Kapitel 19 - Allein ~ Part II

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,,Ich hab ihn Leute! Ich hab ihn!",schrie Astrid und Ohnezahn hob ab. Durch den Kampfeslärm hörten die anderen Wikinger nicht Astrids Geschrei. Deswegen schoss Ohnezahn, wie verabredet, mehrere Plasmabälle hintereinander in den Himmel. Dieser erstrahlte für einen Moment in violettem Licht. So wussten alle Berkianer, das der Kampf zuende war, und das sie Hicks gerettet hatten. Augenblicklich erhoben sich alle Drachen in den fast dunklen Himmel.

Viggo schaute nun zum ersten mal seit dem Angriff zum Galgen. Er hatte nur kurz seinen Bruder darauf zulaufen sehen. Er schien alles unter Kontrolle zu haben. Viggo selbst, war damit beschäftigt schnell seine Männer zu formieren.
Dies war alles so anders abgelaufen, als er es sich vorgestellt hatte. Doch nun als er zum Podest schaute, stieg unbändige Wut in ihm auf. Er sah dort jemanden hängen. Es war Jason. Innerhalb einer Minute stand Viggo vor seinem Bruder. Noch immer war er bewusstlos und hing kopfüber an dem Pfahl, festgehalten von dem Seil, welches eigentlich für Hicks Kopf bestimmt war. Viggo riss den Dolch aus dem Holz.
Die Wut, die in ihm gegen Hicks züngelte, wurde angestachelt, als er die Schnitte auf der Haut seines Bruders erkannte. Mit einem Schlag durchtrennte er das Seil. Jason krachte auf das Holz. Nun ausgestreckt vor ihm liegend, erkannte Viggo ihr Zeichen. Das Zeichen der Drachenjäger.
,,Hicks...",flüsterte er mit unheilvoller Stimme. Er hatte ihn unterschätzt. Er hatte ihn eindeutig unterschätzt. Er war entkommen. Zusammen mit Astrid. Und er hatte seine Drohung war gemacht.
Er, Viggo hatte einen Fehler begangen. Doch er verstand nun das Zeichen, welches Hicks gesetzt hatte. Dieser Junge würde alles tun, um seine Freunde zu retten. Er würde dafür über Leichen gehen.
Also hatte er auch eine dunkle Seite. Aber seine Liebe war seine Schwäche. Diese Schwäche hatte Viggo nicht. Wenn er müsste, würde er sogar seine Brüder opfern. Hicks könnte dies nicht. Und darin unterschieden sie sich. Dieser feine Unterschied war es, der sie zu Feinden machte.
Und während Viggo all dies begriff, schrie er.
Er schrie sich die Seele aus dem Leib, um die Wut zu kanalisieren, dafür dass er Hicks unterschätzt hatte und das sein größter Feind entkommen war.
Sein erster Spielzug war gescheitert. Doch das war gerade der Beginn des Spiels. Es war noch nicht vorbei. Noch lange nicht. Es fing gerade erst an.

