9: Egoist

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Eine Hand legte sich auf meine Stirn und zog mein Augenlid nach oben. Grellhelles Tageslicht blendete mich, ich sah eine verschwommene Silhouette vor mir knien, aber wer es war, konnte ich nicht sagen. Der Jemand richtete mich wieder in eine sitzende Position auf, rüttelte an meiner Schulter und schnipste neben meinen Ohren mit seinen Fingern. Langsam und allmählich kam ein Gefühl in meinen Körper zurück, ich stöhnte schwach auf und versuchte selbstständig meine Augen wieder zu öffnen. Dauerte etwas, aber dafür hörte das nervtötende Geschnipse endlich auf. "Jo Dan, das brennt jetzt bestimmt ein wenig, aber du musst still halten, verstanden?"

Ohne mein Einverständnis abzuwarten, schnappte er nach meinem linken Arm und hielt ihn mit einer Hand fest umklammert. Mit der anderen pfriemelte er noch kurz an etwas herum, das knisterte und sich nach Plaste anhörte. Im nächsten Augenblick rann eine kalte Flüssigkeit an meinem Handballen hinunter, überrascht biss ich die Zähne zusammen und wollte mich aus dem Griff des anderen herauswinden, doch der war viel zu stark, weswegen ich weiter litt und blinzelnd versuchte, endlich zu erkennen, wer da vor mir hockte.

"Steven?", fragte ich ungläubig. War er wirklich zurück gekommen? Er nickte, stellte eine halbvolle Wasserflasche beiseite und holte eine saubere, frisch angebrochene Verbandsrolle aus seinen Taschen. "Ich bin ja kein Unmensch. Und jetzt hilf mir mal, ich brauch dafür beide Hände!"

Dankbar sah ich ihm zu, wie er mir einigermaßen geschickt den Stoff um meine Schnittwunde wickelte und am Ende fest zuknotete. Ich bildete mir sogar ein, dass die Verletzung schon gar nicht mehr so sehr wehtat.

"Warum bist du wieder hier?", krächzte ich mit trockenem Hals. Ich dachte, er würde mich meinem Schicksal überlassen, weil ich mich so unmöglich aufgeführt hatte. Aber stattdessen... hatte er mich tatsächlich gerettet. Schon wieder. Ich musste vor Erschöpfung eingeschlafen sein, bis er mich eben geweckt hatte. Wie viel Zeit dazwischen vergangen war, konnte ich aber beim besten Willen nicht sagen.

Steven zuckte unwillig mit den Schultern: "Ich hatte dir doch gesagt, ich würde dir eher den Hintern küssen als mir meine Chance auf ein gechilltes Leben im Himmel entgehen zu lassen. Und noch geb ich nicht auf, auch wenn du ganz schön undankbar sein kannst, Kollege. Daran musst du echt arbeiten!"

Ich konnte nicht anders, als schwach zu lächeln. Sogar in dieser Situation machte er noch seine blöden Kommentare. Er schien es einfach nicht lassen zu können, egal was auch passierte.

Mein Blick fiel auf die Flasche und ihrem kostbaren Inhalt neben Steven. Wasser, genau was ich jetzt brauchte... Nur ein Schluck und mir würde es sicher schon viel besser gehen. Der Junge musste mein gieriges Starren bemerkt haben. "Nimm halt. Nur nicht alles auf einmal, sonst-"

Ich ließ ihn nicht ausreden, grapschte an ihm vorbei und schüttete die klare Flüssigkeit so schnell wie nur möglich meinen Rachen hinunter."-wird dir noch schlecht", endete mein Begleiter nach seinem kurzen Zögern und seufzte. Als nächstes beförderte er ein Brötchen aus seinen Taschen. "Ich weiß, eigentlich bist du den Abfallfraß gewöhnt. Sauber schmeckt sowas aber gleich viel besser, glaub mir."

"Ach was. Hätte ich nicht gedacht!" Keine Sekunde ließ ich das Essen außer Acht, spielte sogar den Kasper für Steven, als er es wild herumschwenkte und mir belustigt dabei zusah, wie ich halbherzig danach griff, dann drückte er es mir endlich in die erwartungsvoll bebenden Hände. Es fiel mir unglaublich schwer, aber ich zwang mich, so langsam wie nur möglich zu kauen und nicht alles sofort in mich rein zu schlingen. Weil sonst würde mir wirklich noch übel werden. Mit jedem Bissen spürte ich die Energie zurück in meinen Körper fließen. Ich seufzte wohlig, lehnte ich mich zurück an die Häuserwand und genoss alles bis auf den letzten Happen.

"Wo hast du das Zeug eigentlich her? Kannst du doch zaubern?", wollte ich wissen, als ich auch noch sämtliche Krümel von meinem Pulli aufgelesen hatte und den Verband und die leere, zerdrückte Flasche näher beäugte. Steven gähnte: "Hab ich aus nem Laden mitgehen lassen, nicht weit weg von hier. Du glaubst ja nicht, wie riskant das ist. Ich glaub, so ein alter Knacker hat sogar gesehen, wie mir etwas aus den Händen gerutscht und auf den Boden geklatscht ist."

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