8 - Warum redest du nicht, Darren...?

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Wie sehr sie auch die Rosenhexe nicht ausstehen konnte, ihre Seminare waren immer sehr interessant. Und da sie kein wirkliches Risiko auf "Sitzen bleiben" oder schlecht-bewertet-werden hatte, sie musste bloß einen Sitzschein machen und so konnte sie ganz gelassen ihre Veranstaltungen wählen. Bei einem Sitzschein musste man bloß ein Semester über anwesend sein, mehr auch nicht.

Darren schien sich zu trauen, weil es seine eigene Tante war. Durfte sie ihn überhaupt unterrichten? War das gesetzlich legal? Das war eine andere Frage.

Ella saß sich bewusst von ihm weg. Das schien ihn nicht besonders zu stören. Es dauerte nicht lange und die kleine, aber mit all ihrem Körper und ihrer Präsenz Strenge und Disziplin ausströmende Rosenhexe trat in ihren Seminarraum und startete nach einer kurzen Begrüßung ihr Seminar. Ihr Blick fiel schnell auf den ihres Neffen und sie erwärmte für einen Moment, doch sonst zeigte sie keinerlei Veränderungen in ihrem Verhalten. Die ganze Familie ist eiskalt, dachte sich Ella.

Das Seminar begann.

Sie sprachen über die Sprache und ihre Wichtigkeit, in der Tierwelt, aber vor allem auch für die Menschen. Lange schwieg Ella und hörte einfach zu. Bis sich ihr eine Gelegenheit anbot, die sie einfach nicht an sich vorbeiziehen lassen konnte.

„Ein Mensch ist ohne die Fähigkeit des Sprechens kein wirklicher Mensch. Erst die Möglichkeit einzelne Gegenstände und Aktivitäten zu benennen, befähigt den Menschen zu seinem menschlichen Status. Und mit dem Geschick eines noch viel höheren Können, besteigen wir endgültig die Stufe vom Tier zu einem Menschen. Wovon ist hier die Rede?"

Ella meldete sich.

„Ja, die Dame rechts."

„Vielleicht die Emotionen und Gefühle?"

„Wie genau meinen Sie das?"

„Wenn ein Mensch in der Lage ist, nicht nur sein Verhalten in Worte zu fassen, sondern auch das, was er fühlen kann, dann ist das vielleicht die höchste Stufe?" Nicht willentlich wich ihr Blick zu Darren rüber.

„Exzellent." lobte sie die Rosenhexe.

Ella ergriff jedoch noch einmal das Wort:

„Kann ich ihnen aber vielleicht eine kurze Frage dazu stellen?" Überrascht von dem tieferen Interesse von Ella, bejahte sie ihre Frage.

„Also sollte man sich unterhalten und miteinander reden, habe ich das richtig verstanden?" sie betonte das sollte.

„Genau das ist es, was uns von den Tieren unterscheidet! Menschenskind! Sprechen sie! Reden sie! Allein deswegen wurden wir erschaffen!"antwortete sie recht euphorisch zurück.

„Kann ich noch eine Frage stellen?"

„Nurzu."

„Was tut man dann wohl ihrer Meinung nach mit Menschen, die sich vehement dagegen wehren, sich in eine Unterhaltung einzubringen? Oder die sogar vor Unterhaltungen flüchten?" Sie musste zugeben, ihre Frage war äußerst riskant. Sie sah Darren bei ihren Worten direkt an und auch sein Blick war der ihrem zugewandt. Sein Gesicht war jedoch steinkalt. Ihr Herz pochte stark gegen ihren Brustkorb. Ihr Mut war soeben wieder zurückgekehrt und nun versuchte sie Darren nicht allzu stark den Triumph ihres Sieges zu zeigen.

„Man sollte sie zwingen! Man muss sie sogar zwingen!"

Und dann erschrak Ella, als Darren plötzlich seinen Mund öffnete und mit einer Frage hineinplatzte. Seine Stimme war bestimmt und zeigte keinerlei Verärgerung oder sonstige Gefühle.

„Sollte man hier nicht eine Gewichtung legen? Wenn man vom Unterhalten spricht, dann kommen einem allerlei Dinge in den Sinn. Banale Alltäglichkeiten. Belanglose Schwärmereien. Unehrliches Lob. Lügen. Schmeicheleien. Langweilige Details, für die sich niemand wirklich interessiert. Egozentrische Gespräche. Gehört denn all das auch in eine Unterhaltung, die ein Tier vom Menschen unterscheiden soll? Warum sollte durch eine Unterhaltung über eine neue Haarfarbe der Mensch eine Stufe höher stehen, als das Tier? Genauso könnte sich ein Löwe in seiner löwischen Sprache seinem Löwenfreund gesagt haben, wie schön es war, die letzten zwei Stunden faul in der Sonne zu liegen!"

Während er die Frage stellte, wich sein Blick keine Sekunde von Ella. Eine Gänsehaut macht sich in ihr breit. Sie fing gerade an zu bereuen, dass sie ihn herausgefordert hatte, da verdrängte sie diesen Gedanken auch schon wieder. Ihr Mut ließ sie diesmal nicht im Stich.

„Ich stelle diese Frage in den Raum..." sagte die Rosenhexe mit einem belustigten Gesichtsausdruck. Vielleicht fiel ihr die Feindschaft zwischen Ella und Darren auf.

„Niemand sagt, dass man sich nur über die höheren Ideale, Emotionen oder Philosophien unterhalten muss, nur weil man ein Mensch ist... Der Mensch ist nun mal ein Mensch und was uns auszeichnet, ist ja wohl auch die Freude über eben dieses Belanglose reden zu können! Der Spaß über die Absurdität im Leben! Und man hat sicherlich nicht das Recht jemanden abwertend zu betrachten, bloß weil dieser auch mal gerne über einfache Dinge im Leben redet!" sprach Ella hart.

„In meinen Augen besteht da kein Unterschied zu den Tieren." erwiderte er.

„In meinen Augen ist das bloß eine billige Ausrede, um seine Eitelkeit und seine Arroganz wortlos auszusprechen, damit man sich besser fühlen kann, als das gemeine Volk!"

Mit den Worten beendete die Rosenhexe den Unterricht. Die Diskussion hatte ihr gefallen, das merkte man ihr an.

Ella - der Genuss von Stolz und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt