Geheime Orte

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„Okay... das war jetzt irgendwie... komisch!?", ich zwinkerte ein paar Mal, ehe ich dann zu den beiden Wölfen schaute, um mich zu versichern, dass sie DAS eben auch miterlebt hatten. Anscheinend schon, denn sie hatten denselben Blick auf wie ich. Wie viel Unruhe konnte man bitte wegen einer Zwiebel stiften? Wegen einer beschissenen Zwiebel? Das war doch noch zum verrückt werden! Zuerst wurde ich von „Sandy" hier, dumm angemacht, weil ich seine Wolfsehre angekratzt hatte, dann knackste seine heute auf Drogen stehende Schwester meine Wirbelsäule an, und jetzt, jetzt wurde ich auch noch von Barbie persönlich wegen einer ZWIEBEL dumm angemacht. Konnte dieser Tag überhaupt noch durch irgendwas übertroffen werden? Ja! Wahrscheinlich würde ich jetzt gleich noch Opfer eines Luftangriffs via Vogelschiss werden. Dann währe der heutige Tag offiziell gelaufen! Ich starrte immer noch auf die Stelle, an der Rosalie verschwunden war, als ich die Wärme in meinem Rücken spürte. Kurz darauf legte sich eine erhitzte Hand auf meine Schulter, als ich mich umwandte schaute ich in Leahs belustigtes Gesicht: „Hast du ihren Blick gesehen? Ich glaube, das verzeiht sie dir nicht so schnell!" Ich zuckte die Schultern: „Das ist mir eigentlich ziemlich egal. Sie hat nicht das Recht, ohne einen Grund über andere zu urteilen!" „Ja, da hast du Recht. Danke! Aber ich glaube, wir sollten das Training heute beenden, oder?", ihr fragender Blick traf mich. Kurz schielte ich zu ihren Bruder, der mich mit seinen Wolfsaugen aufmerksam beobachtete, dann nickte ich: „Ja, sollten wir." Auch wenn ich nicht im geringsten Sinne vorhatte, jetzt das Training abzubrechen, stimmte ich ihr zu. Ich würde später wieder kommen. In dem, was ich trainierte, konnte sie mir nicht helfen, und ich würde sie hier auch gar nicht brauchen. So gern ich Leah hatte, aber ich brauchte auch Zeit für mich selbst, um mich auszupowern. Also ließ ich mich noch von ihr zum Haus begleiten, Seth war schon lange in den Wald verschwunden, und wartete, bis ich sie nicht mehr in der Nähe war. Dann rannte ich hinauf in mein Zimmer und trat mit einer Tasche voller Waffen im Schlepptau wieder aus der Haustüre.

„Wo gehst du denn hin, Kleine?", Emmet stand am Geländer der Terrasse und grinste mich an. Er war ein Bär von einem Vampir und ich war mir sicher, dass es sogar schon als Mensch schwer gewesen wäre, gegen ihn zu kämpfen. Doch jetzt? Ein normaler Jäger würde an ihm zu Grunde gehen. Ein normaler Jäger, Elizabeth Argent nicht! Wahrheitsgemäß antwortete ich ihm: „Zu der Wiese im Wald, mal wieder mit den Waffen trainierten und meine Kenntnisse auffrischen." Kurz blitzten seine Augen: „Welche Waffen denn genau?" „Wurfmesser, Dolche, den Bogen und vielleicht noch die Pistolen.", ich schaute zu ihm, und seine Miene erhellte sich. Da hatte ich mir wohl einen neuen Freund gefunden! Er machte eine wegwerfende Handbewegung: „ Dann vergiss die Wiese, ich hab einen besseren Platz für dich! Soll ich dich hinführen?" Ich schmunzelte: „Wenn er nicht zu weit weg ist?"

Also folgte ich Emmet. Er führte mich einen Hügel hinauf, vorbei an jungen Tannen, angepflanzt in einer Monokultur bis wir schließlich zu einem kleinen Pfad kamen. Ich wusste nicht wo er mich hinführen würde, doch Emmet blieb optimistisch und folgte ihm. Die Nadelbäume am Rand des Weges kratzten mir über die Arme und das hohe Gras, von dem er überwuchert war, kitzelte meine Füße selbst durch die Hose. Schließlich lief der Pfad in eine Lichtung aus. Auf dem kahlen, erdigen Boden befanden sich eine Handvoll verschiedener Wiesenkräuter, die zu meinem Erstaunen sogar zu dieser Jahreszeit blühten. Süßklee, Stiefmütterchen, Hahnenfuß, Kamille, ... Hier und da stand am Randeine Buche. Zwei fanden sich sogar auf der Lichtung. Die meisten dieser Bäume hatten Narben und ritzen, als hätte jemand mit Messern auf sie geworfen. Doch am meisten Begeisterte mich die Aussicht. Von hier sah man über sanfte, hügelige Wiesen, über den dicht bewachsenen Wald, bis ins Tal, wo man einige Häuser erkennen konnte, ehe sich wieder ein mit Pflanzen überwucherter Hügel erhob. Und ganz am Horizont konnte man die Schneebedeckten Gipfel einiger Berge erkennen. Ich wusste nicht um welche es sich handelte. Eine sanfte Brise umspielte mein Gesicht und trug mir den Duft von herbstlichen Laub entgegen. In dem Moment fühlte ich etwas Magisches. Wenn jetzt noch die Sonne hinter den Bergen am Horizont untergehen würde, dann währe das hier wohl der perfekte Ort für ein Date. Und zwar keins von diesen 0815-Treffen, die man in jeder billigen Seifenoper zu sehen bekam, sondern eins von denen, die sich nach einem Kinofilm in dein Gedächtnis einbrennen, und bei denen jedes Mädchen, egal wie männlich es sich auch geben möge, ins Schwärmen geriet. „Na Jägerin, da hat es dir wohl die Sprache verschlagen!", ich drehte mich zu Emmet um, und er grinste mich an. Ausnahmsweise ließ ich das Kommentar unkommentiert: „Es ist wunderschön hier. Wunderschön und..." „Und perfekt um zu trainieren, ich weiß!", Emmet lachte, was mich miteinstimmen ließ: „Genau. Das wollte ich zwar nicht sagen, aber du hast recht" Er wandte sich zum Gehen: „Ich komme immer hier her, wenn ich Stress abbauen muss..." „Ja, so wie die Bäume aussehen hätte ich wohl auch nichts anderes gedacht.", ich fuhr ihm ins Wort. Emmet hingegen nahm es mit Spaß: „Haha, nein weißt du, ich hab eigentlich nur mit ihnen gekuschelt!" „Really?Also schlägst du wirklich zu wie ein Mädchen, mit was um Gottes Willen hab ich mich da bloß angefreundet?" „Mit dem heißesten Typen auf dem gesamten Planeten!", wir fingen an zu lachen und er gab mir einen Freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. „Ich lass dich dann hier mal Trainieren. Stell bloß nichts Dummes an und ich hoffe, dass du wieder zurück nach Hause findest!" Nach Hause. War es das? Nach so kurzer Zeit schon? Ja. Tief in mir wusste ich, mein Herz würde diesen Ort nicht mehr verlassen.
Emmet war verschwunden. Ich war also ab sofort vollkommen ungestört! Zuerst kniete ich mich auf den feuchten Boden und zog einen vollen Köcher mit Pfeilen aus der Tasche, ihn schnallte ich mir auf den Rücken, dann kamen der Schusshandschuh und der Armschutz. Letzteren legte ich mir an meine linke Hand, da ich in dieser den Bogen hielt und ohne könnte die Sehne des Bogens mich beim Schuss verletzen - und das gäbe üble blaue Flecken! Der Handschuh an meiner rechten Hand wurde exklusiv fürs Pfeilschiessen gefertigt und  war an Zeige- und Mittelfinger mit extradickem Leder versehen, damit ich auch nach einer vielzahl von Pfeilen noch in der Lage war zu schiessen und mir nicht irgendwann die Finger blau anläufen. Wie schon gestern Abend begann kurz wieder dieses Stechen in meinem Herzen. Nur viel leichter. Ich ignorierte es und schnappte mir meinen Bogen. Einen Compoundbogen, das bedeutete, er hatte Umlenkrollen in der Sehne intigriert, wodurch das Aufziehen zwar mehr Stärke erforderte, man sie jedoch viel leichter gespannt hallten konnte. Er bestand aus schwarzem Metall, dort wo ich ihn festhielt war eine Gummiligierung angebracht. Schlicht und einfach. So mochte ich das bei Waffen schon immer am liebsten.
Als Ziel wählte ich eine der Buchen auf der Lichtung aus. Ich hielt den Bogen zur Erde hin, und spannte ihn auch in diese Richtung, das währe sicherer, falls der Schuss doch auskommen sollte. Automatisch glitten meine Finge in den Köcher holten einen der tiefschwarzen Pfeile hervor und legten ihn behutsam in die Sehne. Nur seine rasierklingenscharfe, breite, vierkantige Spitze war von einem hellen Silberton. Zuerst zog sich das Seil in meinen Fingern schwer, biss es über einen bestimmten Punkt trat, es war, als würde es einrasten. Jetzt konnte ich ganz entspannt mein Ziel anvisieren. Wenn ich eine Waffe in meinen Händen hatte, dann war ich anders. Hier war nicht der Richtige Platz, um herum zu albern. Im Umgang mit Waffen konnte jeder noch so leichtsinnige Fehler dein letzter gewesen sein! Deshalb konzentrierte ich mich hier. Immer! Ich atmete einmal tief ein und wieder aus. Viesierte mein Ziel an. Ein und aus. Hielt meine Hand ganz still. Ein und aus. Versuchte meinen Körper voll und ganz zu beruhigen. Ein... Dann ließ ich los. Der schwarze Pfeil zischte durch die kühle Luft, und traf. Auf den Punkt genau. Durch langes Üben verfehlte ich mein Ziel so gut wie nie. Ich spannte schon für den nächsten Pfeil, doch dann hielt ich inne: "Willst du nicht rauskommen und mir sagen, warum du hier bist?" Ich drehte mich um. "Ehrlich gesagt... Ich dachte, ich störe dich!", Seth kam aus dem Gebüsch und versuchte wohl seine Unsicherheit damit zu verstecken, dass er mir nicht in die Augen sah. Fragend schaute ich ihn an, und senkte den Bogen gänzlich: " Warum solltest du mich stören? Du bist mir doch sauer... Oder nicht?"  "Ja... Nein. Nicht mehr! Ich kann nicht lange auf dich sauer sein!", druckste er herum, wobei der letzte Satz ihm wohl seinen Blick nach zu urteilen nur rausgerutscht war. Aber immerhin schaute er mich jetzt wieder an. Es war ja süß, irgendwie. Aber, Irgendwas lief doch hier falsch. Seth war doch nicht so schüchtern, oder? Ich versuchte ihm mehr aus der Nase zu ziehen: " Cool. Aber wie kommts?" "Wie kommt was?", aus den Gedanken gerissen betrachtete er mich. Behutsam ging ich einen Schritt näher an ihn heran. Einen, dann blieb ich stehen: " Dass du nicht mehr sauer auf mich bist. Und auch wenn du es nicht mehr bist, egal was ich gesagt hab, es tut mir trozdem leid und war sicher nicht so gemeint, wie du es aufgefasst hast!" Es schien, als würde er in Gedanken mit sich Ringen. Dann schaute er auf, und ich konnte das entschlossene Glitzern in seinen Augen sehen: "Ich würde dir gerne etwas erzählen!" "Okay.", ich hatte keinen Schimmer, worum es ging. Doch tief in meinem Inneren wusste ich, dass es wichtig war. Sehr wichtig. So schulterte ich meine Tasche und ging neben dem Wolfsjungen her.

Hunter and WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt