Kapitel 17

125 9 3
                                    


Er genoss die kurze Wärme, die sich in ihm ausbreitete, als Marie ihm sanft durch die Haare strich. Das Gefühl war aber nur von kurzer Dauer, da ihm jetzt erst bewusst wurde, was er angerichtet hatte. Beinahe hätte er seinen besten Freund verloren. Was heisst hier beinahe? Er ist noch nicht über dem Damm!

Als er Marie ansah, durchfuhr ihn ein Gedanke. Er hatte auch sie in Gefahr gebracht. Wie sie ihn ansah, Sorge in ihren grünen Augen. Augen, in denen er sich verlieren könnte. Aber er sah noch etwas anderes. Wut. Tatsächlich blickte sie ihn fast zornig an, was ihn verwirrte.

„Ich.." Er brach wieder ab. Zuerst musste er sich sammeln. Einige tiefe Atemzüge später sass er hin, die helfenden Hände, die sich ihm entgegenstreckten, schlug er weg.
„Entschuldigen Sie bitte für die Umstände Marie." Was war denn das?
Aber er konnte sich nicht erlauben, vor seinen Leuten Gefühle zu zeigen. Schliesslich schaute ihn Luis schon kritisch genug an.

Die Antwort kam schneller als erwartet. „Bitte was?"
Erschrocken über den Ausbruch schaute er zu Anna und ihrer Freundin, welche beide genau so schockiert waren wie er. Hatte Marie etwa ihre Stimme erhoben?
„Jetzt hören Sie mir mal zu Alessandro. Ich habe Anna seit gefühlten Ewigkeiten nicht gesehen. Nicht, dass dies etwas zur Sache beitragen würde, aber ich möchte Ihnen meine aktuelle Gefühlslage unterbreiten. Wir tranken also gemütlich alle zusammen einen Kaffee und plötzlich stürmen hier ein Dutzend Leute mit Lorenzo im Gepäck an. Sie stehen daneben, blutend und an diesen.." suchend schaute Marie herum, „diesen riesigen Mann da in der Ecke gelehnt. Niemand hat eine Ahnung, was hier geschieht, am allerwenigsten wir", sie zeigte auf Anna, der Frau neben ihr und sich selbst, „und Lorenzo verblutet beinahe auf dem Tisch, an dem wir normalerweise die Hunde trocknen. Was, wenn da noch Haare gewesen wären? Die Wunde hätte sich infizieren können! Und nach all dem, was passiert ist, sagen Sie mir, Sie entschuldigen sich für die Umstände?"

Alessandro wusste nicht, wie er reagieren sollte. Sie hatte das Recht, wütend zu sein und Angst zu haben. Er hatte schon weitaus Schlimmeres gehört, doch aus ihrem Mund traf es ihn mehr als alles andere. Dass Sie auch noch seinen Vornamen dafür brauchte, machte es persönlicher. Er hatte erwartet, dass sie weitersprechen würde, aber es schien, als wäre Marie jede Luft entwichen, und sie liess die Schultern hängen. Anna, die sich inzwischen erholt hatte, lief schnellen Schrittes zu ihr, flüsterte ihr etwas zu, was Marie anscheinend bestätigte, und holte ihr danach ein Glas Wasser und eine kleine, weisse Pille. Marie nahm alles dankend an, schluckte die Pille und trank einige Schlucke. Dann drehte sie sich wieder zu Alessandro und ihm war klar, dass sie nun eine Antwort erwartete. Einen kurzen Moment fragte er sich, warum Marie diese Pille geschluckt hatte, doch er konnte sich jetzt nicht erlauben, abzuschweifen.

Er wandte sich an Luis. „Nimm den Rest und warte vor dem Eingang."
„Auf gar keinen Fall Boss. Wir bleiben hier."
Erzürnt von Luis' Verhalten zischte er ihm zu: „Und ich sagte ihr wartet draussen."
Was war denn heute eigentlich los? Luis befolgte immer die Befehle.
„Tut mir Leid Boss, aber es ist nicht sicher." Er schaute kurz zu den anderen, dann wieder zu ihm. „Hank bleibt hier, das ist nicht verhandelbar. Wir anderen warten draussen."

Dann verliess er mit den anderen zwei Männern den Laden, während Hank noch immer reglos in der Ecke stand und so tat, als würde er nichts mitbekommen haben.

Alessandro gab sich geschlagen und wandte sich den Frauen zu.
„Ich werde euch nicht alles erzählen. Dies ist zu eurem Schutz. Wir..", er biss sich kurz auf die Stockzähne, „sind in einen Hinterhalt geraten und ich war das Ziel. Sie reagierten schneller und waren in der Anzahl überlegen. Luis und Dominic, sie habt ihr heute kennengelernt, formierten unsere Leute. Kurz gesagt konnten wir trotz der Überhand einige Erfolge erzielen, aber ich habe nicht aufgepasst und meine Deckung vernachlässigt. Enzo", er holte tief Luft, um seine Atmung zu beruhigen, „hat sich vor mich geworfen. Es hätte mich treffen müssen. Beim zweiten Schuss hat der Angreifer nur meine Schulter erwischt. Wir haben sofort den Rückzug angetreten und dann standen wir plötzlich hier. Es tut mir so Leid Marie, bitte glauben Sie mir."

Sein WunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt