Von zickigen Wölfen und teuren Zwiebeln

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Leahs Wille war Gesetz! Nach einem nicht gerade gesprächigen Frühstück fanden wir uns also auf einer Wiese mitten im Wald wieder. Das Gras war nicht sehr hoch, sodass man noch gut laufen konnte, und auch sonst nahm ich niemanden in unserer Nähe wahr. Mittlerweile dürfte es gut eins sein, es war auch wieder einigermaßen warm, aber nicht zu warm man brauchte immer noch eine Jacke. In meinem Fall eine lederne mit silbernen Nieten. Zudem trug ich ein schlichtes, blaues T-Shirt, eine schwarze Hose und ebenfalls schwarze, mit Nieten besetzte Boots. Die Haare hatte ich mittels eines hohen Pferdeschwanzes nach hinten gebunden,  sodass sie mir nicht mehr ins Gesicht hängen konnten, stattdessen baumelten sie im Takt hin und her, wenn ich mich bewegte. Schließlich hing um meine Hüfte noch der schwere Waffengurt, der auch meinen Diamantdolch beinhaltete. Auch wenn ich ihn sehr wahrscheinlich im Training mit den Wölfen nicht gebrauchen konnte. Seth saß gelangweilt in seiner Wolfsform da. Ich hätte mich natürlich zu ihm stellen können, aber wir hatten seit heute Morgen kein Wort mehr miteinander gewechselt. Das war auch gut so. Ich brauchte diese Stille zum Nachdenken. Nicht nur über die Sache von in der Früh. Überhaupt. 

Bevor ich mit ihm reden wollte, würde ich mir erst im Klaren darüber sein müssen, was da zwischen uns war, wie es weiter gehen sollte und vor allem, was ich überhaupt genau fühlte. Denn mittlerweile konnte ich nicht mehr bestreiten, dass er mir wichtig war. Sehr wichtig! Aber was genau fühlte er? Und wie würden all die anderen auf eine Beziehung zwischen uns reagieren? Falls es überhaupt zu so einer kommen sollte. Und was würde danach passieren? Wenn das alles hier vorbei war? Wäre ich wirklich in der Lage, wieder mit Stefan und Vladimir zu gehen und so zu tun, als sei dies alles hier nie gewesen? Nein, das konnte ich nicht. Aber würde ich so einfach hierbleiben können? Wenn ich dann überhaupt noch am Leben war. Dies stellte sich als ganz anderes Unterfangen heraus, man konnte ja nie wissen! 

„Also Leute, wir machen das so: wir greifen uns gegenseitig abwechselnd an und geben den jeweils anderen dann ein Feedback, was er besser machen könnte. Dann versuchen wir dies in einer zweiten Runde so gut es geht umzusetzen!“, Leah klatschte voller Elan in die Hände. Sie war heute ziemlich gut drauf. Es war zwar schön, sie so gut gelaunt zu sehen, aber irgendwie war sie gruselig. So wie der Clown aus dem Film „ES“ von Stephen King. Obwohl, ich fand den Clown eher cool und nicht gruselig. Naja, ganz dicht war ich ja noch nie. Ich schüttelte den Kopf, dann wandte ich mich wieder an Leah. Sie schaute mit gerunzelter Stirn, aber mit einem Lächeln auf den Lippen zwischen mir und ihrem Bruder hin und her, „Was ist denn heute mit euch allen los? Jeder bläst Trübsal! Naja, ist ja jetzt auch egal!“ Sie zuckte die Schultern und ein Reisen ertönte. Im nächsten Augenblick war das Mädchen verschwunden und ein hellgrauer Wolf war an ihrer Stelle erschienen. Sogar in dieser Tierischen Form war sie wunderschön. Gut, ich gebe zu: Von Zeit zu Zeit fragte ich mich echt, ob sie ihr Fell mit Hundeshampoo oder ähnlichem pflegten. Mal ehrlich, es roch gut, war nie verfilzt, hatte ein seidiges glänzen und man hatte immer, aber auch wirklich immer das Bedürfnis darin herum zu streichen und seine Finger in dem Pelz zu vergraben. Also, was waren gleich nochmal die Argumente gegen Hundeshampoo? Hände hoch. Irgendwer? Ich wusste es: Hundeshampoo und eine Flohbürste! Das war ihre Geheimwaffe! Doch lange konnte ich nicht über Shampoo und Bürsten nachdenken. Und wie es die Wölfe überhaupt so groß in die Dusche schafften?

Denn dann begann das Training. Als erstes griff Leah mich an. Mit gefletschten Zähnen ging sie auf mich los und versuchte mich zu erwischen. Jedoch war ich schnell. Schneller als der hellgraue Wolf. Ihr Kampfmuster war leicht zu durchschauen. Jeder ihrer Bisse ging ins leere und dann war ich mit meinen Schachzug an der Reihe. Als Leah wieder mit weit aufgerissenen Maul auf mich zusprang, drehte ich mich mit Leichtigkeit zur Seite weg. Ihr Gebiss machte ein undefinierbares Geräusch, als ihre Zähne mit voller Wucht aufeinander prallten. Schneller als ihr lieb war, machte ich noch eine Drehung, stützte mich dabei mit den Händen auf den Boden ab und schubste sie mit aller Kraft, die meine Füße hergaben von mir weg. Kurz flog sie durch die Luft, dann traf Leah mit einem dumpfen Schlag und kurzem jaulen auf den Boden auf. Ich hatte gewonnen. Sie rappelte sich wieder auf, und stapfte auf mich zu. „Du bist zu leicht zu durchschauen. Ich konnte jeden deiner Schritte vorhersehen. Du greifst fast immer gleich an. Und du bist zu langsam im Nahkampf! Aber wenn du dich überhaupt mehr in Bewegung setzten würdest, dann würde das gar nicht zur Geltung kommen!“, der harte Trainer-Ton war wohl ein kümmerliches Überbleibsel aus der Erziehung der zwei Vampire.  Der helle Wolf schaute mich an, und auch sein sandfarbener Bruder hörte mir, auffällig, unauffällig, aufmerksam zu: „Du darfst dich nicht so sehr auf das verlassen, was du gelernt hast. Es ist zu leicht zu durchschauen. Denk einfach nicht nach und verlass dich auf deinen Instinkt als Wolf, es liegt dir schließlich im Blut zu kämpfen! Wir versuchen es gleich nochmal, aber verschwende diesmal keinen Gedanken zu viel!“ Sie schien mich richtig zu verstehen, und ich war mir sicher, dass sie mir dieses Mal einen gescheiten Kampf lieferte. Ich begab mich also wieder in Kampfstellung und auch Leah baute sich vor mir auf. Verschlagen grinste ich sie an: „Bereit?“

Hunter and WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt