Kapitel 26

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Ich verschluckte mich und bekam einen Hustanfall, als Andy bekannt gab, dass ich mit Theo zur nächsten Prüfung gehen würde.

Jane konnte ihr Versprechen nicht einhalten.
Und ich hatte recht behalten.
Mit meiner Aktion heute hatte ich so einige gegen mich aufgehetzt.
Vermutlich hätte ich nichts anderes erwarten sollen.

-

Jane kam um die Ecke. Nach der Verkündung hatte ich mir einen Moment zum Nachdenken genommen und war in die Zentrale gegangen. Dort hatte ich mich einigermaßen von dem Schock erholt.

"Ist alles in Ordnung bei dir?", fragte sie besorgt. "Klar, es könnte ja nur sein, dass ich morgen früh sterbe!", erwiderte ich sarkastisch. Dann rollte ich mit den Augen und blieb mit meinem Blick schließlich bei ihr. "Kannst du dir das nicht denken?", fragte ich und merkte, dass ich gereizt war.  "Das wird schon wieder. Das morgen früh wirst du sicherlich überleben", sagte sie und überspielte meine erhöhte Reizbarkeit mit Leichtigkeit. Mir stiegen die Tränen in die Augen, "Und was wenn nicht? Du hast gestern auch gesagt es wird nicht passieren, dass ich zur nächsten Prüfung gehen muss. Und jetzt?" Jane schwieg. "Was, wenn morgen alles vorbei ist? Einfach so! Was, wenn mein Leben ein Ende nimmt bevor ich meine Ziele erfüllen konnte?" Ich sah ihr an, dass sie mir eigentlich wiedersprechen wollte, es jedoch ließ, weil ich immerhin die Wahrheit sagte. Ihr Schweigen half mir auch nicht gerade weiter. Vielmehr frustrierte es mich. Und der Frust zersetzte Stück für Stück meine Seele.

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Die letzten Tage hatte ich zwar immer wieder von den bis jetzt gestorbenen Leuten geträumt, aber eigentlich war es immer so gut wie dasselbe und es passierte nichts neues oder interessantes.

Jenny hockte meist in einer Ecke und heulte unaufhörlich. Ihre klagenden Laute bereiteten mir immer wieder eine Gänsehaut, vorausgesetzt man kann im Traum eine  bekommen.
Penny aber war viel schlimmer. Sie sang einen kindlichen Singsang, der sich anhörte wie eine Spieluhr. Das war für mich viel fürchterlicher.
Magie und Mary grinsten immer teuflisch und ab und zu schrien sie so plötzlich und schrill los, dass ich unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde.
Jason verhielt sich meist unauffällig und im Hintergrund.
Und Linn und Antony liefen händchenhaltend herum, während sie sich verliebt ansahen. Zufriedenheit spiegelte sich in ihrem Blick wieder. Als hätten sie mit der ganzen Welt Frieden geschlossen, bevor sie gegangen  waren.
Die beiden plus Jason waren die einzigen, vor denen ich keine Angst hatte. 

Hätte ich vorher gewusst, dass diese Nacht so einiges anders gewesen wäre, hätte ich die Nacht durchgemacht.

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Langsam verschwand die Schwärze und meine Umgebung nahm Form an. Zuerst erkannte ich nur ein paar menschliche Umrisse um mich herum, dann konnte ich deutlich die Personen in meiner Umgebung erkennen. Doch irgendetwas war anders als sonst.

Plötzlich spürte ich einen heißen Atem in meinem Nacken. Ich drehte mich um. Mit einem teuflischem Grinsen stand sie so nah hinter mir, dass ich schreiend zurücktaukelte. Es war Magie. Ihre vollständig weißen Augen schienen mich regelrecht anzustarren.
Wie aus dem nichts, fing sie an zu kreischen und mit einem mal wusste ich, was anders war als sonst.

Es fühlte sich echt an.

Ich wusste, dass ich träumte.
Ich konnte mich selbst steuern.
Und ich konnte alles spüren.
Alles.

Der Schmerz in meinen Ohren, wegen des ohrenbetäubenden Kreischens.
Der Atem der mir entgegenschlug und mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht wehte.
Der widerliche Gruch dieses Atems.
Das nasse Gefühl an meinen Füßen als ich in die Blutpfütze trat, weil ich begonnen hatte zu rennen.

Doch ich kam nicht weit, denn nach ein paar Schritten wurde ich an meinen Haaren zurückgerissen. Und auch das spürte ich. Mehr als deutlich.
Und obwohl ich sie nicht einmal sehen konnte, wusste ich am Klang ihrer Stimme sofort, dass es Jenny war.
"Schön hiergeblieben!"
Und ich merkte, dass sie grinste.

Instinktiv rammte ich ihr meinen Ellenbogen in den Bauch, woraufhin sie kurz nach Luft rang, mich aber weiterhin an den Haaren festhielt.
"Misstück", presste sie hervor und zog mich mit sich mit.
"Lass mich los", zischte ich während ich nach ihrer Hand an meinen Haaren griff. Ihre Finger waren abgemagert und knochig, aber mein Überlebenswille hielt mich davon ab, loszulassen.

Gewaltsam wurde ich mit dem Rücken an eine Wand gedrückt. Sie stand jetzt vor mir und presste meinen Kopf so  gegen die Hinterwand, dass er scherzhaft überstreckt wurde.

Ich hörte ein Taschenmesser klicken. Mein Taschenmesser. Das, mit dem ich Jenny vor der Bestie retten wollte.
Wieso wollte ich sie noch gleich retten?

"Ich war das, mit dem Becher!", während sie sprach, fuhr sie mit der Klinge über meine Wange. Ich versuchte auszuweichen, was zur Folge hatte, dass ich noch fester gegen die Wand gedrückt wurde.
"Weil ihr jetzt abstimmt, muss ich andere Wege finden, damit du zur Prüfung gehst!", langsam drückte sie das Messer in meine Haut. Sie grinste als schien sie es zu genießen.
"Zu schade, dass ich dich nicht töten kann." Sie drehte die Spitze ein wenig in der Wunde. Und es tat so höllisch weh, dass ich vergaß, dass ich träumte.

Bis ich auchwachte.

Ein Druck an meinen Haaren machte sich bemerkbar. Es fühlte sich immer noch so an als hielte sie mich fest.
Ich spürte meinen Puls an meiner Wange und fasste erschrocken hin. Meine Wange blutete.

Und bevor ich überlegen konnte, was dass bedeutete, ging eine Fackel an der Wand an und erhellte den Raum. Gleich darauf erblickte ich Theo der an der Fackel stand und mir den Rücken zu gewandt hatte. Dem Anschein nach, hatte er gerade für Licht gesorgt. Ich stand auf und blickte im Raum umher. An zwei gegenüberliegenden Wänden stachen in regelmäßigen Abständen ca. 10cm lange Metallspitzen heraus, gerade so, dass man sich nicht zwischen die einzelnen quetschen konnte.

Gerade als ich Theos Namen rufen wollte, ertönte eine tiefe Stimme.

Prüfung 9

Eigentlich eine ganz simple Aufgabe: überlebt!

Eigentlich...
Denn im nächsten Moment kamen die Wände mit den Metallspitzen ratternd aufeinander zu.

Theo drehte sich zu mir um und unsere Blicke trafen sich. Ich konnte die Verzweiflung sehen, die seine Augen widerspiegelten.

Und ich war mir sicher, dass ich den heutigen Tag nicht überleben würde.

Spiel des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt