Kapitel 14

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Strauchelnd hielt sich Marie an einem Tisch eines Essensstandes fest. Auch wenn sich der Hunger noch nicht zeigte, hatte sie sich jetzt ein asiatisches Menu bestellt. Gerade rechtzeitig wie es schien, denn ihr Kreislauf drohte ein weiteres Mal zusammenzubrechen. Während sie wartete, dass die Sterne vor ihren Augen verschwanden, überlegte sie sich, was sie als Nächstes machen sollte. War ihre Abwesenheit schon aufgefallen?

"Ein rotes Curry für die Dame", unterbrach eine freundliche Stimme ihre Gedanken. Ein älterer Mann hatte ihr soeben ihr Essen auf den Tisch gestellt. "Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit!"
Müde lächelnd murmelte sie ein Dankeschön und machte sich daran, den duftenden Teller genauer anzuschauen. Eine riesige Portion, die sie wahrscheinlich nicht ganz aufessen konnten. Neben dem Jasminreis fand sie Poulet mit verschiedenen Gemüsesorten. Auf die Bambussprossen freute sie sich am meisten, diese hatte sie noch nie ausprobiert. Mutig stellte sie sich der Herausforderung und begann, den Teller systematisch abzuarbeiten. Mit der Gabel spiesste sie alle Pouletstücke auf und legte sie an den Rand des Tellers, diese wollte sie sich für den Schluss aufsparen. Zum Glück klebte der Jasminreis ein wenig, sodass ihr nicht alles wieder vom Besteck fiel. Dann begann sie, zu essen. Sie schloss die Augen, um es noch mehr zu geniessen, denn sie war sich bewusst, dass ihr Appetit zurückgehen würde und kostete jetzt jeden Moment aus.

Nachdem sie den halben Teller geleert hatte, musste sie sich geschlagen geben. Es war ihr unmöglich, noch einen Bissen zu essen. Seufzend brachte sie den Teller an die Essensausgabe zurück und machte sich auf eine peinliche Situation gefasst, in der sie erklären musste, wieso sie nicht mehr gegessen hatte. Überraschenderweise jedoch nahm man ihr den Teller entgegen, ohne eine Bemerkung fallen zu lassen, was Marie sehr erleichterte.
Sie überlegte kurz, wo sie sich mit Anna verabredet hatte und machte sich langsamen Schrittes auf zum Treffpunkt, da sie sich noch immer etwas wackelig auf den Beinen fühlte.

Von weitem sah sie, wie zwei Männer in Anzügen und eine junge Frau bei ihren Eltern standen. Kurz überlegte sie, ob sie jetzt ihren Rückzug antreten sollte, aber das war nicht fair gegenüber ihren Liebsten, und auch nicht Mr. Morano. Also steuerte sie trotz Bedenken auf die kleine Gruppe zu. Ihre Mutter sah Marie zuerst. "Schaut mal, da ist ja mein Kleines!"
Sofort kam ihre Mutter ihr entgegen und drückte sie kurz. "Geht es dir gut? Brauchst du etwas? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht! Du kannst doch nicht einfach so verschwinden, denk doch an meine Nerven!"
Beruhigend tätschelte Alexander seine Frau.
"Es ist alles gut." Etwas leiser sagte er ihr aber auch, sie solle keinen Aufstand machen, da es Marie unangenehm wäre, womit er völlig recht hatte.

Anna schaute Marie mit einem entschuldigenden Blick an. Wahrscheinlich konnte sie die beiden Männer nicht länger aufhalten, was Marie ihr aber nicht übelnahm.
Als sich ihre Mutter wieder beruhigt hatte, schaute sich Marie in der Gruppe um und blickte direkt in besorgte, dunkelblaue Augen.
"Sie sehen etwas blass aus Marie."
Vielen Dank auch. "Ich hatte nur etwas Hunger, aber vorhin habe ich kurz an einem Stand etwas gegessen."
Irgendetwas sagte ihr, dass dieser mit ihrer Antwort nicht zufrieden war, aber er machte keine Anstalten, nachzufragen.

Anna bemerkte die etwas drückende Stimmung und machte einen Vorschlag. "Ich habe vorhin ein Riesenrad gesehen, was meint ihr, drehen wir eine Runde?"
"Wir bleiben hier Anna, wir lassen euch junge Leute Spass haben. Alessandro und Lorenzo, es war uns eine Freude, euch kennenzulernen", meinte Katrina.
"Das Vergnügen ist ganz auf unserer Seite", reichte Mr. Morano das Kompliment zurück und verabschiedete sich von Marie's Eltern, gefolgt von Lorenzo.
Seltsam, dachte Marie, dass die vier sich so gut verstanden. War sie etwa so lange weggewesen?

Anna hackte sich bei Marie ein und so gingen sie voraus, die Männer in den Anzügen folgten ihnen dichten Schrittes. Dabei erklärte Anna ihr, ausserhalb der Hörweite ihrer Begleiter, dass sie die beiden nicht länger aufhalten konnte, was Marie schon vermutet hatte. "Es ist alles gut Anna. Aber nach dem Riesenrad ist für mich Endstation, ich bin wirklich sehr müde und möchte nicht, dass jemand etwas bemerkt." Da hatte sie einen Blitzgedanken. "Anna, haben meine Eltern etwas über Du-weisst-schon-was gesagt?"
"Keine Angst, ich konnte gerade noch das Schlimmste verhindern. Alessandro und Lorenzo haben erzählt, dass sie diesen Event schon seit Jahren besuchen, und deine Eltern waren natürlich gleich Feuer und Flamme und wollten alles wissen!"
Das erklärte natürlich die Vertrautheit, über die sich Marie gewundert hatte.

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