Die kalte Jägerin

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Die Fahrt über schwiegen wir. Auch als Seth mich beim Haus der Cullens absetzte sagte er nichts. Er ließ mich nur aussteigen und ignorierte mich dabei. Keine Reaktion. Er lächelte mich noch nicht einmal an, wie er es sonst immer tat, wenn er nichts zu melden hatte. Hatte ich irgendwas Falsches gesagt? Es war komisch. Ich konnte die Stimmung zwischen uns beiden nicht deuten. Irgendwie hatte sie etwas von Spannung. Hochspannung. Ich traute mich nicht Irgendetwas zu tun, aus Angst vor möglichen Komplikationen. Und als ich dann endlich die Haustür hinter mir zugezogen hatte, atmete ich erleichtert ein. Was war das? Irgendetwas war an dem Abend falsch gelaufen. Oder besser: Irgendetwas musste ich falsch gemacht haben, denn der Wolf war mir anscheinend ziemlich beleidigt. Doch wollte mir partout nicht in den Sinn kommen was. Ich hatte keine Ahnung. Alles war doch so super toll verlaufen. Und was war das für ein Gefühl, dass sich jetzt in meinem Herz breitmachte? Es stach. Tat weh. Ich wollte meine kreisenden Gedanken abstellen, sie in den Hintergrund drängen, doch es funktionierte nicht. Ich stolperte in das Badezimmer und stützte mich schwer atmend an der Wand ab. Der Schmerz wollte nicht verschwinden und in meinem Kopf tauchte immer wieder das Bild von Seths braunen Augen auf. Ich wollte schreien, doch in einem Haus voller Vampire konnte ich es nicht. Auch wenn sie vermutlich alle um diese Zeit bei der Jagd waren, konnte ich nicht riskieren, dass mich jemand hörte. Und selbst wenn noch einige hier währen und sie es wohl alle schon mitbekommen hatten, mir deshalb aus den Weg gingen, würde ich jetzt nicht auf die Idee kommen. Es wurde immer unerträglicher.  Wellen brennenden Schmerzes Rollten durch meinen Körper. Meine Hände zitterten. Ich musste etwas unternehmen! Mit lautem Krach stieß ich die Tür zur Dusche auf und stellte mich mitsamt Kleidung hinein. Eiskaltes Wasser lief in Strömen über meinen Kopf, während ich mich mit den Händen an den glatten, weißen Wandfliesen abstützte. Dann war er weg. So schnell wie der schmerz in meinem Brustkorb gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, was das gerade gewesen sein könnte, doch ich kam zu keinem Schluss. Als sich meine angestrengte Atmung wieder einigermaßen beruhigt hatte, stieg ich tropfend aus der Kabine und entledigte mich meiner Kleidung, die ich in eine Ecke des Badezimmers verfrachtete. Notdürftig in ein Handtuch gewickelt fand ich mich nach einer geschätzten Ewigkeit in meinem Zimmer wieder. Ich schlüpfte in meinen Schlafanzug und versuchte mir die Haare trocken zu reiben. Mein Fenster stand offen, und als ich hinaus blickte, umhüllte mich eine sternenklare Nacht. Doch so hell wie man die Sterne am Himmel blitzen sah, so kalt war es auch. Schnell schloss ich das Fenster und suchte im  mittlerweile unterkühlten Zimmer nach einer Heizung. Finden tat ich keine! Vampire froren ja nicht. Fazit: sie brauchten auch keine Heizung. Zu allem Übel war mein Bett zwar mit einer Vielzahl von kuscheligen Kissen ausgestattet, eine Vielzahl von warmen Decken hätte mir aber besser gepasst. Und wäre auch nützlicher gewesen! Tatsächlich konnte ich im ganzen Zimmer nur eine mickrige Sommernachtsdecke finden. Die war wirklich mickrig! Sie hatte noch nicht einmal einen wärmeren Winterbezug. Eines war mir spätestens von diesem Augenblick weg klar: Heute Nacht würde es frostig werden! Dabei hatte der Tag so gut angefangen! Notdürftig kuschelte ich mich also so gut es ging in die Sommerdecke und fror mir samt nassen Haaren den Arsch ab! In dieser Nacht dämmerte ich zwischen wachen, kalten Schüttelfrostperioden, bei denen ich versuchte mich mit Händereiben und Anhauchen einigermaßen warmzuhalten und schlafenden, ebenso kalten Schüttelfrostperioden hin und her. Gerade war ich wieder wach und  fluchte leise vor mich hin, da konnte ich aus dem Augenwinkel etwas vor meiner Balkontür entdecken. Was war das für ein Schatten, der sich dort umher trieb? Oder hatte ich mir das im Kältewahn nur eingebildet? Nein hatte ich nicht. Einige Augenblicke später huschte dort schon wieder etwas vorbei. Ich drehte mich schlotternd um. Nicht vor Angst, sondern vor Kälte! Falls jemand so Charakterlos währe und mich in diesem Zustand angreifen sollte, ich würde mich auf der Stelle ergeben. Und vielleicht hoffen, dass der „Feind“ eine Tasse heiße Schokolade für mich hatte. Doch vor der Tür stand kein Feind. Es überraschte mich, Seth dort zu sehen. War ich vielleicht schon nahe dem erfrieren? Spielte einem das Bewusstsein dann nicht auch Streiche? Ein klopfen ließ mich zusammenzucken. Nein, meine Einbildung konnte ganz sicher noch nicht an das Fenster hämmern. Es war Seth! Mit starren Gliedern stand ich auf und öffnete ihm mit tauben Fingern die Tür: „Was machst du denn hier?“ „Dir ist kalt! Komm!“, er erklärte nichts. Ging nur an mir vorbei und umschloss mit seinen warmen Fingern meine Hand, um mich zum Bett zu ziehen. Bereitwillig ging ich ihm nach. Ich konnte mir denken was er vorhatte, wenn auch nicht warum er zuerst sauer auf mich war und dann plötzlich so nett.  Einen Augenblick später fand ich mich in der „heißen“ Umarmung von Seth wieder. Die Decke über uns beide ausgebreitet. Und langsam kehrte das Gefühl wieder in meinen Körper ein. Die Kälte verschwand und die Müdigkeit nahm zu. „Danke!“, ich gähnte noch ein letztes Mal, ehe ich mich enger an meinen Wolf drückte und dann schließlich in die Traumwelt abdriftete. Eine Antwort hatte er mir nicht gegeben.

„WAS SOLL DAS DENN BITTE? RAUS AUS DIESEM BETT DU ELENDIGER KÖTER!“, Vladimirs schrille Stimme, die sicherlich guten Gebrauch in der Oper gefunden hätte, weckte mich kreischend – und meines Erachtens viel zu früh - am nächsten Morgen. Verschlafen rieb ich mir die Augen: „Was?“ „Du hast mich schon verstanden!“, im ersten Augenblick drehte ich mich für Sekundenbruchteile in der Luft, ehe ich dann hart auf den Boden aufschlug, im nächsten vernahm ich einen dumpfen Aufprall auf der anderen Seite des Bettes und Seths stöhnen. „Was wird DASHIER denn bitte?“, Vladimir war sauer. So sauer, dass er Seth seinen berühmt-berüchtigten Bitchblick zuwarf. Und das sollte schon was heißen! Mir war das jedoch ziemlich egal. Meine Rechnung hatte ich jedoch nicht mit dem zweiten Rumänen gemacht, denn der Stand keine Sekunde später ebenso im Zimmer: „Was ist das hier für ein Krach? Vladimir, bist du schon wieder zu streng mit ihr?“ „Zu streng? ZU STRENG? Sie… Dieses… dieses undankbare Stück wagt es das Bett mit einem Wolf zu teilen, und du sagst, ich sei ZU STRENG?“, Blondie war kurz vorm platzen. „Oh!“, Stefans Blick fiel auf mich, ehe er schließlich zu Seth wanderte. „Ts! Eurem undankbaren Stück. War in diesem Haus ohne Heizung und vernünftigen Decken eben kalt! Ist das so schwer zu verstehen?“, ich blitzte Vladimir an. Irgendein Teil von mir  verabscheute ihn aus ganzem Herzen. Aber eben dieser Teil wusste auch, dass ich mir mit Stefan, der eben einfach der Inkonsequentere von beiden war, ein Schnippchen schlagen konnte: „Verstehst du das nicht? Weißt du noch, wie es war, als Mensch zu frieren? Wenn man da liegt und nicht einschlafen kann, weil die Kälte sich in dein Fleisch frisst? Weißt du noch die erbitterlich, kalten Winter zu deiner Zeit Stefan? Hättest du dann nicht auch jede denkbare Wärmequelle genommen, die du bekommen konntest? Ich versichere euch, zwischen mir und Se… dem Wolf ist nichts, außer ein rein freundschaftliches Band. Aber wollt ihr mich wirklich für etwas rein Menschliches verurteilen? Ihr sagt doch selbst so oft, ich sollte mehr ein Mensch sein. Da habt ihr ihn. Aber macht mir bitte keinen Vorwurf!“ Stefan nickte anerkennend, während Vladimir seine perfekten, weißen, Vampirzähne zusammenbiss. Er hatte verloren, das wusste er nun spätestens nach Stefans nächsten Satz: „Ich verstehe dich Prinzessin, niemand unterstellt dir hier irgendetwas! Ich werde gleich mit Carlise sprechen, damit…“, er hielt inne und für einen winzigen Augenblick huschten seine Augen in Seths Richtung, „…damit du solche… Maßnahmen… nicht wieder ergreifen musst!“ Ich nickte ihm freudig strahlend zu, dann verschwand Stefan aus dem Zimmer. Zurück blieb das Dreiergespann aka Vladimir, Seth und ich. Der blonde zischte uns beide an: „Denkt ja nicht, ich wüsste nicht, was ihr hier für ein Spiel spielt! Aber keine Sorge Elizabeth, früher oder später wird es auch der ach so gutgläubige Stefan durchschauen, und dann. Dann ist es aus mit dir!“ Ich grinste ihn boshaft an: „Träum weiter Blondie!“ Er zischte mich an, wie eine Schlange, in deren Revier man eingedrungen war. Dann verschwand er. „Männliche Zicke! Alles okay bei dir Seth?“, ich richtete mich wieder auf, und schaute zu dem Werwolf, dessen Gesicht merkwürdig verzogen war. Er antwortete mir nicht, wie so oft in letzter Zeit. Ich richtete mich wieder auf, umschritt das Bett und reichte dem Wolf meine helfende Hand. Doch er zeigte mir die kalte Schulter. Ich entschied mich dazu, initiative zu zeigen und hielt seinen Arm fest, als er sich wegdrehen wollte: „Seth? Was ist los?“  An diesem Tag konnte ich in seinen Augen etwas sehen, wovon ich geglaubt hatte, Seth wäre nicht im Stande es zu fühlen. Trauer, Schmerz Wut. Vor allem Wut. Kein kleines, harmloses bisschen davon, das irgendwie jeder an einem schlechten Tag hatte. Dieses hier war anders. „Das denkst du also von mir? Dass ich nur ein erbärmlicher Fellwechsler bin, den du ausnutzen kannst, um dich nachts aufzuwärmen? Nur eine alberne, kleine Witzfigur, die alles macht, was du sagst, nur damit du sie vor deiner „Familie“ schlecht hinstellen kannst? Ich dachte bis jetzt immer, du wärst anders als sie Liz. Ich dachte, du wärst freundlich und gut. Ich dachte ich wäre nicht bloß irgendein dahergelaufener
Wolf für dich!“ Es war so still, das man eine Stecknadel fallen hören konnte. Ich war sprachlos. Was war in ihn gefahren, dass er so etwas dachte? Hatte ich es zuvor wirklich so herüber gebracht, als würde Seth mir nichts Wert sein? Je länger die Stille andauerte, umso höher wurde auch die Spannung, die in der Luft lag. Er hatte gesagt, was ihm auf den Herzen lag und ich wusste zum ersten wirklichen Mal in meinem Leben nicht, was ich hätte erwidern sollen. Schließlich war es keiner von uns beiden, der die Stille brach, sondern Leah, sie schlug die Zimmertür mit Schwung auf: „Ah Leute, da seid ihr ja. Ich hoffe ihr habt heute noch nichts vor, denn wir werden nachher alle drei zusammen Trainieren!“

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Es tut mir leid, dass so lange nichts mehr gekommen ist!😫
Ich hoffe, euch gefällt die Story trotzdem noch, und ihr lasst mir doch noch ein Sternchen oder Kommi da★😍

Hunter and WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt