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Ich stolperte in mein leeres Haus. Natürlich war ich stark genug, die Bücher zu tragen, aber ich hatte sie so ungeschickt gestapelt, dass ich kaum sehen konnte, wohin ich trat.

Ich ließ die Bücher auf meinen Couchtisch poltern. Das dünne Gestell erzitterte, brach aber glücklicherweise nicht zusammen. Dann ging ich in die Küche.

Um mich von meinem quälenden Durst abzulenken, brauchte ich mehr Tee. Die meiste Zeit gelang es mir, ihn zu ignorieren, aber jetzt wurde es immer schwerer. Wann hatte ich das letzte Mal Blut saugen können? Sicherlich war das schon zwei Nächte her. Irgendwann musste ich nachgeben und endlich etwas zwischen die Zähne bekommen. Vielleicht würde ich einfach warten, bis es noch dunkler wurde, dann eine Spaziergang unternehmen und mich ausrauben lassen.

Am Kühlschrank hing ein mit Marinarasoße beschmierter Rezeptzettel, auf den eine Notiz gekritzelt war. Niall weigerte sich standhaft, Servietten zu benutzen. Unglaublich, er sah so proper und gepflegt aus und war solch ein Ferkel.

Ich trat näher und las:


Hallo, verehrter Vampirkönig. Hoffe, der Nachhilfekurs mit Wie-heißt-er-noch-Mal ist gut gelaufen. Wenn er dir dumm kommt, übernehme ich ihn gerne. Zayn kommt spät, er arbeitete heute Abend im Foot. Und ich habe diese Woche Nachtschicht. Im Kühlschrank brauchst du gar nicht erst nachzuschauen, wir haben die ganze Milch leer getrunken. Vielleicht bringe ich ein paar Patientenakten mit, die wir uns angucken können. Hungrig?

N.


Niall hatte es faustdick hinter den Ohren! Er hatte seinen Plan, eine Art Bürgerwehr der Untoten zu gründen, noch nicht aufgegeben. Und beim jetzigen Stand der Dinge war das noch nicht einmal der schlechteste Plan, wie ich zugeben musste. Wenn die Sache nur nicht mit so viel krimineller Energie verbunden gewesen wäre! Und einmal von mir gebissen, würden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit langsam zu Tode siechen. Auch das gefiel mir nicht recht.

Und warum gab es keine Milch? Verdammt, ich hasste Tee ohne Milch, oder zumindest Sahne.

Gerade trank ich meine dritte Tasse Tee ohne Milch und war ganz vertieft in meine Lektüre von Kirche und Untote: Eine Geschichte, als Zayn hereinkam und mich auslachte. Daran war ich gewöhnt. Ich lümmelte mich auf der Couch in meinem Sushi-Pyjama, an den Füßen Pantoffeln in der Form von Monstertatzen. Der Couchtisch war unter Büchern begraben, und im DVD-Player lief Vom Winde verweht. Der beste Film der Welt!

„Gemütlich?", grinste er. Er warf seinen Schlüssel in eine Schale neben dem Telefon und ließ seine Aktentasche in eine Ecke fallen, in der er morgen früh eine halbe Stunde nach ihr suchen würde.

„Hausaufgaben", sagte ich düster. „Wenn ich nicht tot wäre, hätte ich jetzt schlimme Kopfschmerzen."

„Was zum Teufel liest du da?"

„Hör dir das mal an: Per definitionem sind Kirchen und Untote dazu verurteilt, in Feindschaft miteinander zu leben. Siehe Index VII, XXIII und XVII. Ich verbringe so viel Zeit damit, die blöden Fußnoten nachzuschlagen, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich hier eigentlich lese."

Er kam zu mir herüber und starrte die Folianten an. „Jesus", er hörte sich beeindruckt an, was selten genug war, „was sind das für Bücher?"

„Supergeheimes Vampirzeug. Anscheinend gibt es untote Künstler, Autoren, Banker, Kammerdiener ... blablabla. Und nachdem sie tot sind, machen sie eben solches Zeug hier. Vielleicht gibt es auch eine Bestsellerliste für Untote?"

„Wie lange sitzt du schon daran?"

„Eine endlose halbe Stunde! Ich brauche dringend eine Pause."

Männlich, Ledig, Untot (Larry Stylinson) *Abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt