Wir marschierten auf einen Trampelpfad durch den Wald und mit den letzten Strahlen der untergehenden Sonne, kamen wir an den Klippen an. Ich staunte nicht schlecht: „Die Aussicht ist wunderschön!“ Das Meer, das man von hier oben sehen konnte, spiegelte das Licht der Sonne wie tausende Diamanten wieder. „Nicht? Komm, setz dich her!“, er saß an der Klippe, und ließ seine Füße hinunter baumeln. Als ich ihm so nahe kam, löste das etwas in mir aus. Es war wie elektrische Spannung, die plötzlich meinen Körper zu durchfluten schien. Ich nahm mir die Sonnenbrille ab, um das Naturschauspiel besser betrachten zu können, doch als die Strahlen des Feuerballs auf meine Augen trafen, entschied ich mich dazu, sie doch wieder aufzusetzen. Eine Weile sagte keiner von uns beiden ein Wort und jeder schien seinen Gedanken nachzuhängen. „Liz?“, er durchbrach die Stille. „Ja?“, kurz wandte ich meinen Blich vom Meer ab, um ihn durch die dunklen Gläser der Brille anzusehen. Er schaute hinunter auf seine verschränkten Hände und ein kleines Grinsen stahl sich auf sein Gesicht: „Hast du wirklich geglaubt, dass ich mit Leah zusammen bin?“ Auch mir entblößte sich ein kleines Lächeln. Im Nachhinein war es doch recht lustig gewesen: „Was hätte ich denn sonst denken sollen? Mir hat ja keiner gesagt, dass ihr Geschwister seid. Und soo ähnlich seht ihr euch jetzt auch nicht.“ Diesmal lachte er los. Nach einer kurzen, beleidigten Pause stimmte ich jedoch auch mit ein.
Aber Seth hielt inne und starrte mich verblüfft an. „Was ist?“, verwundert zog sich meine Stirn kraus. „Du lachst Liz. Zum ersten Mal, seit wir uns kennen lachst du!“, kurz schaute ich ihn an, doch dann lachte ich weiter. Es war schön, seine Freude zu zeigen und das Lachen war ein Stück, das mir all die Jahre gefehlt hatte! Irgendwo in mir konnte ein kleiner Teil nicht glauben, was da gerade passierte, aber dem Rest war es egal. Warum sollte ich auch nicht lachen? Mir ging es gut! „Nicht das erste Mal, seit wir uns begegnet sind. Das erste Mal seit Jahren!“, irgendwann war ich dann doch soweit, Seth eine Antwort zu geben. „Seit Jahren?“, er griff sanft nach meiner Hand und ich ließ ihn gewähren, „Warum? Erzähl mir davon!“
Kurz überlegte ich, dann wendete ich meinen Blick auf das schillernde Meer unter mir. Und während die Sonne ihre letzten Strahlen am Tag auf der Erde verteilte, erzählte ich Seth meine Geschichte: „Es heißt immer, kein Leben sei perfekt. Aber zugegeben, meines kam schon ziemlich nahe an „Perfekt“ ran. Wenn man etwas hat, dann ist man sich dessen Wert meist nicht bewusst. Damals hatte ich alles, was ich jetzt so gerne wieder besitzen würde: Einen Vater, eine Mutter und einen Bruder: Eine liebende Familie. Eine glückliche Zeit. Bis ich neun war, verlief mein Leben… toll. Einfach nur toll. Dann, eines Tages, es war noch früh am Morgen, wurde ich von Schreien geweckt. Entsetzten Angstschreien. Ich sprang auf um nach meiner Familie zu sehen, doch als ich im Wohnzimmer ankam, war es zu spät. Die Augen meines Bruders schauten mir nur leer entgegen und daneben die ewig schwarzen eines Vampirs. Er trug die Tracht der Volturi. Ich schrie. Nach meinen Eltern, um Hilfe. Doch niemand hörte mich. Auch sie waren schon Tod. Ich weiß noch, ich hatte Angst. Große Angst. Ich dachte, er würde mich auch töten… doch er ging nur achtlos an mir vorbei. Als wäre ich gar nicht da. Die ganze Nacht lag ich da und weinte. Es war ein verdammt schlimmes Gefühl. Mein letztes Gefühl für eine lange Zeit. Dann kamen Leute, sie redeten mir gut zu und nahmen mich mit sich. Jäger, wie sie herausstellte. Von nun an lebte ich bei ihnen. Später erfuhr ich, dass meine Familie seit Generationen den Vampirjägern angehörte, die mich dann bei sich aufnahmen. Das einzige, was mir bis heute von meinen Eltern geblieben ist, ist diese Kette, mit unserem Wappen und ich hüte sie wie einen Schatz.