Kapitel 21 - Die Zwischenwelt ~ Part II

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Nein. Das konnte nicht sein. Hicks trat auf die Person zu. Nur noch wenige Schritte trennten sie voneinander. Sie war so wunderschön. Wie eh und je. Ihre blonden Haare wehten sanft im Wind.
,,Astrid...",flüsterte der junge Mann und verlor sich in ihren Augen.
,,Hicks es tut mir unendlich leid, doch ich bin nicht Astrid."
,,Was?"
Der verträumte Ausdruck auf Hicks Gesicht verschwand augenblicklich. Er brauchte einige Sekunden um eben gesagtes zu realisieren.
,,Och nö!",rief er aus. ,,Noch ein Gott, der sich den Körper eines Wikingers ausleiht?!"
,,So kann man es auch sagen.",meinte Astrid lächelnd, obwohl sie es gar nicht war.
,,Nun mit wem habe ich denn nun das Vergnügen?",fragte Hicks sarkastisch und machte zusätzlich noch eine kleine Verbeugung.
,,Schlechter Tag Hicks Horrendus Haddock?"
,,Nahh schlechte Woche trifft's eher. Oder fürchterlich. Oder schmerzhaft. Oder grauenvoll."
,,Nun ja, hier hast du keine Schmerzen."
,,Aber Ungewissheit. Odin will mir ja nicht sagen, ob ich tot bin und wirft mir außdem die ganze Zeit vor, ich würde alles falsch machen und vor allem und jedem Angst haben.",meinte Hicks deprimiert.
,,Nun da muss ich unserem Allvater recht geben. Du hast Angst. Schreckliche Angst. Dir deine Gefühle einzugestehen. Vor allem gegenüber einer gewissen Wikingerin."
Wissend fing sie an zu grinsen. Es war seltsam mit anzusehen, wie jemand über eine Person redete, deren Aussehen man sich mal eben ausgeborgt hatte.
,,Wer bist du eigentlich?",fragte Hicks nun herausfordernd.
Sie stand von ihrem Stein auf.
,,Ich bin Freya, Göttin der Liebe, der Fruchtbarkeit, des Frühlings und des Glücks."
Hicks klappte der Mund auf.
Astrid, oder besser gesagt Freya, fing an zu lachen.
'War es bloß Zufall, dass ausgerechnet die Göttin der Liebe, sich den Körper von Astrid geliehen hatte?',dachte Hicks.
,,Da du in Astrid verliebt bist und sie dir nahesteht, ist dies kein Zufall Hicks.",beantwortete Freya seine Gedanken mit einem Zwinkern.
,,Außerdem bin ich auch als Göttin der Schönheit bekannt. Und das ist deine Astrid für dich ja auch."
Da hatte sie allerdings recht.
Doch anstelledessen fragte er: ,,Du kannst das also auch? Gedanken lesen?"
,,Natürlich. Wie jeder andere Gott ebenfalls."
Hicks seufzte und ließ sich auf einem Stein nieder. Das war alles einfach zu viel. Plötzlich spürte er eine Hand an seinem Rücken.
,,Hicks...was ist los?"
,,Das weißt du doch. Kannst ja schließlich in meinen Kopf schauen.",flüsterte Hicks spöttisch und erschöpft zugleich.
,,Ja...aber trotzdem ist es nicht das gleiche, wie wenn ich es aus deinem Mund höre. Wenn du redest Hicks, dann wird es dir hinterher besser gehen."
Auffordernd und sanft zugleich sah sie ihn an. Unsicher hob Hicks den Kopf. Freya nickte ihm ermutigend zu. Der junge Wikinger seufzte erneut.
,,Ich...nun ja...ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Die ganze Welt will, dass ich das Richtige tue. Aber was ist das Richtige? Das Richtige um mein Dorf zu schützen? Ohnezahn zu schützen? Astrid zu schützen?",flüsterte er.
Er blickte die Göttin vor ihm an und plötzlich purzelten die Worte von ganz allein aus seinem Mund: ,,Ich fühle mich so...gebrochen. Seit dieser Sache mit Viggo. Wie kann ich eines Tages ein Anführer werden, wenn ich es heute nicht einmal schaffe, heile in mein Dorf wiederzukehren? Und...ich fühle mich auch so bedrängt. Ich...ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alle wollen immer etwas von mir und ich probiere es allen recht zu machen. Und scheitere kläglich...",brachte Hicks nur noch mühsam hervor. Urplötzlich konnte der junge Mann nicht mehr. Obwohl er stark zu sein versuchte, brach er in diesem Moment in Tränen aus. Minutenlang schluchzte er ungehemmt, bis sich erneut eine Hand auf seine Schulter legte. Hicks schaute auf. Auch Freya hatte Tränen in den Augen. In Astrids ozeanblauen Augen. Er hatte vergessen, dass sie ja alles fühlen konnte, was er fühlte.
Die letzten Minuten waren für sie also auch die Hölle gewesen.
,,Es ist nicht schlimm zu weinen Hicks. Es wäscht deine Seele rein. Du brauchst dich dessen nicht zu schämen.",erklärte sie und fuhr fort. ,,Ich hab nicht viele Antworten für dich Hicks, aber ich denke du solltest sie annehmen."
Blaue Augen fixierten seine grünen. ,,Du musst kein großer Anführer werden Hicks. Du bist bereits einer. Jeder wächst an seinen Aufgaben und niemand hat je gesagt es wäre leicht so viel Verantwortung zu übernehmen und Verluste gibt es immer. Das ist nicht deine Schuld. Das ist Schicksal. Ich kann verstehen, dass du dich momentan gebrochen fühlst. Du hast bereits viel durchgemacht in deinen jungen Jahren. Mehr als andere Wikinger in ihrem ganzen Leben. Du erinnerst dich gerade nur an die schlechten Dinge, die in deinem Leben geschehen sind. An die Momente, an denen du versagt hast. Doch erinnere dich auch an die schönen Momente. Bleib auf der hellen Seite deines Bewusstseins. Denn das ist der wahre Grund, wie du und Viggo euch unterscheidet. Er wählte die dunkle Seite seines Herzen für die Dinge, die er tat.
Du die Helle. Umgibt dich mit Menschen, die dich lieben und die du liebst. Eine davon wäre Astrid. Zöger nicht länger und sage wie du empfindest. Das Leben ist für euch Menschen zu kurz, um zu zögern. Wir Götter haben ewig Zeit.
1ooo Jahre, 2ooo Jahre sind für uns nicht die Welt. Ihr hingegen habt bedeutend weniger."
Hicks hörte zu und probierte parallel seine vernebelten Gedanken zu ordnen. Er hatte sich einigermaßen wieder beruhigt.
Freya sprach unterdessen weiter: ,,Mach deinen Kopf frei und lass dir nicht sagen, was du zu tun hast. Folge deinem Herzen und du wirst die Dinge erreichen, die dir bestimmt sind. Du hast einen starken Charakter. Du hast Freunde und Familie, die dich unterstützen."
Damit stand Freya auf. Hicks ebenfalls.
,,Danke.",sagte er. Und der Drachenreiter meinte es auch so. Sie reichten einander die Hand. Freya hatte ihm geholfen. So sehr. Sie hatte ihm ins Gedächtnis gerufen, worauf es ankommt im Leben.
Zwischendurch hatte er gedacht, er hätte seine Seele in den Kerkern Viggos zurückgelassen, doch nun schöpfte er neue Hoffnung.
Die Hoffnung ihn eines Tages doch endgültig besiegen zu können.
Er war bereits ein paar Schritte gegangen, als ihn die Stimme Astrids innehalten ließ. Er drehte sich um. Noch immer stand sie am Stein neben dem Wasserfall. ,,Eine Sache noch Hicks Horrendus Haddock. Erinnere dich immer an mich zurück und merke dir folgende Worte: Du hast das Herz eines Anführers und die Seele eines Drachen. Auch du hast eine dunkle Seite in dir, doch bekämpfe sie nicht, sondern akzeptiere sie. Wenn du dich selbst akzeptierst, wirst du auch alles weitere im Leben akzeptieren können."
Hicks nickte. ,,Leb wohl.",sagte er.
,,Auf Wiedersehen Hicks Haddock. Vielleicht sehen wir uns irgendwann mal in Asgard wieder."
Dann drehte sich Hicks endgültig um und verließ die Lichtung und machte sich zurück auf den Weg zum Strand.

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