9. Kapitel: Die Reise nach Ranelle

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Blut floss aus meiner Brust, verursachte stechenden Schmerz. Das Schwarz vor meinen Augen verblasste, nahm wieder klare Konturen an. Ich rappelte mich wieder auf, hielt krampfhaft meine Hand an meine Brust. Ich hörte ein lautes Schluchzen der Erleichterung, als ich halbwegs wieder gerade stehen konnte. Taro und Betty standen mit feuchten Augen am Tor und beobachteten mich, wie ich minutenlang versuchte am Tor anzukommen. Sie hatten wohl geglaubt ich wäre tot. So wie ich. Dass ich noch stehen konnte grenzte an ein Wunder, angesichts der Tatsache, dass ein glühender Pfeil in meinem Brustkorb steckte und versuchte mein Fleisch auszubluten.

Ich hielt mich mit der anderen Hand am rostigen Gitter des Tores fest, das mit Blut verschmiert war, wie ich soeben feststellen musste. Meine Brust war zugeschnürt, kein Ton entwich meiner Kehle, mein Kopf drohte zu explodieren, aber ich konnte gerade noch verstehen, was Taro mir voller Panik erzählte. Link war da. Er war hier und raste König Bulblin hinterher, um Colin zu befreien. Endlich. Es gab nun einen Lichtblick für Kakariko, oder vielmehr für ganz Hyrule. Ich hätte ihn nicht unterschätzen dürfen. Der einzige Grund weshalb er nicht schon vor wenigen Tagen bei uns war, war einfach der, dass es Menschen gab, die ihn mehr brauchten als wir. Daran hatte ich nie gedacht. Das tat mir leid. Ich war nicht wie meine Schwester Yorja, die immer zuerst an andere dachte, aber ich sollte es wohl versuchen.

Durch das Gitter und aufgrund der hohen Entfernung konnte ich nicht viel erkennen. Anhand der Szenen, die sich einige Minuten vorher abspielten, konnte ich mir ausmalen, wie sich der Junge mit dem grünen Gewand einen Kampf auslieferte, der einer Verfolgungsjagd glich. Ich konnte mir gut vorstellen, dass es für ihn mehr bedeutete den Jungen zu befreien als mir. Er kannte und lebte mit ihm. Zugern hätte ich den Kampf gesehen, aber mein Kreislauf war da wohl anderer Meinung. Emile würde sagen, dass ich mich sofort in die Ambulanz begeben sollte, doch es gab keine Ärzte mehr hier. Ich hätte also auch ruhig am Tor stehen bleiben können, ich wäre vermutlich sowieso bald gestorben. Plötzlich merkte ich wie ich vor dem Tor kauerte, meine Hand noch immer am Gitter, die andere an meiner Brust, die Finger um den Pfeil. Meine Knie berührten den Boden, hinterließen Abdrücke und Schürfwunden an meinen Schienbeinen. Mein Körper begann zu schwitzen, mein Blick verschwamm. Ich wurde plötzlich müde und ich war mir nicht sicher, aber vermutlich fühlte sich so der Moment vor dem Tod an. Normalerweise sah man sein ganzes Leben an einem vorbeiziehen, aber ich sah nur wie Link mit Colin in den Armen, dem Tor näher kam. Nun musste ich mir keine Sorgen mehr machen. Meine Hand ließ das Gitter los und ich ließ mich zur Seite fallen, wie ein Baum. Betty begann wieder zu weinen, während ich keuchend dalag und anfing Blut zu spucken. Sie kroch zu mir herüber, legte ihre kleine Hand auf meine Schulter.

„Ich wollte das alles nicht...", wimmerte sie leise.

Ich wusste nicht weshalb sie sich die Schuld dafür gab, konnte ihr auch nicht sagen, dass es nicht an ihr lag, doch meine Mundhöhle war mit Blut überfüllt und völlig wirkungslos. Kurioserweise blieb mein Bewusstsein bei mir, vielleicht weil ich schon zu oft in Ohnmacht gefallen war oder weil mir die Wunde schlimmer vorkam als sie eigentlich war.

Ich zuckte etwas zusammen als sich plötzlich Arme um meinen Körper schlangen, blieb aber sonst regungslos. Die mit Schienen geschützten Arme des jungen Mannes hoben mich hoch, ich schaute in seine blauen Augen und schlagartig fiel mir ein, wie er mich darum bat, die Stellung zu behalten und wie er sagte, er könnte nicht überall sein. Ich wollte mich bei ihm entschuldigen, brachte auch etwas heraus, das sich mit viel Fantasie wie eine Entschuldigung anhörte, war aber in Wahrheit Blut, das ich aushustete. Mit großer Vorsicht trug mich Link in ein Bett im Hotel. Bevor er ging, hielt ich ihm am Arm und versuchte erneut etwas zu sagen, schaffte es jedoch nicht. Ich schüttelte lediglich den Kopf, wollte damit sagen, dass es unverzeihlich von mir war. Wie ich ihn unterschätzte, die Kinder nicht beschützen konnte und nun eine weitere Patientin war, wie der blonde Junge neben mir, dessen Gesicht voller Hämatome abgebildet war. Meine Geste schien wirkungslos und ich lockerte meine Hand wieder, ließ sie fallen. Link setzte sich auf den Stuhl neben mir, sagte nichts, beobachtete mich nur. Ich konnte seinen leeren Blick nicht beurteilen. Konnte ihm keinem Gefühl zuordnen. Er war vermutlich enttäuscht oder sauer...aber er lächelte.

The Legend Of Zelda: Accursed MemoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt