Drei gegen einen

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Der Meisterdieb 1412 hatte beschlossen, Shinichi zu nichts mehr zu drängen, wenn dieser nicht dazu bereit war. Vielmehr mochte er es, abzuwarten und einfach die Zeit, die er mit seiner großen Liebe teilen konnte, zu genießen. Das war einer seiner tiefsten Wünsche gewesen und er war nun froh, dass er sich erfüllte.
Deshalb hatte er sich auch vorgenommen, Shinichi seine Liebe bei allen erdenklichen Möglichkeiten zu zeigen. Eine dieser Möglichkeiten bot sich ihm gerade, als Shinichi von seiner dicken Krimilektüre losgekommen war, um sich Kaffee nachzufüllen. Ganz leise, und das konnte er wirklich hervorragend, schlich sich Kaito von hinten an den Detektiv heran, packte ihn an den Hüften und flüsterte in sein Ohr:
"Tantei-san ..." Dabei ließ er seine Zungenspitze genüsslich über Shinichis Wange streichen, als ob sie mit Honig verschmiert wäre.
Shinichi fröstelte leicht, als Kaito ihm ins Ohr flüsterte und er lief schließlich über beide Ohren rot an. Wie so oft war er vergeblich bemüht, sich aus Kaitos starken Händen zu befreien. Er schnaubte laut, ließ den Kaffee stehen und ließ sich dann, ohne weitere Gegenwehr, auf einen Sessel im Wohnzimmer bugsieren.
Dort verblieben die zwei erst einmal, Shinichi mit einem schiefen Lächeln und Kaito mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. Sie schwiegen. Denn Shinichi gefiel es überhaupt nicht, wie ein kleiner Junge auf dem Schoß seines Freundes zu sitzen und Kaito wiederum genoss einfach die Nähe seines Geliebten. 
Shinichi war etwas verunsichert, als er fragte: "Äh, Kaito, was soll das?" Ein flüchtiger Kuss auf die Wange war Antwort genug. Ergeben seufzte der Junge mit den himmelblauen Augen. Genervt verzog sich sein Gesicht kurz zu einer Grimasse.
"Ich gebe ja schon auf", flüsterte er und gab Kaito nun ebenfalls einen Kuss auf die Wange. Kaito grinste schelmisch und vergrub seine Nase in Shinichis Haaren. Gierig sog er den Duft ein. Dabei wanderte seine rechte Hand langsam zu Shinichis Hosenbund hinab, sie wurde jedoch abrupt aufgehalten.
"Kaito, lass das!", zischte der Ältere wütend. Der Meisterdieb drehte Shinichis Kopf sachte zu sich, damit er in sein Gesicht blicken konnte. Der Detektiv wiederrum konnte Unverständnis in dessen Gesicht lesen. Missbilligend schüttelte er den Kopf, sprang von Kaitos Schoß und setzte sich auf den Sessel Kaito gegenüber, in dem er zuvor seinen Krimi gelesen hatte. Er legte das Buch zur Seite und ließ sich seufzend in die bequemen Polster sinken.
"Shinichi, was ist los mit dir?", fragte Kaito besorgt und setzte sich wieder aufrecht hin.
"Ich mache mir Sorgen, Kaito-san. Ich kann das nicht, wenn du verletzt bist." Mit einer leichten Kopfbewegung deutete er auf den Verband unter Kaitos Pulli, der unter dem Stoff hervorlugte.
Kaito wollte schon zu einer Antwort ansetzen, aber Shinichi unterbrach ihn unwirsch: "Außerdem mache ich mir Sorgen wegen Kommissar Nakamori. Er wird diesen Köder doch nicht so einfach geschluckt haben ..."
Kaito lachte kurz auf. "Doch, natürlich hat er das", meinte er selbstsicher. "Der Kommissar ist so ein Trottel! Und selbst wenn, haben wir alles richtig gemacht. Er kam mich neulich erst in meiner Wohnung besuchen. Und er dachte, ich sei dein alter Freund, mit dem du unterwegs warst. Er hatte keinen Schimmer, dass ich verkleidet war!" Kaito machte eine abwertende Handbewegung, wie um seine Worte noch zu betonen. "Du brauchst dir wegen dem Kommissar keine Gedanken zu machen, Shinichi."
Er lächelte zufrieden, doch die Miene seines Freundes wollte sich nicht aufhellen.
Shinichi sah bedrückt auf sein Buch, dann wieder zu Kaito. "Und was ist mit Ran?"
Kaito schluckte. Er war sprachlos. Das war immer ein Thema, welches er versuchte zu vermeiden. Fragend suchte er Shinichis Blick, denn er verstand nicht, worauf der Ältere hinauswollte.
"Ich habe ihr erzählt, dass wir uns schon seit der Kindheit kennen würden, aber sie ist skeptisch, weil ich nie zuvor von dir erzählt habe. Ich habe außerdem gesagt, unsere Väter seien damals befreundet gewesen." Er legte eine kurze Pause ein und sah unsicher zu Kaito hinüber. "Und ich habe gesagt, dass du bei mir wohnen würdest, weil dein Vater überraschend verstorben ist. Du bräuchtest meine Unterstützung."
Kaito zog langsam eine Augenbraue in die Höhe, als wollte er sagen: Ja, und weiter?
Shinichi brauste plötzlich wütend auf: "Das ist doch alles erstunken und erlogen, wie sollen wir reagieren, wenn sie neugierig wird und in der Sache nachforscht?"
Der Meisterdieb schien einige Augenblickte lang zu überlegen, dann meinte er mit ruhiger Stimme:
"Ich glaube, ich wiederhole mich, aber mach dir keine Sorgen. Außer ihr kennt sonst niemand diese Geschichte, richtig?" Shinichi nickte. "Der Professor und Ai wissen auch nur, dass ich ein alter Freund bin, der kurzzeitig bei dir wohnt, obwohl ..." Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Ai hat mir erst kürzlich gesagt, dass sie herausgefunden hat, dass wir ein Paar sind." Unvermittelt öffnete Shinichi erschrocken den Mund, Kaito ließ ihn aber nicht zu Wort kommen.
"Das macht aber nichts, ich vertraue ihr. Außerdem ist das gar nicht gelogen, dass unsere Väter befreundet waren." Der Schock verwandelte sich in Unverständnis. Kaito musste bei diesem Anblick kichern. "Weißt du das wirklich nicht? Dein Vater hat meinen Vater quasi Kaito Kid getauft. Sie haben sich, wie wir heute, wie Katz und Maus gejagt. In gewisser Weise kannten sie sich also."
Shinichi warf baff. Wie hatte er nur so etwas Wichtiges vergessen können?
Trotzdem fühlte er sich jetzt nicht besser. Er zog die Knie hoch und schlang seine Arme um sie. Erschöpft ließ er seinen Kopf auf die Knie sinken. "Ich bin immer noch nicht überzeugt", nuschelte er. "Deine nächtliche Aktion mit Hakuba war einfach keine gute Idee!" Unvermittelt sprang Kaito auf und ging vor Shinichi in die Hocke. Er befand sich nun auf Augenhöhe mit ihm.
"Shin-chan, es wird alles gut. Es tut mir furchtbar leid, wenn ich dir Angst und Sorgen bereite und ich weiß, dass es eine dumme Idee war." Vielsagend deutete er auf seinen verbundenen Bauch. "Aber trotzdem bin ich froh, dass alles wieder in Ordnung ist und du dein Gedächtnis zurück hast." Der Meisterdieb strich ihm liebevoll über die Wange. "Jetzt lass uns einfach die schönste Zeit unseres Lebens gemeinsam genießen." Er gab Shinichi einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Dieser hob verwundert den Kopf, sah Kaito lange an und erwiderte: "Was hast du gerissener Dieb jetzt wieder vor?"
Er ergriff Kaitos Hand und so liefen sie, Arm in Arm, zurück in die Küche um gemeinsam zu kochen.

Himmelblau und EisblauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt