Kapitel 21

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Am Ende des Ganges war eine Tür. Als ich den Griff hinunterdrücken wollte, ertönte eine tiefe Stimme, die mich zusammenzucken ließ.

Du hast solange Zeit, bis die Sanduhr abgelaufen ist. Bis dahin muss du ihn getötet haben. Wenn nicht, sterbt ihr beide. Er darf sich auf keinen Fall selbst töten.

Ich schluckte schwer. Es gab nicht einmal eine genaue Zeit Angabe! Es hieß nur, dass ich Zeit hatte bis die Sand Uhr abgelaufen war. Aber wie lange war das? Und wie groß war die Sand Uhr überhaupt?

Doch bevor ich mir weiter Gedanken darüber machen konnte, öffnete sich die Tür knarzend von alleine. Meine Hand, welche immer noch auf Höhe des Türgriffs war, schloss sich langsam in der Luft und ich ließ sie sinken.

Ich zögerte einen Moment, dann trat ich ein. Antony saß auf einem Metalltisch und lies gedankenverloren seine Beine baumeln. Als er mich hörte sah er auf.

In Tränen ausbrechend ließ ich den Dolch fallen, rannte auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. Er erwiderte die Umarmung und drückte mich an sich.

"Ich kann das nicht!", wisperte ich weinend. "Du musst!", flüsterte er. Und so viel Liebe lag in seiner Stimme, aber auch Mitgefühl und auch Entschlossenheit. Zumindest deutete ich das so.

"Nein Antony! Ich kann das einfach nicht! Ich schaff's nicht!", meine Stimme wurde zum Ende hin immer verzweifelter. "Hör mir zu Linn!", sagte er mit großer Entschlossenheit und befreite sich soweit aus meiner Umarmung, dass er mir in die Augen sehen konnte.

"Wir beide wissen, dass dieser Moment so oder so irgendwann gekommen wäre. Tu es... für mich. Ich möchte mit der Gewissheit sterben, dass es dir gut geht und dich in Sicherheit wissen. Nimm dir das als Grund, wenn es dir hilft. Rede dir nicht ein, dass du Schuld bist, dass ich sterben muss damit du lebst, ist falsch. Ich bin der Grund! Nicht du! Mach dir kein schlechtes Gewissen. Du musst jetzt stark sein und das durchziehen, klar?", seine Augen schienen mich zu durchbohren und in mein tiefstes Inneres zu schauen. Es schien als würde er alles über mich wissen und auch alles verstehen. Und vor allem alles von mir akzeptieren so wie es war. Ich nickte langsam.

"Und versprich mir eines!", fügte er hinzu, "versprich mir, dass du kämpfst und so lange weiter machst bis du es schaffst. Gib nicht auf nur weil ich nicht mehr da bin. Überlebe! Bitte!"

Schluchzend versprach ich es ihm. "Und... fang lieber jetzt an, die Zeit läuft!", sagte er und deutete mit dem Kopf auf etwas hinter mir. Ich drehte mich um. Auf einem kleinen Podest stand eine große Sand Uhr, von dessen blutroter Sand bereits fast ein Drittel abgelaufen war.

Antony hatte Recht: mir blieb nicht mehr viel Zeit. Mit Tränen in den Augen lief ich eilig zur Tür und hob dort meinen Dolch auf. Meine Hände umklammerten den Griff und suchten daran Halt, suchten daran Kraft und Mut das bevorstehende meistern zu können.

Ich drehte mich um und lief wie hypnotisiert auf Antony zu. Ich konnte es nicht fassen, dass ich es tun würde. Die ganzen Jahre über hatte ich gehofft, dass unsere Beziehung niemals enden würde. Ich selbst sah sie immer als unendlich an, doch auch ich zweifelte an dieser Unendlichkeit. Sobald ich mit ihm zusammen war und unendlich glücklich deswegen war, blieb immer diese Angst ihn zu verlieren. Oh ja, Liebe ist eine verdammt schöne Art von Angst.

Und jetzt findet die Unendlichkeit ein Ende.

"Was geht am schnellsten?", fragte ich schluchzend. "Ich vermute, wenn du ins Herz stichst", murmelte er.

Sein Blick durchbohrte mich. Dann schnellte seine Hand plötzlich an meinen Hinterkopf und zog mich zu sich ran. Nach einem leidenschaftlichen Kuss, löste er sich von mir und schaute mir in die Augen. "Ich würde dir so gern diese Last abnehmen und mich selbst töten, aber ich darf nicht!" Seine Augen wurden glasig. Ich nickte, schloss meine Augen, umgriff den Dolch fester und stach zu. Ganze Flüsse kamen aus meinen Augenwinkeln und langsam öffnete ich sie wieder. Der Anblick löste so viel in mir aus.

Antony krümmte sich vor Schmerz und fiel kraftlos zur Seite, sodass er seitlich auf dem Tisch lag. Ich hatte das Gefühl, dass auch aus mir alle Kraft wich. Meine Beine klappten unter mir weg und ich fiel vor Antony auf die Knie. Ich schaffte es noch mich am Tisch festzuhalten um nicht ganz umzufallen. Schluchzend griff ich nach Antonys Hand und hielt sie fest. Ich wünschte mir, dass er dadurch nie von mir gehen würde.

"Du..." flüsterte er und schaute mich mit roten Augen an, "Hast daneben... ge-getroffen!", man merkte wie viel Kraft ihn das Sprechen kostete, "V-versuch's... nochmal"

Aber ich konnte nicht, ich konnte und wollte nicht. "Ich... Ich kann nicht", sprach ich es aus. "D-du musst! Die... Zeit!"

Meine Augen weiteten sich. Ich hatte die Zeit völlig vergessen! Mein Kopf drehte sich ruckartig herum. Ich sah, wie das letzte Sandkorn auf den unteren roten Haufen fiel.

Als ich blitzartig meinen Kopf zurückdrehte, sah ich noch, wie sich Antonys Lippen ein letztes Mal bewegten: "Ich liebe dich!"

Er starb. Jedoch zu spät.

Im nächsten Moment flog mir mein eigenes Fleisch und Blut um die Ohren.

Spiel des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt