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Stundenlang lief ich mit einer großen, braunen Ledertasche durch den Wald und Pflückte die unterschiedlichsten Kräuter. Und hin und wieder schoss ich einen Vogel oder einen Hasen. Als die Sonne am höchsten Punkt angekommen war, drehte ich um und humpelte langsam zurück. Das erlegte Wild über der Schulter hängend. Nach einer halben Stunde hörte ich viele Stimmen. Wie angewurzelt blieb ich stehen und sah mich vorsichtig um. Wütend sog ich die Luft ein, als ich eine der Stimmen erkannte:

„Hier muss es doch irgendwo sein! Ich bin mir ganz sicher, hier irgendwo war es."

Die Stimmen wurden immer Lauter und hier und da hörte ich einen Hund bellen. Plötzlich hörte ich nur wenige Büsche entfernt ein wütendes Knurren. Ich ließ alles fallen, schnappte mir meinen Bogen und einen Pfeil und legte an. In dem Moment traten 5 Männer, 4 davon in Uniform, 2 Hunde und ein Mädchen aus dem Gebüsch. Wütend zielte ich auf das Mädchen. Es war Saskia.

Wie angewurzelt blieben alle stehen und starrten mich an. Nur die Hunde rissen sich los und kamen drohend auf mich zu. Ich knurrte sie an und erschrocken zogen diese den Schwanz ein und rannten zu ihren Herrchen zurück. Saskia war die erste, die ihre Stimme wiederfand:

„Ati, ich bin es! Erkennst du mich nicht? Ich bin Saskia. Du bist doch wegen mir vom Baum gefallen! Erinnerst du dich?"

„Ja, ich erinnere mich. Und so dankst du mir meine Gastfreundschaft?! Indem du jede Menge Fremde Männer zu mir führst!?", knurrte ich wütend.

Einer der Männer in einem braunen Anzug trat vor und sprach:

„Sie hat uns nur auf deine Situation aufmerksam gemacht. Ein 7-jähriges Mädchen lebt alleine im Wald, ohne Eltern oder Erziehungsberechtigte und geht nicht zur Schule? So etwas geht doch nicht! Daher wollte ich mir selbst ein Bild machen.", erklärte er ruhig.

Noch während er sprach fuhr ich mit meinem Bogen herum und zielte auf ihn:

„Und sie sind?"

„Mein Name ist Melvin Müller und ich arbeite beim Jugendsozialamt. Mir wurde dein Fall zugewiesen."

„Und was wollen sie nun von mir?"

„Ich soll mir anschauen wie es dir geht, wie und wo du lebst und was du so kannst!", sagte er lächelnd.

Ich ließ nochmal ein paar Sekunden verstreichen und musterte sie genau. Erst dann nahm ich den Bogen langsam herunter und packte den Pfeil wieder in meinen Köcher. Ich schnappte mir meine Sachen, lief los und sagte den 6 im Vorbeigehen:

„Dann kommt mal mit, aber seid gefälligst leise!"

Wortlos liefen sie mir nach.

Warum sind die hier? Was wollen die von mir?...
         Leise ist aber etwas anderes, die stolpern ja
         über jeden Ast, das hört sich an, als würde
         eine ganze Elefantenherde durch den Wald
         laufen! Die verscheuchen mir ja das ganze
Wild!... Halt, war da nicht was?

Wie angewurzelt blieb ich stehen, legte den Finger auf den Mund, drehte mich zu den anderen um und gab ihnen ein Zeichen zum Anhalten. Sie gehorchten Augenblicklich, sahen aber verwirrt aus. Ich blickte in das Gebüsch 20 Meter vor mir und holte mit einer einzigen Bewegung meinen Bogen und einen Pfeil heraus.

Ruhig grasend kam ein Reh aus dem Gebüsch gelaufen, es hatte uns trotz des Lärms, den die anderen veranstaltet hatten, noch nicht bemerkt. Ich schoss und im nächsten Moment brach das Tier zusammen. So schnell mein Bein es zu ließ stürmte ich zu ihm, ich kniete mich vor es hin, entschuldigte mich bei ihm, sprach ein Gebet und durchtrennte seine Halsschlagader. Als ich wieder aufstand und es mir auch noch über die Schulter hievte, lösten die andern sich aus ihrer fassungslosen Erstarrung und sahen mich geschockt an.

Überrascht ab dieser Reaktion sagte ich:

„Was denn? Ich muss doch schließlich auch etwas essen! Zudem ist der Winter nicht mehr fern!"

„Aber... aber du...", stotterte einer der Uniformierten Männer. Ich betrachtete seine Uniform. Er war Polizist.

„Mr Walker, denken sie, nur weil ich ein Kind bin, kann ich nicht jagen? Ich lebe seit 5 Jahren allein hier im Wald. In dieser Zeit lernt man so einiges! Glauben sie mir!"

Der Mann vom Sozialamt sagte nichts dazu, er holte nur einen Block und einen Stift heraus und begann etwas aufzuschreiben.

„Kommt weiter, es ist nicht mehr weit", sagte ich, drehte mich um und dem Polizisten klappte der Mund endlich wieder zu.

AtlantaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt