Also trat ich aus dem Verein aus. Ich konnte einfach nicht mir ansehen, wie sich Anni in der Gegenwart von Nicole veränderte. Sie wurde eine von den Mädchen, für die Aussehen das Wichtigste auf der Welt ist. Und dazu waren alle Mittel richtig. Seien es fünf Tonnen Make-Up oder Diäten, um dünn zu werden. Also eine von den 'coolen' Mädchen, die nichts für die Schule machen mussten, weil sie schon irgendeinen Jungen mit ihrem Wimpernaufschlag dazu brachten, ihre Hausaufgaben zu machen.
Deshalb verbrachte ich die meiste Zeit der 6. Klasse damit, mich zu fragen, was ich falsch gemacht habe. Und was ich machen sollte, da ich den ganzen Tag zu Hause saß. Letzteres wurde mir schnell beantwortet, da ich mich sehr oft mit Janine traf.
In der 7. Klasse fing dann mein Selbsthass an. Damit meine ich, ich verliebte mich. In ihn. Das hat sich bis heute nicht geändert.
Und es wird sich auch nichts ändern. Nichts an dieser ganzen scheiß Situation wird sich je ändern.
Auf jeden Fall musste dann auch noch Janine umziehen. Nach München, also in eine ganz andere Ecke Deutschlands. Und somit stand ich dann alleine da. Mit meinem Selbsthass und meiner Rasierklinge.
In der Mitte der 7. Klasse hielt ich es nicht mehr aus, allein und dann auch noch unglücklich verliebt zu sein. Deshalb begann ich mich zu ritzen. Der körperliche Schmerz war gar nichts im Vergleich zum seelischen. Deshalb machte es mich glücklich. Das hatte ich verdient und nichts anderes, waren meine Gedanken und ich konnte kurz vergessen, wie scheiße ich eigentlich war. Zudem flüchtete ich in die Natur und ich begann, mich für die Umwelt zu interessieren und sie auch so viel wie ich konnte zu schützen. Dazu zählte für mich auch, dass ich in die Natur ging und den Müll aufsammelte, welchen andere Menschen einfach so in die Natur werfen. Das klingt vielleicht etwas blöd, weil, wer interessiert sich schon dafür? Für diese Taten erntete ich auch sehr viel Spott. Dabei zählten Öko-Tusse und Scheiß-Müll-Bitch noch zu den netteren Schimpfwörtern, die mir an den Kopf geworfen wurden.Aber egal, auf jeden Fall weckte ich auch noch mein politisches Interesse und machte mir sehr viele Gedanken über Politik und Gesellschaft. Und ich erworb eine neue Fähigkeit: Das glücklichste Mädchen auf der Welt spielen. Ich verstellte mich so, dass jeder dachte, ich wäre glücklich mit meinem Leben.
In der 8. Klasse entdeckte ich eine neue Welt, in die ich flüchten konnte: YouTube. Somit hatte ich etwas gefunden, was mich in neue Welten entführte. Etwas, was meine Kreativität weckte und mich dazu ermutigte, etwas zu ändern. Und ich änderte auch etwas: Meine Einstellung zum Leben. Ich entwickelte mich zu einem sehr sozialen Menschen und versuchte jedem, der Hilfe brauchte, zu helfen. Ich half oft Obdachlosen in Wismar, meiner Heimatstadt.
Und ich begann zu Fotografieren. Da ich nicht wirklich gut zeichnen konnte, war das Fotgragfieren meine Art, um Bilder zu machen. Vor allem Landschafts- und Makrofotografien begeisterten mich. Ich legte mir einen ganzen Ordner mit Infos, Tipps, etc. zum Fotos machen an. Ständig suchte ich neue Motive, mit denen ich meine Gefühle ausdrücken konnte. Im Zusammenhang damit lernte ich Nathan kennen, einen Profi im fotografieren. Er zeigte mir alles zum Thema Fotos. Ich meldete mich auf Instagram an, um eventuell irgendwen mit meinen Fotos zu begeistern. Aber da hatte ich mich getäuscht. Schnell fanden meine Klassenkameraden mein Profil und fragten mich in der Schule über die Fotos und deren Bildunterschriften aus. Warum ich denn so 'deepe' und depressive Bilder posten würde, ich hätte doch keinen Grund dazu, mein Leben wäre doch perfekt. Und so hörte ich nach 3 Monaten auch wieder mit Instagram auf und Youtube blieb als mein einziger Zufluchtsort. So blöd das auch klingt, es war so. Ich machte zwar weiterhin Fotos, aber die bekam niemand außer Nathan zu Gesicht. Sie hätten eh niemanden interessiert. Denn die Motive waren meist abgestorbene Pflanzen als Nahaufnahmen, Aufnahmen von Wismar, meiner Heimatstadt - und... meine Verletzungen. Letzteres waren die Bilder, die nie jemand sehen sollte. Nicht mal Nathan.
Aber egal. Ich schottete mich auf jeden Fall ab, stand jeden Morgen auf, tat in der Schule so ,als wäre ich super glücklich, ging nach Hause lernte, machte Hausaufgaben, schaute YouTube Videos, fotografierte, verletzte mich, weinte, fragte mich, warum ich so scheiße bin, fand keine Antwort, schlief. Kurz gesagt: Ich ging an meinem Leben zu Grunde. Und ich wusste, dass mich das Leben, was ich führte, zerstören würde. Aber es was mir egal. Ich war mir egal.
Es viel mir immer leichter, zu lügen. Über meine Gefühle. Über meinen Alltag. Über mein gesamtes Leben. Und das Problem war, dass Lügen irgendwann einfacher wird als die Wahrheit zu sagen. Und jeder glaubte meine Lügen. Und wenn ich mal die Wahrheit sagte, glaubte mir das keiner. Also, wieso sollte ich dann nicht einfach weiterhin lügen? Es ersparte mir vieles.Und in der 9. Klasse änderte sich nichts. Außer das eine mal, als ich ihm meine Liebe gestanden hatte und die Antwort 'ok' lautete. Damit hatte ich mein Leben endgültig verspielt.
Bevor sich irgendwer mal wieder Gedanken macht. DAS BIN NICHT ICH!!! Auch wenn ein paar Hobbies ähnlich zu meinen sind, ist das nur um Tessa etwas näher beschreiben zu können. Also, keiner soll sich Gedanken machen. Falls das hier überhaupt jemand liest :D
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Soll ich?
Teen FictionWie konnte mich mein Leben innerhalb kürzester Zeit so zerstören? -Eine Frage, die sich Tessa immer wieder stellt. Eigentlich ist sie nur eine lebenslustige, erfolgreiche Jugendliche aus Wismar- äußerlich zumindest. Innerlich wurde sie vom Leben nie...