Die Nacht war nun endgültig hereingebrochen. Astrid saß auf Ohnezahn, Hicks Kopf ruhte in ihrem Schoß. Haudrauf und ihre Freunde schwebten über ihnen in der Luft und kamen näher zu ihr heran. Der Rest der Krieger verharrten ebenfalls in der Luft um zu erfahren, ob es ihrem zukünftigen Oberhaupt gut ging. Ohnezahn flog in der Luft auf der Stelle.
,,Was ist mit ihm? Ist er ohnmächtig?",rief Haudrauf mit Panik in der Stimme, als er zum ersten mal seinen Sohn wieder sah. Er kam auf Schädelbrecher näher herangeflogen. Durch die Dunkelheit war es allerdings schwierig überhaupt etwas zu erkennen. Astrid fuhr über Hicks Oberkörper und antwortete zittrig: ,,Sie haben ihn gefoltert Haudrauf. Er ist komplett vernarbt. Ich kann es nicht genau erkennen, aber ich spüre es und ich glaube es ergibt ein Wort. Und er ist schwer verletzt. Er hat mehrere offene Wunden. Ich sah ihn gegen Jason kämpfen. Danach verlor er das Bewusstsein." Ihre Stimme wurde brüchig. ,,Wir müssen schnellstens nach Berk. Wenn Gothi ihn nicht rechtzeitig behandelt, wer weiß, ob er dann jemals wieder aufwacht."
Bevor sie noch etwas sagen konnte befahl Haudrauf: ,,Wir fliegen sofort nach Berk!"
Er wandte sich an den Nachtschatten. ,,Du bist sein bester Freund Ohnezahn. Und du bist der schnellste Drache, den es gibt. Bitte bring Hicks und Astrid so schnell es geht nach Berk. Rette meinen Sohn." Und noch bevor das Oberhaupt Berks komplett ausgesprochen hatte, wendete sich Ohnezahn bereits und schoss in Richtung Berk.
Anfangs konnten fast alle Drachen mit ihm mithalten, bis auf die Gronckel, doch nach und nach fielen alle immer mehr zurück. Ohnezahn jagte jedoch in der selben Geschwindigkeit unbeirrt weiter über den Himmel, bis er irgendwann selbst die schnellen Nadder zurückwarf. So verging Stunde um Stunde. Astrid selbst war schon fast eingenickt, als sie plötzlich ein Röcheln hörte. Schnell setzte sie sich wieder gerade auf. Hicks Atmung, sonst immer ruhig und gleichmäßig, verschnellerte sich plötzlich rapide. Er fing an zu keuchen und nach Luft zu schnappen.
,,Hicks! HICKS! Um Thors Willen was ist mit dir? Kannst du mich hören?",schrie Astrid, in Panik verfallend. Kein Mensch konnte sie hören. Sie waren allein.
Es konnte doch nicht sein, dass er jetzt so von ihr ging, nachdem er endlich aus Viggos Hölle geflohen war.
,,Hicks!" Sie fing nun doch an zu schluchzen, als Hicks erneut nach Luft schnappte und röchelte. Seine Augen waren geschlossen und er schien niemanden zu hören. ,,Bitte bei Odin und allen Göttern, halte durch Hicks. Es kann nicht mehr lange dauern, dann sind wir in Berk." Hicks ächzte noch ein weiteres mal nach Luft und dann auf einmal war es vorbei. Seine Brust hob und senkte sich nicht mehr. Völlig geschockt blickte Astrid eine Sekunde auf ihn hinab. Dann schrie sie auf. ,,Nein! Nein er darf nicht tot sein! Oh Thor er ist doch noch so jung. Hicks lass mich nicht allein hörst du!" Sie fing an, Luft in seinen Mund zu pusten, wie sie es von Gothi gelernt hatte. Danach drückte sie auf seine Brust. "Hicks, verdammt nochmal jetzt komm zurück. Ich kann und will mir eine Welt ohne dich nicht vorstellen.",schrie Astrid verzweifelt. ,,Lass mich nicht allein, Ich liebe dich hörst du mich!" Ohnezahn jaulte schmerzlich auf, als auch er begriff, das es wohl zu spät war. Doch trotzdem steigerte er sein Tempo. Bald brach der Tag an.
Astrid pustete noch immer Luft in Hicks Mund. Und dann küsste sie ihn. Einmal wollte sie ihn küssen. Einmal seine Lippen auf den ihren spüren.
,,Lass mich nicht allein Hicks.",flüsterte sie mit heiserer Stimme. Und auf einmal tat sich wirklich etwas.
Sein Herz. Es schlug wieder. Für dreißig Sekunden stand es still. Doch nun schlug es wieder. Gleichmäßig. Seine Lippen bewegten sich. Noch immer waren Astrids Lippen auf seinen. Da verstand sie, das er zurückgekehrt war. ,,Du bist zurück! Ohnezahn er hat uns nicht allein gelassen! Danke Odin, danke!"
Noch immer hing sie über seinem Oberkörper, nur Zentimeter von seinen Lippen entfernt. Sie beobachtete Hicks. Wie sein Brustkorb sich nun wieder ruhig auf und ab senkte. Leben erfüllte ihn wieder. Vor Glück küsste sie ihn einfach nochmal. In dem Moment ging die Sonne über dem Meer auf. Und sie sah wie hinten in der Ferne eine große Insel auftauchte. Berk. Hoffnung durchflutete Astrid nun wie die Sonnenstrahlen es taten, die sie im Gesicht kitzelten. Wenn das überhaupt noch möglich war, dann flog Ohnezahn noch schneller. Er war wahrscheinlich komplett erschöpft. Für diese Strecke brauchten sie sonst in einer normalen Geschwindigkeit das doppelte der Zeit.
Hicks Augen waren noch immer geschlossen, doch jetzt konnte Astrid im Licht der aufgehenden Sonne ihn zum ersten mal richtig betrachten. Und als sie seine Wunden erblickte war sie sprachlos. Sie hatte zwar gedacht es wäre schlimm, aber das er so dramatisch aussah, hätte sie sich niemals träumen lassen.
Doch was sie am meisten schockierte, war seine Schulterwunde. Sie war fast schwarz. Eine Blutvergiftung. Das war es also, was ihn fast umgebracht hätte. Auch das Wort 'Drachenreiter' auf seiner Brust hatte sich entzündet. Es musste ihm höllische Qualen bereiten. ,,Schneller Ohnezahn! Er braucht sofort eine Medizin von Gothi."
Seine letzten Kräfte bündelnd schoss Ohnezahn auf Berk zu. Von weiten hörte Astrid das Horn erschallen. Sie waren gesehen worden. Sehr gut. Der Nachtschatten schoss über die Häuser Berks zum Dorfplatz und landete. Sie hatten es geschafft. Die Frage war nur: Würde Hicks es ebenfalls tun?

Don't let me aloneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt