Aufgebracht hob Jyn einen Stein vom Boden auf und warf diesen, einem grauhaarigen Mann hinterher. Was für ein Penner, war das bitte? Dieser Typ war ja mal die Freundlichkeit in Person gewesen. Gab es hier, in dieser verdammten Gemeinde, keinen einzigen normalen Menschen mehr? Allesamt die letzten Idioten. Getroffen hatte sie den Mann nicht, weshalb sie erneut einen Stein aufhob und abermals nach ihm warf. Dieses mal traf sie ihn.
"Willst du mich verarschen?", schrie der Grauhaarige Jyn an und ging schon beinahe drohend auf sie zu, "Wer glaubst du, wer du eigentlich bist? Sei froh, dass dich die Leute hier aufgenommen haben, ansonsten wärst du da draußen gestorben. Du überlebst dort draußen keine Woche alleine."
"Ich will gar nicht hier sein und du hast mir gesagt, du hilfst mir, von hier weg zu kommen", schrie Jyn zu zurück und hob einen weiteren Stein, der wunderbar in ihre Faust passte, nur um auf Nummer sicher zu gehen, "Der Typ ist krank. Verdammt krank in seinem gestörten Gehirn. Sei mal ehrlich, der tickt doch nicht mehr ganz sauber. Ich will gar nicht wissen, wen er alles um die Ecke bringt. Abschlac......"
"Halt die Klappe oder soll das noch jeder mitbekommen? Dann stirbst du sofort", zischte der Ältere, drückte Jyn mit seiner einen Hand den Mund zu, damit sie endlich wieder runter kam, sich beruhigte und keiner der Bewohner etwas von ihrem Gespräch mitbekam, "Der Kerl mag zwar nicht ganz dicht sein, aber wir sind hier drin sicher. Sicher vor den Walkern. Wir beide haben einen Bruder und wäre ich an seiner Stelle, würde ich wollen, dass meine Schwester in Sicherheit ist, egal was der Preis ist. Lieber hier drinnen als da draußen."
"Ein Leben im Gefängnis ist kein Leben", erwiderte Jyn schwach, als er seine Hand von ihrem Mund genommen hatte und ließ den Stein, den sie zur Verteidigung in der Hand hielt, zu Boden fallen, "Willst du nicht zurück zu deinem Bruder? In dieser Scheiße, in der wir jetzt Leben müssen, haben wir nichts anderes mehr als unsere Familie. Egal wie euer Verhältnis war oder ist, ihr bleibt Brüder. Du liebst ihn, dass sehe ich doch, auch, wenn du es nicht zugeben willst. Weg von diesem Psychopathen. Ohne den kann man alle mal überleben. Ihn braucht man nicht. Alleine, kommt man nur nicht von hier weg. Man stirbt eher dank ihm als wegen eines Walker da draußen. Bitte..... hilf mir endlich von dem Gestörten wegzukommen, bitte, und ich helfe dir, bei deinem Bruder."
"Man stellt sich nicht gegen ihn, ohne sich den Folgen bewusst zu sein", ob der Mann das nun Jyn sagte oder nicht, ihre Entscheidung stand ohnehin fest, denn sie würde gehen und das merkte er, "Ich bringe dich raus, außer Reichweite und nicht mehr. Mehr nicht. Mehr nicht, verstanden?"
"Reicht mir vollkommen. Ich schulde dir was Dixon", dankend begann Jyn zu nicken und deutete mit einer Kopfbewegung zum Hauptgebäude, "Wenn ich nicht bald von hier wegkomme, verliert der Governor noch sein anderes Auge. Blind kann er niemanden mehr etwas antun. Niemanden. Ich hoffe, es kommt bald Tag, an dem die Leute merken, was er für ein Mensch ist, und irgendjemand ihn umbringt. Es wird nämlich Zeit. Es ist langsam an der Zeit."Genau wie Merle Jyn versprochen hatte, brachte er sie mitten in der Nacht hinaus aus Woodbury und ein paar gute Kilometer davon weg. Wenn man Merle auf längere Zeit kennt und sich an ihn, sowie seine Art gewöhnt hatte, war er gar nicht so übel. Ein Arsch dennocg aber vollkommen in Ordnung. Behandel einen Menschen, wie du behandelt werden willst und dieser wird dich auch so behandeln. Meistens. Es gab zwar immer wieder ausnahmen, aber wo gibt es die nicht? Jedenfalls war Merle einer der wenigen in Woodbury gewesen, mit denen Jyn zurechtkam und einer der wenigen, der meinte, man könne ihr ruhig mal eine Waffe in die Hand drücken. Ein-zweimal war sie auf dem Schießstand gewesen, aber das war gefühlte hundert Jahre her. Als die Welt noch normal war. Das frühere normal und nicht das Jetzige, wo zur Normalität sich vor laufenden Toten zu verteidigen. Ein Messer sollte sie immer irgendwo am Körper tragen, meinte Merle und seitdem steckte immer eines in jedem ihrer Stiefel.
Irgendwo im Wald blieben Merle und Jyn stehen, wo sie ihn zum Abschied umarmte und ihm noch einmal dankte. Danach ließ sie ihn nickend los, weil er ihr sagte, sie solle auf sich aufpassen, und schulterte sich ihren Rucksack. Endlich weg von einer komplett durchgeknallten Gemeinde und dessen gestörten Anführer.
Nach einem ewig langen Fußmarsch konnte Jyn in der Ferne ein umzäuntes Gebäude erkennen und ging geradewegs darauf zu. Je näher sie dem Gebäude kam, viel mehr Gemäuer, erkannte sie das es sich hierbei um ein Gefängnis handelte. Scheiß egal ob, wer oder was da lebte. Schlimmer als es in Woodbury und dem Governor war, konnte es nicht der Fall sein.
Wie sich später und nach zahlreichen Fragen, die Jyn über sich ergehen lassen musste, herausstellte, gehörte zu dieser Gruppe im Gefängnis Merle's Bruder. Daryl. Also wenn Daryl nur annähernd wie Merle war, dann würde sie mit dem auch zurechtkommen. Auf den ersten Eindruck schien diese Gruppe ziemlich in Ordnung zu sein. Kein Vergleich zu denen Woodbury. Nicht im entferntesten.
Seit diesem Augenblick gehörte Jyn zu der Gruppe von und um Rick, Daryl, Maggie, Glen und den anderen. Anfangs war es vielleicht schwierig gewesen, sich einzuleben und akzeptiert zu werden, aber dies war all zu verständlich und nachvollziehbar. Sie war die Neue und eine Fremde, da war man lieber vorsichtig, doch auch das legte sich mit Zeit. Diese Gruppe war keine Gruppe, sondern wie eine Familie. Nur nicht ihre. Ihre war, weiß Gott wo da draußen und vielleicht schon gar nicht mehr am Leben.
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Dead Man Walking ⁿᵉᵍᵃⁿ
FanfictionTextauszug ["Kleine..... Falls du es nicht werden solltest, werden wir uns noch einmal ernsthaft unterhalten müssen. Nur wir drei. Lucille, du und ich", ihr Kinn hob er mit dem Baseballschläger an, damit sie direkt in sein Gesicht sah, "Vielleicht w...