Der Vampir in den Tunneln

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Ich hielt das Messer in meiner Hand fest, als ich durch die alte, modrige Höhle ging. Sie war nicht besonders hoch, sodass sogar ich mit meiner geringen Größe aufpassen musste, dass ich mir nicht den Kopf stieß – was hin und wieder trotzdem passierte und mit einem lauten Fluchen meinerseits quittiert wurde - Sie war auch nicht besonders hell, aber das machte mir nichts. Ich umklammerte mein Messer nicht weil ich etwa Angst hatte - so jemand wie ich durfte keine Ängste haben - sondern weil ich auf Jagt war und ich jederzeit hätte angegriffen werden können. Jeden Schritt, den ich mit meinen Füßen machte, konnte ich an der grob gemauerten Wand wiederhallen hören. Ich gab mir nicht die Mühe besonders leise zu sein, denn sogar wenn meine Schritte für einen Menschen lautlos wären, die Vampire, die hier lebten würden sie doch hören. Oder eben meinen Herzschlag, oder meinen Atem. Oder, oder, oder! Es war irrelevant!

So sorgte ich sogar dafür, dass sich mich wahrnahmen, dann müsste ich sie nicht suchen. Logisch oder? 

Der Tunnel vor mir teilte sich nun in zwei Gänge auf. Einer würde nach oben führen, an die frische Luft, an das Sonnenlicht. Der andere jedoch würde weiter in die Erde gehen, tief hinein, an einen Ort, den kein Sonnenstrahl je erreichte. Direkt in das Nest der Blutsauger! Und dort wollte ich hin. Ich war eben schon immer ein bisschen Lebensmüde!

Da hier in Transsilvanien, Rumänien, der Glaube an Vampire noch recht verbreitet war, versteckten sich viele von ihnen in alten Gemäuern tief unter der Erde. Warum sie sich nicht einfach irgendein altes, verlassenes Spukschloss kauften und sich unter Tags nicht blicken ließen, war mir schleierhaft. So wäre es doch viel Realistischer!

Mithilfe meines Bauchgefühls, wählte ich den linken der beiden Gänge. Und ich behielt Recht. Eine Frau hat eben immer Recht! Der Tunnel wurde in der Höhe und Breite größer, so konnte ich bald schon problemlos aufrecht gehen. Doch mit jedem Meter, den der Gang zunahm, schwand das Licht, sodass sogar ich bald nichts mehr als ewige schwärze zu sehen bekam. Mit einer Hand auf dem rauen Mauergewölbe tastete ich mich weiter voran. Schritt für Schritt. Ich schärfte jeden meiner restlichen Sinne - Ich kam ihnen immer näher! 

Nach einer Weile wurde die Luft im Höhlengang dünner, und das Atmen viel mir immer schwerer - Meine Lippen waren sicherlich schon blau angelaufen! Ich war kurz davor vor Atemnot wieder umzudrehen, als ich einen schwachen Lichtschein entdeckte. Meine Schritte wurden schneller, aber es war auch schwerer zu gehen, der Tunnel führte wieder nach oben! Hatte ich den falschen Weg gewählt? Das konnte nicht sein! Die weibliche Intuition behält immer Recht! Das. Ist. Fakt! 

Mit ein paar weiteren Schritten konnte ich auch wieder freier atmen. Das Licht kam näher. Vielleicht war es wirklich ein Ausgang? Schon bald bemerkte ich jedoch, dass ich mich nicht getäuscht hatte. Eine einzige Fackel, steckte in ihrer Wandbefestigung und erhellte einen kleinen Teil des mittlerweile riesigen Tunnels. Als würde sie nur darauf warten, dass ich sie an mich nahm. Sie wussten, dass ich kam! Sie wollten sogar, dass ich sie fand! Die Vampire standen wohl auf Versteckspielchen. What a surprise!

Ich war auf den richtigen Weg. Von dem Feuer, das ich am Stiel trug, ging eine angenehme Wärme aus, das Messer hatte ich wieder weg gesteckt. Die Wände, die ich nur spärlich durch das Licht beleuchtet waren, wurden von Wasserperlen überzogen. Sie glitzerten und reflektierten das Licht der Fackel, welches sie willkommen hießen wie einen alten Freund. Hier und da fiel ein Tropfen von der Decke des Gebildes mit einem – für einen Menschen - kaum wahrnehmbaren Geräusch auf den kalten Steinboden. Ich bewegte mich weiter furchtlos vorwärts. Die Höhle war wie ausgestorben. Ich konnte kein Anzeichen von Leben ausmachen. Doch dann streifte mich ein eiskalter Windhauch an der Schulter. Das Messer, das ich mit einem Klirren aus meinem Gürtel zog, war von geschliffenen Diamant, es spiegelte den Schein der Fackel in allen Regenbogenfarben auf die Mauer. Es war schön wie gefährlich. So scharf geschliffen, das es selbst den härtesten Stein mit Leichtigkeit in zwei Hälften schneiden konnte, und somit perfekt für die Jagd auf die kalten Wesen. 

Der nächste Windhauch strich mir über das Gesicht, sogar die Flamme meiner Fackel bewegte sich leicht mit ihm. Ich drehte mich einmal im Kreis. Er wollte sich mir nicht zeigen. Noch nicht.

Noch einmal spürte ich ihn blitzschnell hinter mir vorbeilaufen. Wirklich? Wie geschmacklos!

„Was macht ein so junges Ding wie du so ganz allein hier unten?", der Vampir sprach in mit einem Akzent, der für diese Gegend hier typisch war. Ich konnte ihn immer noch nicht sehen, egal wie sehr ich mich drehte. Er hielt sich im Schatten. Also ließ ich es dann doch bleiben mich wie ein Hund der seinen Schwanz jagt im Kreis zu drehen, was vielleicht auch daran lag, dass mir langsam schwindelig wurde.

Nun schien sein Blick auf das Messer, das in meiner Hand lag - und nur darauf wartete eingesetzt zu werden - zu fallen: „Ts, ts, ts... So jung, und schon eine Jägerin. Aber kein Wunder, ihr lebt ja sowieso nicht lange!" „Wo bist du? Zeig dich endlich!", ich wollte keine Konversation mit einem meiner Opfer führen. Ich wollte ihn nur den Kopf von den Schultern trennen und dann aus dieser Höhle verschwinden. „Warum sollte ich? Willst du uns den nicht Gesellschaft leisten? Stefan und Vladimir werden sich freuen, endlich frisches Blut!" Schneller als ich schauen konnte wurde ich am Kragen gepackt und quer durch die Höhle geworfen. Ich fungierte wohl seit neuestem als lebender Basketball. Das war schon immer mein Traumjob gewesen! 

Die Fackel flog mir aus der Hand und erlosch auf den kalten Boden. Ich prallte an der Mauer ab und rutschte an letzterer schließlich mit einem Stöhnen herab. Eine meiner Rippen hatte eben gefährlich geknackst! Das Messer immer noch in der rechten Hand haltend rappelte ich mich wieder auf. Die Fackel war erloschen, ich konnte nichts mehr sehen. Das wurde ja immer besser!  Die feuchte Mauer im Rücken tastete ich mich voran. Der Vampir war hier noch irgendwo, er hatte mich sicherlich nicht einfach so liegen gelassen. Kaum hatte ich ein paar unsichere Schritte gemacht, packte mich eine kalte Hand an der Kehle und drückte mir die Luft ab. „Du bist erbärmlich! Was sagst du jetzt, Jäger?", ich konnte sein Grinsen schon fast an seiner Stimmlage erkennen. Doch ich war nicht auf den Mund gefallen, auch wenn er mir gerade auf die Luftröhre drückte - und so wie er sich anhörte, sah er ganz gewiss nicht nach Würstchen aus - musste ich meinen Senf, selbst mit kratziger, halb erstickter Stimme dazu geben: „Ganz ehrlich? Du solltest mal dein Deo wechseln. Ich meine im Ernst, was trägst du da? Mottenkugel und Modergeruch? Wenn das der neuste Trend bei euch Vampiren ist, dann wundert es mich nicht wenn euch keine Menschen mehr zugehen. Nicht weit von hier ist ein Drogeriemarkt, da gibt's so ein Parfum, nennt sich „Dunkle Aura" vielleicht solltest du das mal probieren?! Ich mein ja nur, das war nur ein Vorschlag. Aber..." 

„Halt deine Klappe!", ich wurde jäh in meinem Vortrag unterbrochen, als sich die eiskalte Hand noch stärker auf meinen Hals drückte. Mein Mund klappte auf und zu, doch kein Laut konnte mehr herausdringen, geschweige denn ein bisschen Luft aus meinen Lungen entweichen. Bestimmt sah ich jetzt aus wie ein gestrandeter Fisch. Ich versuchte mich mit meiner freien Hand zu befreien, aber mein Versuch war vergebens. Der Vampir war zu stark. Nach frischer Luft ringend zappelte ich, aufgehängt an seiner Hand umher. Es brachte nichts! Ich würde sterben! Das schlimmste war, ich hatte noch nicht einmal jemanden, den ich etwas mitbringen hätte können. 

Ich konnte schon die Schlagzeile in der täglichen Zeitschrift für Jäger sehen: Junge Jägerin von hobbylosen Vampir in alter, versiffter Höhle getötet!  Dann in einem letzten Versuch mich doch noch zu retten, kam mir mein Messer in den Sinn. Selbst in dieser absoluten Dunkelheit konnte ich die Schneide leicht funkeln sehen. Meinen Schachzug hatte der Vampir wohl nicht erwartet, denn er reagierte zu langsam, als ich im mit einer einzigen, kräftigen Handbewegung den Kopf von den Schultern trennte. Punkt für die Jägerin! 

Augenblicklich ließ er mich los und ich sackte genauso wie mein kopfloses Gegenüber auf den Boden zusammen. Ich versuchte zu atmen, aber mein Hals schmerzte zu sehr. Das Dunkel der Höhle war allgegenwärtig, und ich wusste nicht, wann ich letztendlich doch noch darin eintauchte und völlig das Bewusstsein verlor.

Hunter and WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt