser gesagt, ich bin es wert. Niemand konnte sich mit mir messen, ich war von Anfang an dazu bestimmt, Großes zu erreichen. Das wurde mir spätestens bei der Vollendung meines Tattoos klar, welche erst vor zwei Monaten stattgefunden hatte.

Genau zu dem Zeitpunkt, an dem mir dieses unfassbar wichtige Experiment zugeteilt wurde.

Ich tippe den Mikrochip in meinem ledernen Armband an, um die Audiodatei unwiderruflich zu löschen. Auch ohne die Benachrichtigung hätte ich genau gewusst, dass der Versuch, einen weiteren Feind der Regierung zu beseitigen, erfolgreich verlaufen ist.

Sein schlafendes Bewusstsein ist augenblicklich erloschen, sobald ich das Mädchen dazu gebracht habe, vom Balkon springen, mehrere hundert Meter in die Tiefe.

Wie immer frage ich mich, wie es sich wohl für sie angefühlt hat, dem Tod so nahe zu sein... zumindest, ehe ich sie aus dem Körper des Mannes zurück in ihren eigenen beförderte.

Für mich ist es mit jedem Mal interessanter, bei dem Vorgang zuzusehen. Mein Computer ist mit dem Mikrochip verbunden, der ihr Bewusstsein kontrolliert, was bedeutet, dass jeder ihrer Träume automatisch live auf meinem Monitor übertragen wird. Ganz egal, ob ihr Bewusstsein sich in ihrem eigenen oder einem fremden Körper befindet. Nur so kann ich ihr Verhalten und die Funktionsweise ihrer Fähigkeit am besten analysieren.

Jedes Mal, wenn ich das Mädchen betäube und ihr Bewusstsein in den Körper der Zielpersonen befördere, welche die Regierung mir vorgibt, bleibe ich während des kompletten Prozesses vor dem Computer sitzen.

Einerseits weil ich darauf achten muss, dass der Auftrag erfolgreich verläuft und somit die Möglichkeit habe, einzuschreiten, falls dies nicht der Fall ist... andererseits, weil es mich fasziniert, wie dieses Mädchen mithilfe ihrer Gabe die Kontrolle über einen fremden Körper übernehmen kann.

Als wäre sie eine skrupellose Puppenspielerin, welche sich ihre Marionetten der Reihe nach aussucht und diese dann auf eine grausame Art beherrscht. Sie dazu zwingt, Dinge gegen ihren Willen zu tun.

Nur dass die Marionetten echte Menschen sind. Es ist eine machtvolle, jedoch durchaus grausame Gabe. Meine Mundwinkel heben sich in einem spöttischen Lächeln.

Grausam, was bedeutet dieser Begriff in der heutigen Welt schon?

Ist es grausam, so eine machtvolle Gabe als tödliche Waffe zu benutzen? Wohl kaum.

Captured - Fehler des SystemsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt