Kapitel 20

6K 389 134
                                    

»Wieso hast du dann kein Fahrrad bei dir?«, fragte er und blickte konzentriert auf die Straße.

Ich seufzte. »Sie hatten keins mehr zum Verschenken und Geld, um eins zu kaufen habe ich nicht.«

Armando sagte nichts mehr und ich wusste, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Wir unterhielten uns, als wäre vor wenigen Minuten nichts geschehen. Es hätte auch nicht wirklich etwas geben können, was passend gewesen wäre. In diesem Moment verließen wir das Industriegebiet und ich atmete direkt erleichtert aus

War das merkwürdig, dass wir uns so verhielten? Ja, definitv!

War es richtig sich so zu verhalten? Ich wusste es nicht...

»Soll ich dich nach Hause bringen?«, fragte er, als wir an einer Ampel hielten.

»Fährst du denn nach Hause?«, fragte ich stattdessen und blickte ihn fragend an. In diesem Moment fühlte ich mich unglaublich wohl. Das war so ziemlich das einzige, was ich wirkich wusste.

Armando hatte eine Wirkung auf mich, die ich nicht einordnen konnte und ihn hier neben mir zu wissen, beruhigte mich gewissermaßen. In seinem Auto vereinnahmte mich seine Anwesenheit gänzlich. Neben der Tatsache, dass er anwesend war, schwebte sein Duft in der Luft und ich hätte Stunden hier verbringen können. Das warme und weiche Leder garantierte einen wirklich ausgesprochen guten Sitzkomfort und die leise Musik, die aus dem Radio spielt bot zusätzliches Feeling für einen Roadtrip. Gerne würde ich stundenlang durchs Land fahren und die atemberaubenden Landschaften aus dem Fenster bewundern.

»Woran denkst du?«

»An einen Roadtrip durchs Land.«, sagte ich ohne groß zu überlegen. Ich wusste, dass ich mich damit selbst nir von dem Chaos in meinen Gedanken ablenken zu versuchte.
Und dann dachte ich daran, das dies ihn nächster Zukunft sowieso nicht realisierbar war, lenkte ich vom Thema ab, um nicht weiter in Gedanken zu schwelgen und an hoffnunglose Träume zu denken. Mir fiel auf, dass ich in letzter Zeit, oft von Themen abgelenkt hatte, die mich betrafen. Ich blickte aus dem Fenster und stellte fest, dass wir an beinahe jeder Ampel stehen bleiben mussten, weil sie direkt auf Rot schaltete, sobald wir ihr und näherten.

»Wieso warst du im Industriegebiet?«, fragte ich.

»Darf man etwa nicht als normaler Bürger ins Induriegebiet?«, fragte er im Gegenzug. Er wich meiner Frage gekonnt aus, so dachte er zumindest, doch ich ließ mich nicht beirren.

»Du bist aber kein gewöhnlicher Bürger.«, argumentierte ich skeptisch.

»Bin ich das nicht?«

»Du weißt, was ich meine.«, sagte ich und ließ nicht locker, »Du weichst meiner Frage aus.«

Ich blickte ihn an. Drehte meinen Oberkörper in seine Richtung. Wollte ihm zeigen, dass ich eine richtige Antwort verlangte. Ich war kein wirklich neugieriger Mensch, aber Armandos Verhalten war wirklich merkwürdig und vielleicht konnte ich so ein wenig mehr über ihn erfahren. Kurz fragte ich mich, ob er und seine Familie nicht doch in illegale Geschäfte verwickelt waren.

»Du bist ganz schön neugierig.«, stellte er fest, was mich lächeln ließ. Ich lächelte. Das war so verwirrend... Ich verstand einfach gar nichts meht.

»Du machst dich immer verdächtiger, mein Lieber.«

»Und du solltest öfter lächeln«, ignorierte er meine Aussage.

»Sollte ich?«

Er zuckte mit den Schultern.

»Ja, es dir steht. Soll ich dich nach Hause fahren?«

»Bring mich zu dir.«

»Bitte?« Er blickte mich mit großen Augen an, als wir wieder an einer Ampel stehen blieben.

»Ich bin mit Lidia und deiner Schwester zu einer Backmarathon verabredet.«

»Ah...«, er zog das Ah in die Länge und fragte interessiert, »Für das Straßenfest, stimmt's? Isa ist total aufregt deswegen.«

»Das habe ich mitbekommen.«, meinte ich dann bloß und musste bei dem bloßen Gedanken an die motivierte Isa grinsen.

