Kapitel 18

644 39 4
                                    


Kapitel 18

Élothin war in den Stall gegangen, um die Pferde mit Futter zu versorgen, während Eowyn versuchte ihren Onkel zur Vernunft zu bringen.

„Das kann nicht dein Ernst sein, Onkel. Du darfst Éomer nicht verbannen!", flehte Eowyn Théoden an, doch er reagierte nicht. Stattdessen starrten seine Augen abwesend durch sie hindurch. Eowyn senkte den Kopf, um ihre Tränen zu verbergen. Das durfte nicht wahr sein! Was hatte Grima nur mit ihrem Onkel angestellt?! Ohne Éomer und seine Krieger war Edoras machtlos, wenn sie angegriffen würden. Wieso hatte Théoden Grima nur vertraut... Grima war das Schrecklichste was Edoras je passiert war.

Sie gab es auf, vor Théoden zu knien und ihn anzuflehen und ging zu Theodreds Gemach. Wenn Théoden schon nicht hörte, dann wollte sie wenigstens bei Theodred sein, solange er noch lebte, und für ihn da sein.

Theodreds Gemach war leer, bis auf Theodred natürlich, der bleich und ausgemergelt in dem grossen Bett lag.

„Theodred", flüsterte Eowyn und setzte sich auf die Bettkante, „Ich bin es, Eowyn."

Theodred stöhnte etwas Unverständliches, doch seine Augen blieben geschlossen.

„Sie haben Éomer verbannt", murmelte Eowyn traurig. Eigentlich wollte sie Theodred nicht noch mehr belasten, aber sie musste es einfach loswerden.

„Ich will nicht, dass du mich auch noch verlässt", fuhr sie leise fort. Tränen bahnten sich wieder ihren Weg nach draussen. Theodred bewegte seine Hand und blinzelte müde. Auf seiner Stirn waren Schweissperlen.

„E..owyn...", presste er mit heiserer Stimme hervor.

Eine Träne kullerte über Eowyns Wange, doch sie wischte sie fort.

Sie nahm seine Hand und drückte sie sanft.

„Ich bin hier.", beruhigte sie Theodred und blinzelte ihre Tränen weg. Theodred atmete nur noch ganz flach, seine Augenlider flatterten.

„Sei...ta..", Theodred schluckte krampfhaft, „tapfer". Er vollendete den Satz mit seiner letzten Kraft, dann entspannte sich sein Körper und sein Kopf kippte zur Seite.

„Theodred", flüsterte Eowyn verzweifelt und rüttelte an seinem Arm.

„Du darfst nicht gehen", flehte sie ihn an und legte ihren Kopf auf seine Brust. Sie schloss die Augen, als versuchte sie, alles auszublenden und ungeschehen zu machen. Heisse Tränen brannten in ihren Augen und ihre Mundwinkel zuckten.

„Bitte.", schluchzte sie. Doch Theodreds Geist hatte seinen Körper verlassen und begab sich auf eine Reise in eine unbekannte Welt mit weissen Stränden und fernem, grünem Land.

***

Weinend begab sich Eowyn zurück zu Théoden, der noch immer schlaff auf seinem Thron sass.

„Onkel", flüsterte Eowyn mit gebrochener Stimme. Théoden gab nur ein undeutliches Gemurmel von sich und starrte Eowyn mit seinen milchig weissen Augen an.

„Theodred...er ist gestorben", Eowyn versuchte nicht zu schluchzen, doch eine unendliche Trauer erfüllte ihr Herz und zog sie hinunter. Sie sank auf ihre Knie und wimmerte leise. Der Blick des Königs fiel auf Eowyn und er zog langsam die Augenbrauen zusammen. Er stöhnte leise, als ob er etwas sagen wollte, doch keine Worte fanden den Weg über seine Lippen. Er sass nur stumm da und blickte abwesend zu Boden.

Eowyn wusste nicht, was sie für ihn tun konnte, sie wusste überhaupt nicht mehr, was zu tun war. Sie stemmte sich hoch und verliess den Thronsaal. Sie war auf dem Weg zum Stall, wo sie Élothin vermutete. Eowyn brauchte dringend jemanden, mit dem sie reden konnte.

Sie stiess das Tor auf und entdeckte sofort Élothin, die Navaro striegelte. Sie war in Gedanken versunken, doch als sie Schritte hörte, sah sie auf. Und es brauchte keine Worte – Élothin wusste, was geschehen war.

Sie legte die Bürste hin und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. Dann ging sie zu Eowyn und nahm sie tröstend in die Arme. Sie wusste, wie es sich anfühlte. Diese endlose Leere, die einen ausfüllte, obwohl sie doch genau genommen nichts war. Ein Schmerz, der schlimmer war als jede Verletzung, die durch ein Schwert verursacht werden konnte.

„Er war wie ein Bruder für mich", wisperte Eowyn leise.




Don't go where I can't followWo Geschichten leben. Entdecke jetzt