“ Ich zog die Kette aus meinem Ausschnitt hervor und ließ sie in meiner Hand ruhen: „Hier sollte ich dir vielleicht noch einmal führ ihre Wiederfindung danken. Aber ich schweife ab. Du musst wissen, ein Jäger kann man nicht einfach so werden. Entweder man hat besondere Fähigkeiten, mit denen man in den Bund aufgenommen wird, eine alte Freundin von mir, konnte zum Beispiel Dinge durch ihre Gendanken bewegen, sie wurde so hart Trainiert, dass man diese Fähigkeit zur Jagt der Untoten verwenden konnte… Oder man wird, so wie ich, hineingeboren. Das einzige Problem, das ich hatte, war, dass meine Familie… dahin geschieden war… um es mal zu umschreiben, ich somit keinen Vormund mehr hatte. Also konnten sie mich ruhigen Gewissens für ihre Experimente verwenden. Es konnte ihnen ja niemand dazwischen Funken! Und ich ließ alles bereitwillig mit mir anstellen. Was hatte ich auch noch zu verlieren? Nichts mehr! Ich war vielleicht neun ein halb, als sie mich das erste Mal auf den Untersuchungstisch fixierten. Damals wusste ich nicht, was sie jetzt vorhätten, doch als sich das verdünnte Vampirgift wie flüssiges Feuer durch meine Adern fraß, wünschte ich mir den Tod. Sosehr wie noch nie zuvor. Auch wenn es kaum merklich war, jedes Mal, wenn ich wieder auf dem kalten OP-Tisch in dem spartanischen, weißen Raum lag, jedes Mal wenn sie mir wieder eine Spritze in die Ader rammten, wurde ich stärker. Es tat immer weniger weh. Nach ein paar Injektionen schrie ich nicht mehr von ganzem Leib, nach den nächsten paar weinte ich nicht mehr, dann hielt ich es stumm aus. Und eines Tages, da tat es gar nicht mehr weh. Von da an, war ich immun gegen Vampirgift. Und von da an hatte ich mir als Ziel gesetzt den Clan der Volturi auszulöschen und Rache an meiner Familie zu nehmen. Später, es war eine meiner ersten Missionen und ich war gerade einmal dreizehn, stieß ich zu Vladimir und Stefan. Wie auch schon der Vampir damals, töteten sie mich nicht. Zuerst wollten sie mich verwandeln, doch ihnen wurde schnell klar, dass ich immun gegen ihr Gift bin. Sie boten mir an, bei ihnen zu bleiben, von ihnen zu lernen und irgendwann das Privileg zu haben, Aro zu töten. Also schloss ich mich ihnen an. Ich gebe zu, am Anfang mussten wir uns erst zusammenraufen, aber mit der Zeit wuchsen wir zusammen wie eine Familie. Ob du es mir glaubst oder nicht Seth, manchmal komm ich mir vor wie die Adoptivtochter eines Schwulen Pärchens. Nichts gegen Gleichgeschlechtliche! Und die beiden sind auch nicht schwul! Glaub ich... Na ja… den Rest der Geschichte kennst du ja.“
Eine Weile sah er mich nur an. Dann räusperte er sich: „Du hast, seit du neun warst nicht mehr gelacht?“ „Es war nicht wichtig!“, ich zuckte die Schultern, „Aber jetzt habe ich ja dich. Die Spaßkanone!“ Dann boxte ich ihm Spielerisch in die Seite und er schien zu verstehen. Ich wollte nicht weiter auf das Thema eingehen. Stattdessen boxte er zurück und aus dieser kleinen Zankerei wurde schnell ein Umhertoben. Während Seth mich ordentlich durchkitzelte war die Sonne schon völlig verschwunden, doch niemanden störte es. Irgendwann schaffte ich es mich aus seiner kitzligen Umarmung zu befreien und rannte kichernd in den angrenzenden Wald. Er folgte mir, das konnte ich hören. Also gab ich noch mehr Gas. Irgendwann versteckte ich mich hinter einem Baum, wohl wissend, dass er mich, meinen schweren Atem, hören würde.
Dann vernahm ich den Klang von sanften, weichen Pfoten auf dem laubbedeckten Waldboden. Er hatte sich verwandelt. Plötzlich war die Atmosphäre nicht mehr Witzig, sondern Ernst. Als hätte er mich gerufen, kam ich aus meinem Versteck hervor und auf Seth zu. Und als ich den sandfarbenen Wolf sah, war es für einen kurzen Moment so, als würde sein Herz im Gleichklang mit meinem Herzen schlagen.
Genau wie an dem Tag unserer ersten Begegnung standen wir einander gegenüber und keiner sagte ein Wort. Es herrschte Stille. Keine erdrückende oder angespannte, sondern mehr als würde jeder von uns den Moment auskosten. Langsam schritt ich auf den Wolf zu. Ich wusste nicht genau was es war, aber ich war mir sicher, dass Seth es in diesem Augenblick auch spürte. Wir waren verbunden. Als würde man unsere Herzen mit einem unsichtbaren Strick verbinden. Ich stellte ihn mir Silbern vor, hauchdünn, und doch so stark, dass ihn nichts durchtrennen konnte. Auch mein Wolf machte einige Schritte in meine Richtung. Mein Wolf! Es hörte sich schön an. Binnen Sekunden standen wir ganz nah beieinander ich konnte seine Hitze spüren, und, was noch viel wichtiger war, seinen Herzschlag, der weich und langsam dahin schlug. Das alles löste etwas in mir aus. Zum ersten Mal in meinem Leben als Hybrid fühlte ich mich sicher, und geborgen. Zum ersten Mal, hatte ich nicht nur das Gefühl wegen eines Bundes oder eines Versprechens hier zu sein. Ein alter Spruch sagt: Du bist dort zu Hause, wo sich dein Herz daheim fühlt! Und hier fühlte ich mich daheim. Nicht in Forks, oder La Push, sondern genau da, wo ich jetzt stand. Neben Seth, an seiner Seite. Mittlerweile leugne ich noch nicht einmal mehr, dass er einen festen Platz in meinem Herzen eingenommen hat seit ich ihn damals das erste Mal gesehen hatte. Ich akzeptiere es.
Und wie an dem Tag unserer ersten Begegnung vergrub ich meine Hand in seinem flauschigen Fell, was den Wolf vor mir zum Schnurren brachte – soweit man das so nennen konnte. Eine Weile sahen wir uns nur an, ehe der Wolf sich umdrehte um sich zurück zu verwandeln. Doch aus dem Gebüsch tauchte nicht der lebensfreudige, muntere Seth auf, den ich kannte. Dieser hier war nachdenklich, ruhig. Ohne Umschweife kam er auf mich zu und schloss mich in seine Arme: „Du bist echt was Besonderes, Liz!“
Ich fragte mich, was wohl nun in ihn gefahren war. So kannte ich ihn nicht, und zugegeben, es war mir unangenehm, nicht zu wissen, was jetzt passieren sollte. Also traf ich infolge dieses Gedanken eine Entscheidung, die mein ganzes Leben verändern sollte. „Seth? Ist alles okay?“, mit einer Hand griff ich an meine Sonnenbrille, um mir diese vom Kopf zu nehmen und schaute vor uns auf den Boden. Dann glitt mein Blick langsam über ihn, seine Kräftigen Arme, die mich umschlungen hielten, seinen muskulösen Brustkorb und seine vollen Lippen, die sonst immer ein Lächeln zierte. Letztendlich trafen sich unsere Blicke. Und wenn er mich nicht festgehalten hätte, dann schwöre ich, wäre ich vermutlich umgekippt. Seine Augen zogen mir im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen weg.
Sie waren braun. Kein helles oder unreines Braun, sondern ein dunkles. Fast schwarz, und ich tat mir schwer die Pupille von der Iris zu trennen. Bildete ich mir ein, dass sich die Sterne in Seths Augen zu spiegeln schienen? Sie zogen mich in ihren Bann, und ich wollte nicht wegsehen. Alles um uns herum schien still zu stehen. Für einen kurzen Augenblick, der sich wie die Ewigkeit anfühlte, sagte keiner von uns etwas und wir schauten dem anderen nur in die Augen. Hinter mir hätte die Welt untergehen können, und es hätte mich nicht interessiert. Irgendwann – ich wusste nicht ob Minuten oder schon Stunden vergangen waren – tauchte ich langsam aus dem Unendlichen Meer von Seths Seelenspiegeln wieder auf. Ich zwinkerte ein paar Mal, dann räusperte ich mich. Ich wollte mich abwenden, doch er schien in einer Art Starre gefangen zu sein. Seine Arme schlangen sich fester um meine Taille, als würde er mich nie wieder loslassen wollen. „Seth? Alles in Ordnung?“, kurz schien er noch benebelt, doch dann erwachte auch er aus seiner Trance. Verwundert schaute er mir nochmals in die Augen. Doch dieses Mal war etwas anders zwischen uns, jeder konnte es deutlich spüren. Er schüttelte den Kopf, dann lächelte er mich wieder an, als wäre dies alles hier nie geschehen: „Ja, ja klar! Komm, lass uns nach Hause fahren. Es ist schon spät!“ Dann drehte er sich um und führte mich wieder zurück zu unserem Wagen. Meine Hand hatte er jedoch dabei nicht ein einziges Mal losgelassen.
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Hunter and Wolf
FanficAls eine junge Vampirjägerin eines Tages auf Vladimir und Stefan trifft, ändert sich ihr Leben vollkommen. Von nun an steht sie auf der Seite der Rumänen, um einmal gegen die Volturi zu kämpfen. So macht sie sich zusammen mit Dracula eins und zwei a...