»Sie mag euch. Sie hat euch in kurzer Zeit sehr ins Herz geschlossen. Weißt du... es... sie hat es nicht einfach, was ehrliche Freundinnen angeht. Sie kennt aufrichtige Freundschaften nicht.« Armando sah mich kurz und ernst an, bevor er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte.

»Wenn ihre Freunde«, er betonte das Wort mit sarkastischem Tonfall und machte einen angeekelten Gesichtsaussdruck, »etwas mit ihr unternehmen wollen, dann hat es immer etwas mit Geld zu tun. Gemeinsame Maniküre, schick Essen gehen oder Clubbesuche und wer bezahlt alles? Sicher nicht ihre tollen Freunde!«

Er war wütend. Sehr wütend. Das war aber verständlich, dass ihn das so mitnimmt, schließlich ging es um seine Schwester. Ich war ein wenig überrascht, dass er mir gegenüber so emotional wurde, aber hörte still zu.

»Weißt du, es geht nicht ums Geld. Davon haben wir genug. Das klingt vielleicht arrogant, aber es ist eine Tatsache und ich bin mir sicher, du bist intelligent genug, das als dieses zu sehen. Jedenfalls geht es ums Prinzip. Denkst du diese tollen Freunde würden gemeinsam mit ihr Backen oder sie auf ein Straßenfest einladen? Ich glaube die Antwort ist klar.«. Wir kamen in das Wohnviertel, in dem die Pereiras wohnten. Armando war immer noch nicht zu Ende und ich hörte weiterhin zu.

»Weißt du, was ihre Freundinnen getan haben, nach dem Abend im La rosa negra? Sie haben sich mit halbem Interesse erkundigt wie es ihr geht und dann sind sie wieder in den Club abgehauen. Wenn sie Isa gefragt haben, ob die mal wieder in einen Club gehen, habe ich gedacht mich trifft der Schlag. Ich war so wütend, das glaubst du gar nicht Lucìana. Natürlich hat Isa abgesagt. Ich hätte sie ohnehin nicht aus dem Haus gelassen, aber darum geht es nicht. Sie haben sich seitdem nicht einmal blicken lassen. Ich sehe, dass Isa den ganzen Vorfall nicht vergessen hat, aber das interessiert diese Schlampen nicht. Weißt du, was sie stattdessen gemacht haben? Sie haben sich wie prostituierte angezogen und sind bei mir und den Jungs aufgekreuzt. Wir saßen im Garten und haben gegrillt. Sie sind gekommen, ohne Isa zu besuchen und haben sich wie auf dem Strich angeboten!«

Mittlerweile waren wir vor dem großen Anwesen angekommen. Armando hatte das Auto vor dem Haus abgestellt und es schien, als wäre er noch lange nicht zu ende. Doch ich ließ ihn reden, denn ich spürte, dass er das brauchte. Dass er sich dies von der Seele reden musste und auch wenn mein Herz mit jedem Wort mehr und mehr schmerzte, unterbrach ich ihn nicht.

Armando machte eine kurze Pause und holte tief Luft. Er hatte ohne Komma und Punkt gesprochen. Die ganze Fahrt über war ich ihm zugewandt und hatte ihn angesehen. Armandos Blick hingegen war immer noch nach vorne gerichtet. Er blickte einfach starr in die Ferne.

»Armando.«, ergriff ich das Wort, doch er sprach direkt weiter.

»Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht damit belästigen. Es macht mich nur so unglaublich wütend.«

»Ist schon in Ordnung.«, sagte ich und lächelte.

Armando drehte seinen Kopf und sah mich an. »Was ich eigentlich sagen will ist, dass ich froh bin, dass sie euch kennengelernt hat. Die Umstände waren vielleicht nicht gerade... günstig.« Das waren sie wirklich nicht.

»Ich bin auch froh, dass ich sie kennengelernt habe. Lidia genauso. Du solltest übrigens mit ihr zum Straßenfest kommen. Isa würde sich bestimmt freuen.«, ich lächelte dabei, da ich schon ahnen konnte, wie sie schon völlig motiviert zwei Stunden vorher fertig war, ungeduldig auf ihren Bruder wartete und mehrmals vom Treppenanfang nach oben zu ihm rief, er solle sich doch beeilen.

»Jedenfalls brauchst du dir keine Sorgen um sie und unsere Freundschaft zu machen.«, sagte ich schließlich.

»Ich weiß, Lucìana. Ich weiß...«, sagte er und es war ein halbes Flüstern. Einige Sekunden blickten wir uns nur an und keiner sagte etwas.

El precio del amor - Der Preis der Liebe #TeaAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt